Johanneskirchen:Neuer Plan, neues Glück

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Eine idyllische Gegend: Aus Schuppen oder Holzhäuschen wurden im Laufe der Jahren veritable Häuser in grüner Umgebung. (Foto: Renate Schmidt)

Auch in der Siedlung Am Hierlbach freut man sich über den amtlichen Bescheid

Von Ulrike Steinbacher, Johanneskirchen

Vor knapp 50 Jahren haben die Bewohner der Siedlung Am Hierlbach von der Stadt München ihren ersten "Absiedlungsbescheid" bekommen - also die Aufforderung, ihre Wohnungen zu verlassen und eine neue Bleibe zu suchen. Die 34 Häuser im nordöstlichen Zipfel von Johanneskirchen mitten in den Äckern und Wiesen direkt an der Grenze zu Unterföhring sind Schwarzbauten. Seit 1967 schwebte zumindest symbolisch die Abrissbirne über ihnen. Jetzt hat der Planungsausschuss des Stadtrates das geändert: Im Flächennutzungsplan wird statt der bisherigen Landwirtschaftsfläche ein reines Wohngebiet eingetragen. Damit wurde es möglich, nachträglich einen Bebauungsplan aufzustellen und so die Siedlung zu legalisieren.

Die Häuser Am Hierlbach liegen zu beiden Seiten einer knapp 500 Meter langen Stichstraße, die vom Unterföhringer Gleißachweg abzweigt; die ersten Gebäude entstanden in den Dreißigerjahren. Ursprünglich sollten sich dort Veteranen des Ersten Weltkriegs ansiedeln. Schnell wurden die Flächen aber für den Obst- und Gemüseanbau genutzt; wer konnte, zimmerte sich einen Schuppen oder ein Holzhäuschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten Wohnungsnot und Flüchtlingszustrom weitere Siedler an den Stadtrand. Sie bauten sich einfache Wohnhäuser, dazu Nebengebäude und Garagen - alles ohne Genehmigung. Eine "Mondschein-Siedlung" entstand, so benannt, weil die meisten Zuzügler sich der Illegalität ihres Tuns durchaus bewusst waren und im Schutz der Dunkelheit zu Hammer und Säge griffen.

In den Sechzigerjahren versuchte die Stadt, die unansehnlichen Schwarzbau-Siedlungen an ihren Rändern loszuwerden. Sie sollten abgerissen werden, die Leute wegziehen. Erst Ende der Achtzigerjahre habe ein Umdenken in der Stadtpolitik eingesetzt, erinnert sich Alexander Reissl, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat: "Es wäre undenkbar gewesen, die Bewohner angesichts des angespannten Wohnungsmarktes zur Absiedlung zu zwingen." Stattdessen wurden die Mondschein-Siedlungen von da an Zug um Zug legalisiert. Aber die unklare Rechtslage verunsicherte die Leute Am Hierlbach. Einige zogen weg, die anderen schlossen sich in einer Interessenvereinigung zusammen und kämpften um ihr Zuhause. Mit der Entscheidung, die Häuser ans Kanalnetz anzuschließen, gewannen sie erst einmal Zeit. Und im Februar 2000 fiel der Grundsatzbeschluss zur Legalisierung der Schwarzbauten.

Bis die Vorarbeiten abgeschlossen waren, vergingen jetzt aber noch einmal 15 Jahre. Da ist die Freude von Walter Jecho über den Beschluss von Anfang Dezember nicht verwunderlich. "Wie es halt ist, wenn man 35 Jahre an was hintut und darüber alt und grau und Rentner geworden ist", sagt der Vorsitzende der Interessenvereinigung Am Hierlbach - und klingt aber durchaus hörbar zufrieden.

Als nächstes müssen die Bewohner der Siedlung Geld sammeln, um ihre Erschließungsstraße auszubauen und einen Wendehammer anzulegen. Sie sind für Ausbau und Wartung zuständig, da die Straße ein Eigentümerweg ist. Über die Höhe der notwendigen Summe will Walter Jecho nicht reden, aber es sei ein "Posten, da schlucken wir schon dran", sagt er. Und fügt dann schulterzuckend hinzu: "Aber mei, umsonst ist halt nur der Tod."

© SZ vom 04.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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