Süddeutsche Zeitung

Joschka Fischer im Hugendubel:"Kein gutes Beispiel für Antiautorität"

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Joschka Fischer spricht in München über seine Biographie "Die rot-grünen Jahre" und den Hoffnungsträger Barack Obama.

Birgit Weidinger

Mit gewaltig gefurchter Stirn blickt er vom Cover seines Taschenbuches aufs Publikum. Der leibhaftige Joschka Fischer, Politiker im Ruhestand - blaues offenes Hemd, gesunde Gesichtsfarbe und keine Turnschuhe - schaut dagegen freundlich und entspannt drein. Assistiert von Fragen des stellvertretenden SZ-Chefredakteurs Kurt Kister präsentiert er bei Hugendubel am Stachus die neu erschienene Taschenbuchausgabe seiner 2007 veröffentlichten politischen Biographie "Die rot-grünen Jahre".

Doch zunächst feiern die beiden Herren die Hauptperson des Tages. Die ist zwar nicht persönlich anwesend, doch steht der spektakuläre Sieg des künftigen US-Präsidenten Barack Obama zunächst im Zentrum des Interesses. Fast enthusiastisch preist Fischer Obamas Visionen und Qualitäten, dessen Rednergabe und das Bewusstsein für die Lasten, die er übernommen habe.

Die zusammengepferchten Zuhörer, die sich mit Stehplätzen begnügen müssen, hören, eingekeilt zwischen Bücherregalen, von diesem "Tag, der Geschichte geschrieben hat", die Kameras klicken und surren und die beiden Herren, die an den Mikrophonen sitzen, begeben sich auf einen schnellen, animierten politischen Diskurs.

"Das Schöne ist, dass Sie das nix mehr angeht"

Sie kennen sich laut Kister "aus gemeinsamen Abenteuern", thematisieren den Generationenwechsel in der Politik, die Macht der USA, die Grenzen von Kenntnissen und Erfahrung und landen beim Charisma Obamas. Die deutsche Politik bekommt ihr Fett weg, warum sie denn so langweilig sei, fragt Kister listig und erntet einen tiefen anteilnehmenden Seufzer Fischers.

Man erörtert die rot-grüne Regierungskoalition, die politische Entwicklung der Grünen, Lafontaines Populismus, die schwerwiegenden Entscheidungen im Kosovokonflikt oder die Frage wie (anti-)autoritär Entscheidungsträger Fischer sei: "Wir sind beide kein gutes Beispiel für Antiautorität", befindet der Ex-Außenminister.

Und ehe das fußmüde Publikum unruhig wird, muntert Kister es mit der Schlussfrage auf, wovon sein Gesprächspartner denn nun lebe. Der meint gemütvoll und mit Applaus bedacht: "Das Schöne ist, dass Sie das nix mehr angeht". Danach drangvolle Enge beim Signieren: Viele wollen am Abend des Tages, an dem Obama siegte, die Unterschrift eines Politprofis, der so große Chancen in diesem Sieg sieht.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2008/af
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