Josephsplatz:Tiefgarage treibt Aktivisten auf die Bäume

Proteste gegen Anwohnertiefgarage am Münchner Josephsplatz, 2013

Protest in zehn Metern Höhe: Die Bäume vor der Josephskirche sollen bleiben.

(Foto: Catherina Hess)

Sie campieren in fast zehn Metern Höhe: Linke Aktivisten wollen am Josephsplatz alte Bäume retten und den Bau einer Tiefgarage verhindern. Verstärkung bekommen sie ausgerechnet vom Bürgertum.

Von Bernd Kastner

Ein Sonnenschirm steckt in einem Sandhügel, daneben stehen junge Leute um einen Biertisch herum, reden, lachen, diskutieren. Fast wirkt die Szene sommerlich, wäre da nicht dieser Eimer. Aus ihm lodern Flammen, an denen man seine Hände wärmen kann. Es ist bitterkalt. Irgendjemand hat alte Christbäume gebracht, die begrünen jetzt den Sand des halb verwüsteten Spielplatzes, aus dem ein Stein-Krokodil herausschaut.

Was sich seit Montag am Josephsplatz in der Maxvorstadt abspielt, ist eine Mischung aus Protest, Happening - und Sensation. Wann gibt es in München schon mal eine Baumbesetzung? Aktivisten aus der linken Szene haben die Nacht auf Dienstag in fast zehn Metern Höhe in Baumbetten verbracht, und sie wollen bleiben. Wollen die paar alten Bäume vor der Josephskirche bewahren und den Bau der Tiefgarage unter dem Platz verhindern.

Unter die Aktivisten, von denen mehrere weit gereist sind, mischen sich immer wieder Anwohner. Sie machen sich gegenseitig Mut. Zwei Welten treffen hier aufeinander - und verbünden sich. Das Bürgertum der Maxvorstadt mit den radikal Linken. Sie kämpfen gegen eine Politik, die für das Auto fast alles tue, dabei aber Mensch und Natur vergesse. Mit "Natur" sind in diesem Fall zwar nur ein paar hohe Bäume gemeint, aber die sind in einem so dicht bebauten Viertel etwas Wertvolles.

Deshalb der Protest der Anwohner, der sich erst Ende vergangenen Jahre so richtig entzündet hat. Da haben die Anwohner eher zufällig erfahren, dass die Stadt die Bauweise geändert hat: Nicht, wie zugesagt, mit einem Betondeckel über der Grube, sondern in offener Bauweise. Das empört noch immer, obwohl die Bäume so oder so weg gemusst hätten.

"Was kann man denn noch tun?", fragt eine Passantin die jungen Leute unter den Bäumen. Sie kommt gerade vom Wochenmarkt, Lauchstängel schauen aus ihrer Tasche. "Braucht ihr Äpfel?" - "Das wär' cool." Woraufhin die Frau verspricht: "Ich bring auch nur bio." So gehe das seit Montag, berichten die Mitglieder von Robin Wood, unterstützt von ein paar "Kollegen", die sich "freie Aktivisten" nennen. Und so türmen sich auf einem Biertisch die Gaben der Nachbarn: Decken und Isomatten und viel zu essen, Kekse, Margarine, Tee und Kaffee, selbst gemachte Marmelade, Cola, Krapfen.

Ein Leben ohne Auto? Ach!

Die meisten der Aktivisten ernähren sich vegan, also kriegen sie viele nichttierische Lebensmittel geschenkt. Hanna Poddig, von Beruf bundesweit tätige Vollzeitaktivistin und eigentlich für einen Vortrag in München, kennt solche Solidarisierungen aus anderen Protestzonen: Zum Beispiel in Berlin, wo Linke sich mit Kleingartenbesitzern gegen eine Autobahn zusammengetan hätten. Poddig berichtet, dass kürzlich eine Frau vorbeigekommen sei, ihr kleines Kind auf dem Arm, und dass der Mutter die Tränen gekommen seien beim Anblick der Bäume.

Josephsplatz: Robin Wood demionstriert mit Baum Besetzung gegen das Fällen von Bäumen am Josephsplatz.Hier soll eine Tiefgarage entstehen.2.Tag Foto:

Robin Wood demionstriert mit Baum Besetzung gegen das Fällen von Bäumen am Josephsplatz.Hier soll eine Tiefgarage entstehen.2.Tag Foto:

(Foto: Catherina Hess)

Die Frau mit den Äpfeln erzählt, dass ihre Kinder früher auf dem Platz gespielt haben, und jetzt ihre Enkel. Und dass die Frage "Tiefgarage ja oder nein?" eine ganz verzwickte sei. Nur in einem ist sie sich sicher: "Ich finde es gut, wenn sich die Bürger nicht alles gefallen lassen und sich einsetzen für das, was sie vertreten." Das tut auch ein Herr in Mantel und Karo-Pulli, der hitzig mit Aktivisten diskutiert. Er ist unüberhörbar ein Freund des Autos und kennt New York, denn er sagt, dass das in New York mit den Tiefgaragen und den Grünflächen oben drauf ja wunderbar funktioniere.

Ein Leben ohne Auto? Ach! "Sie sehen das alles idealistisch!" Und überhaupt, ruft er: "Bitte lassen sie uns vorher diskutieren." Während der Planungsphase. "Jetzt ist es zu spät." Eine Anwohnerin ist entrüstet über den Autofreund: "Sie müssen ein bisschen was in Ihrem Hirnkastl verschieben." Soll heißen: Nicht nur auf vier Rädern denken. Die Frau ist kaum zu bremsen, nicht mal von einem der Baumaktivisten: "Ich bin ziemlich zornig."

Ins Grübeln dürfte man dagegen bei der Stadt gekommen sein. Was tun mit den Baumbesetzern? Will man bauen, müssen die Bäume weg - und vorher die Besetzer runter. Im Baureferat heißt es dazu am Dienstagnachmittag lediglich, dass man nichts Neues sagen könne, dass man mit der Bauvorbereitung weitermachen wolle und man "mit Bedacht" die nächsten Schritte gehe.

Die Aktivisten vor der Josephskirche rechnen mit einem Polizeieinsatz in den nächsten Tagen. Am Dienstag aber bereiten sie erst mal ein neues Transparent vor, das sie in die Kronen hängen wollen: "Stadt ohne Autos statt ohne Bäume."

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