Süddeutsche Zeitung

Josef Hader in München:Humor aus Österreich fürs Deutsche Museum

Seit vielen Jahren warten Kabarettfans auf Neues von Josef Hader. In München ist es nun so weit.

Von Oliver Hochkeppel

Seit langem kursiert ein Running Gag in der Kabarettszene, der geht so: "Habt ihr schon gehört? Der Josef Hader schreibt an einem neuen Programm." Keiner nämlich spielt seine Programme so lange wie der österreichische Star des Metiers, nicht zuletzt, weil er eben auch im "seriösen" Fach etabliert ist, als Schauspieler, Autor und Regisseur. "Privat", sein erfolgreichstes, spielte er von 1994 an zehn Jahre lang, auch noch parallel zu seinem Best-of "Hader spielt Hader", das es neukonzipiert nun auch schon seit zehn Jahren gibt. Und das jetzt auch für die vier Auftritte im Innenhof des Deutschen Museums angekündigt war, die ja eigentlich nur - dementsprechend ausverkaufte - Nachholtermine für das mehrfach verschobene Gastspiel im Audimax sind. Freilich hegte man als Rezensent Hoffnung. Weil sich in eineinhalb Jahren Zwangspause doch etwas getan haben musste. Und weil besagter Running Gag wieder kursierte.

Tatsächlich konnte man eine heimliche Vorpremiere erleben. Mit überwiegend neuem Material aus dem bereits angekündigten "Hader on ice", das er offiziell am 10. Juni im Wiener Stadtsaal zum ersten Mal spielt. Der erste, aber bestimmt gültige Eindruck: Hader geht auf Nummer sicher und ist zugleich in gewohnter Hochform. Auf Nummer sicher, weil er nichts an der Form ändert, mit der er groß wurde, aus der er nur bei "Hader muss weg" mit acht verschiedenen Rollen einmal ausbrach (wofür er dann ziemlich Prügel einstecken musste) und die er seit Jahrzehnten perfektioniert hat: der distanzlose Monolog-Einakter. Im charmanten Plauderton tut er so, als spräche der Mensch Josef Hader zu uns, der aus seinem Alltag erzählt. Diese Verbrüderung, die er dadurch wie kein anderer erzeugt, liefert ihm die Fallhöhe, aus der er seine Zuhörer dann in die Grube rauschen lässt.

Denn natürlich ist es nicht Hader selbst, sondern eine kunstvoll inszenierte und gespielte Kunstfigur, die da vom Glück des von der Pandemie erzwungenen Landlebens im Weinviertel schwärmt, die scheinbar aus eigener Erfahrung über die Vorzüge von Beziehungen mit deutlich jüngeren Frauen (natürlich nur für die älteren Herren) berichtet und die aus reiner Wohltätigkeit gar einen nigerianischen Bettler als Privatdiener einstellt. Und erst recht nicht ist es der "echte" Hader, dem ein sprechender Wolf ("der Rudl") als schizophrenes alter ego erscheint (was einen hauchzart an Marc-Uwe Klings berühmtes Känguru erinnern kann). Solche phantasmagorischen Begegnungen mit Gott, dem Teufel oder dem Tod sind ja ein wiederkehrendes Stilmittel, mit dem Hader sein Publikum überrumpelt.

Die vertrauliche Selbstgewissheit des Publikums zu erschüttern, die Widersprüche klar zumachen, in denen wir alle uns so wohlig eingerichtet haben, das Gruselige hervorzuholen, das sich unter der Oberfläche unseres Wohlstandslebens verbirgt - das ist das Ziel seiner Methode. Eine leise, schaurige, umso wirkungsvollere Komik entsteht dann, wenn sich das Weinviertel schließlich als öde erweist, der Hang zu jungen Frauen als schlicht übergriffig und die Wohltaten gegenüber "den Schwarzen" als neue, nur dürftig bemäntelte Version der Sklaverei erweisen. Wenn die Bekenntnisse gegen den Konsumwahnsinn und für das Einfache sich als Lippenbekenntnisse und Selbstbetrug entpuppen. Oder wenn man sich am Schluss fragt, ob so etwas wie der imaginäre "Rudl"-Wolf im Social-Media-Zeitalter womöglich als einziger "wahrer" Freund bleibt. Dazu bringt einen so nur Josef Hader.

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SZ vom 28.05.2021/van
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