Josef Hader im Schloss:Woanders is' aa ned anders

Zwischen Wahnsinn, Liebe, Todessehnsucht, Lebenslust und Raubrittertum: Josef Hader gastiert mit "Hader muss weg" in München - ein Erlebnis, das sich in kein Genre pressen lässt.

Lars Langenau

Was ist das für ein Genre, das Josef Hader da auf der Bühne zeigt? Ist das noch Kabarett? Oder ist das "schon Welttheater", wie etwa die Abendzeitung hymnisch lobt? Josef Hader gastiert wieder in München. Und das, was ist, ist Josef Hader. Pur, unverwechselbar, original. Man muss ihn erlebt haben, um zu begreifen, dass sich dieser Mann, und das, was er macht, nicht in ein Schema pressen lassen.

Pullach, Kabarettist Josef Hader,

Kabarettist Josef Hader spielt in seinem neuen Programm "Hader muss weg" eine ukrainische Prostituierte, einen (unerträglichen) betrunkenen Hader-Fan, die Freundin des (unerträglichen) Hader-Fans, einen osteuropäischen Kriminellen und einen vom Leben enttäuschten Tankstellenpächter. Und alle sind Hader. Ohne Maske, ohne Kostüme.

(Foto: ANGELIKA BARDEHLE)

Sein aktuellstes Programm nennt sich "Hader muss weg", aber selbst aktuell heißt nichts bei Hader. Denn der Österreicher spielt sein Programm über Jahre und variiert es - manchmal um Nuancen, manchmal mit starken neuen Elementen. Haders Kunst fassen zu wollen, gleicht dem Versuch, eine Qualle als Kuscheltier zu halten.

Nun also "Hader muss weg" im ausverkauften Theaterzelt Das Schloss in der Schwere-Reiter-Straße 15 im Schwabinger Grenzgebiet am Freitagabend. Mehr als zweieinhalb Stunden kurz ist sein Stück. Es ist Theater und doch wieder nicht, es ist Kabarett und doch wieder nicht. Hader präsentiert eine Art Roadmovie, das in einer sehr unterbelichteten Gegend der zwischenmenschlichen Ecke menschlicher Existenz spielt.

Hader spielt sieben Rollen, die zwischen Wahnsinn, Liebe, Todessehnsucht, Lebenslust und Raubrittertum changieren: Hader ist Hader, Hader ist Barpianist, Hader ist ukrainische Prostituierte, Hader ist (unerträglicher) betrunkener Hader-Fan, Hader ist Freundin des (unerträglichen) Hader-Fans, Hader ist osteuropäischer Krimineller, Hader ist ein vom Leben enttäuschter Tankstellenpächter. Und alle sind Hader. Ohne Maske, ohne Kostüme.

In den Tiefen der zwischenmenschlichen Existenz

Wenn dies ein Film wäre, was er da auf der Bühne vollbringt, dann wäre das Drehbuch wohl ein Fall für Tarantino. Erst beginnt sein Programm harmlos als eine Art Hörspiel um eine Auseinandersetzung mit seinem Techniker Gerhard im Streit über sein "Gesichtswarzenmikrophon", dann geht es langsam zur Publikumsbeschimpfung über und kippt vom großen Kino in ein Splattermovie.

Hader bringt Lebenserfahrung auf die Bühne: über Rentner, die im Supermarkt immer nach der zweiten Kasse schreien, über die offensichtliche Nutzlosigkeit gesunder Ernährung, wenn die Lebenserwartung in Frankreich genauso hoch ist wie auf Kreta - und Ausführungen über Prostatauntersuchungen, bei denen sich das ältere Publikum verständnisvoll in die Augen schaut. Schön auch die Analogie, dass der, der österreichische Gartenmöbel kennt, sich nicht fragen muss, "ob wir den Faschismus bewältigt haben". Und Hader steigt ab in die Tiefen der zwischenmenschlichen Existenz.

Haders Kunst ist das, was man von britischen Kleinkunstbühnen kennt: Ein Stand-Up-Komödiant, der ständig unter die Gürtellinie zielt - und sich dann mit großen Kinderaugen wundert, einen Volltreffer gelandet zu haben. Österreichische Stand-Up-Comedy ist selten. Hader beherrscht es perfekt. Er tapert bewusst bewusstlos über Ekelgrenzen hinweg und breitet vor seinem Publikum die Probleme einer Harnröhrenentzündung aus, imitiert den neben Mozart berühmtesten Österreicher: Falko. Gott hab ihn gnädig. Hader aber ist am und im Leben. Und wie!

Hader kann alles

Latent blitzt bei ihm immer wieder politisches Kabarett auf, welches aber umgehend in trashige Comedy abkippt - oder zumindest droht, es zu tun. Der Konjunktiv-Hasser nimmt Anleihen an Karl Valentin, dessen Spruch "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde" von ihm abgewandelt wird in "Woanders is' aa ned anders" und in "In der Fremde ist dir nicht nur deine Frau fremd, sondern auch alle anderen". Oder wenn er über Paradoxien der Sinnfrage sinniert: "Ein Leben lang tat ich mich net mögen, und dann sterbe ich an Selbstmitleid." Oder in Erinnerungen an die Laternenumzüge der Kindheit schwelgt: "Wir haben nie Sterne gesehen, es war immer November."

Hader kann alles: Er spielt Piano, singt Jazz und Mozart, spielt brutale Erpresser und leichte Mädchen. Alle seine Figuren leiden unter extremen Stimmungsschwankungen, besonders herrlich ist er in politisch völlig unkorrekten Dingen, wenn er sich etwa über "Gender-Arschlöcher" auslässt oder und in Beziehungsfragen einsteigt: "Ich sage Haselmaus, wenn es mir passt, Du Funzel." Oder über Diäten: "Nur um deinen Hintern zu retten hast Du jetzt einen Schrumpfkopf."

Hader MUSS man sehen. In München gibt es in diesem Jahr noch ein paar Möglichkeiten dazu. Nicht verpassen!

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