Johanneskirchen:Gute Geschäfte - ohne Geschäfte

Anlage Freischützgarten Ecke Freischütz- und Johanneskirchner Straße

Was wird aus der Infrastruktur? Der neue Eigentümer der Wohnanlage "Freischützgarten" will sanieren und Büroräume in Wohnungen umwandeln.

(Foto: Florian Peljak)

Die Wohnanlage "Freischützgarten" mit ihrer Ladenzeile, den Büros und Praxen wandert von einem Investor zum nächsten, Sanierungen sind angekündigt, Gewerbe-Mieter gekündigt. Johanneskirchen hat sein kleines Stadtteilzentrum verloren

Von Ulrike Steinbacher, Johanneskirchen

Es ist genau so gekommen, wie es die Johanneskirchner vor knapp zwei Jahren befürchtet hatten: Ihr Stadtteilzentrum an der Ecke Freischütz- und Johanneskirchner Straße hat sich in Luft aufgelöst. Die kleinen Geschäfte und Restaurants, die Arztpraxen und Sportstudios sind verschwunden, die Mieter gekündigt. "Wir haben keine Infrastruktur mehr", resümierte eine Anwohnerin in der jüngsten Sitzung des Bezirksausschusses (BA) Bogenhausen. Nachbarn und Lokalpolitiker kämpfen jetzt gegen die Ausbaupläne des derzeitigen Eigentümers an.

Die Wohnanlage "Freischützgarten" mit ihrer Ladenzeile im Erdgeschoss, den Büro- und Gewerberäumen im ersten und zweiten Stock und den Wohnungen im Dachgeschoss war im Lauf der Jahre immer wieder verkauft worden. Sonderlich gut getan hat das den sechs Häusern aus den Neunzigerjahren nicht, sie machen nicht den gepflegtesten Eindruck. Für die Mieter wurde es aber erst ernst, als die Munich Residential GmbH (MR) aus Pöcking die Anlage im Mai 2016 kaufte: Der neue Eigentümer verlängerte ihre Verträge nicht. MR-Geschäftsführer Moritz Opfergeld kündigte dem Bezirksausschuss im März 2017 umfangreiche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an, sein Unternehmen werde die Gewerberäume in Wohnungen umwandeln, die Anlage um eine Etage aufstocken und die Ladenzeile neu strukturieren. Den Spielraum für Mieterhöhungen werde man nach der Sanierung voll ausschöpfen - ein Anstieg von etwa neun auf gut 20 Euro pro Quadratmeter für die Gewerbemieter. Bogenhausens Lokalpolitiker kritisierten die Pläne zwar scharf, sahen aber keinen Ansatz einzugreifen, denn für Sanierung und Aufstockung brauchte der Investor keine Genehmigung.

Allerdings ließ die Munich Residential die Sanierung dann entgegen ihrer Ankündigung doch bleiben und warf die Anlage, in der inzwischen kaum noch Mieter sind, stattdessen wieder auf den Markt. Neuer Eigentümer ist der Immobilieninvestor 6B47, wie im September 2018 bekannt wurde. Was er gezahlt hat, darüber haben Käufer und Verkäufer Stillschweigen vereinbart. In einer E-Mail an den Bezirksausschuss fasste eine Nachbarin die Situation in einer rhetorischen Frage zusammen: "Ist so ein Vorgehen - also allen Mietern unter dem Vorwand, sanieren zu wollen, zu kündigen, um in Wirklichkeit den größtmöglichen Profit durch den An- und Verkauf einer Immobilie zu erzielen - legal?"

Der neue Eigentümer 6B47 hat ebenfalls Pläne für den Freischützgarten: Auch er will die Gebäude sanieren, Büroräume in Wohnungen verwandeln und die Anlage um eine Etage aufstocken. Auch er will die Mieten auf Marktniveau anheben und er kündigt schon jetzt den Weiterverkauf der Anlage an. Zusätzlich aber plant der Investor einen Anbau: Bisher sind die Gebäude an der Ecke Freischütz- und Johanneskirchner Straße ein Stück zurückversetzt, zwischen Straße und Häusern liegt ein kleiner Platz. Er soll nach dem Willen des neuen Eigentümers zum Innenhof eines zusätzlichen Gebäudetrakts direkt an der Straßenecke werden. 160 Wohnungen und 15 Läden sollen dort entstehen.

Für diesen Neubau allerdings braucht der Eigentümer eine Genehmigung. Und genau da sieht der Bezirksausschuss jetzt eine Möglichkeit einzuhaken: Denn für eine solch tief greifende Veränderung sei unbedingt ein Bebauungsplanverfahren notwendig, argumentiert das Gremium einstimmig. Das könne die Stadt nicht einfach mit einer Ausnahmegenehmigung durchwinken. Für den Fall, dass der Investor die Änderung des Bebauungsplans tatsächlich beantragt, hat sich der BA auch schon positioniert: Er lehnt den Neubau an der Ecke ab. Die Bogenhauser Bürgerversammlung hat zu dem Thema jüngst ebenfalls ein Votum abgegeben. Sie sprach sich gegen eine Änderung des Bebauungsplans aus.

So weit werde es aber ohnehin nicht kommen, sagte Robert Brannekämper (CSU) in der jüngsten BA-Sitzung. Aus seiner Zeit als Stadtrat wisse er, dass 160 Wohneinheiten schlicht zu wenig seien, um auf der städtischen Prioritätenliste nach vorne zu kommen. Die Verwaltung habe das Personal, um 30 bis 40 Bebauungspläne pro Jahr zu erstellen. Und angesichts der Wohnungsknappheit würden da Vorhaben mit einer größeren Zahl von Wohnungen bevorzugt. "Ich gehe davon aus, dass die auf diesem Weg keine Chance haben", sagte er über die Eigentümer des Freischützgartens. Er erwarte, dass bei ihnen ein "Erkenntnisprozess" einsetzen und die Anlage dann mittelfristig neu vermietet werde. Ob aber auch wieder Geschäfte, Praxen und Studios einziehen, die den Bedarf des Viertels abdecken, ob wieder ein Ortsteilzentrum entsteht, das ist offen.

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