Nach dreijähriger Pause (rechnet man drei Einzelkonzerte im vergangenen Jahr heraus) kommt die Gitarrenfamilie wieder zu ihrer schönsten Sommersause zusammen: vom 18. bis 23. August beim 22. Internationalen Gitarrenfestival Hersbruck. Seit der Münchner Gitarrist Johannes Tonio Kreusch vor 18 Jahren die künstlerische Leitung übernommen hat, wurde aus einer lokalen, privat initiierten Kleinveranstaltung eines der wichtigsten deutschen Gitarrenfestivals, zu dem die internationalen Stars der Szene ins Nürnberger Land anreisen.
Kreuschs Erfolgsrezept liegt im wegweisenden Konzept, im Paket, das er geschnürt hat. Wie beim zur gleichen Zeit mit einer ähnlichen Erfolgsgeschichte gestarteten "Saitensprünge"-Festival in Bad Aibling sind hier anders als bis dahin bei fast allen anderen Gitarrenfestivals alle Genres und Stile (der akustischen Gitarre) vertreten, von der Klassik über Fingerstyle und Flamenco bis zu Gypsy und Jazz. Vielseitigkeit ist also der größte Trumpf: "Wichtig ist die Ausgewogenheit und ein Programm, das aktuelle Strömungen mit einbezieht und die Leute auf eine Entdeckungsreise mitnimmt", sagt Kreusch. Und er beschreibt auch, wohin das in Hersbruck geführt hat: "Es geht inzwischen um viel mehr als nur um Gitarre", sagt er. "Wichtiger ist die gemeinsame Erfahrung und Entdeckung von tiefgründiger, wirklich berührender Musik jenseits des alles einebnenden Mainstreams. Als Statement für die Bedeutung der Kultur für eine funktionierende Zivilgesellschaft."

Dazu gehört, dass in Hersbruck Künstler und Publikum, Konzerte und Ausbildung so eng wie möglich miteinander verzahnt sind. Keiner der Musiker reist nur zu seinem Konzert an und ab, alle, auch die großen Stars, bleiben mindestens für mehrere Tage und geben Workshops und Meisterklassen. Instrumentenbauer, Notenverlage und Ausrüster sind präsent und haben Stände im AOK-Zentrum. Vorträge und Ausstellungen erweitern den Rahmen. Möglich wird das alles nur durch die Unterstützung der ganzen Stadt, vom Altbürgermeister und Festivalgründer Wolfgang Plattmeier, der den Förderverein leitet, über den selbst zum größten Fan gewordenen aktuellen Bürgermeister Robert Ilg, ein hingebungsvolles Team und ein gewachsenes Publikum bis zu den Sponsoren.
Allen voran die AOK, auf deren hier ansässiges Bildungszentrum man seit Langem als Festivalzentrale zurückgreifen kann. Eine Woche lang wohnen und arbeiten hier im August Meistergitarristen, ihre Schüler und einige Gäste aus der Szene und den Medien zusammen. Der immer optimistische und freundliche Johannes Tonio Kreusch lebt die Stimmung vor. So familiär, freudvoll und lehrreich für alle geht es zu, dass sich auch die big names inzwischen darum reißen, wiederkommen zu dürfen. Und mit der neugebauten GERU-Halle verfügt man für sie seit einigen Jahren auch über einen adäquaten Konzertsaal.
Premiere: Reinen Blues gab es noch nie in Hersbruck
Dort wird das Festival heuer mit einem Gypsy-Swing-Gipfel eröffnet. Gismo Graf, einer der besten jungen Manouche-Gitarristen, trifft auf Altmeister Stochelo Rosenberg, den viele für den Thronfolger von Django Reinhardt halten, und auf den Geiger Tim Kliphuis, sozusagen der Erbe von Stéphane Grappelli. Weiter geht es mit dem vielleicht buntesten Abend: Mit dem Polen Marcin Dylla und dem European Guitar Quartet in der Besetzung Pavel Steidl, Zoran Dukic, Thomas Fellow und Reentko führt das Doppelkonzert von der Klassik über Astor Piazzolla bis zu Frank Zappa. Flamenco ist als nächstes an der Reihe, aber nicht von der Stange: Carlos Piñana bleibt mit seinem Trio zwar innerhalb der Tradition, setzt sie aber modern und innovativ um. Ein Rebell ist dagegen der mit einem multikulturellen Hintergrund in Deutschland aufgewachsene, seit Langem aber in Spanien lebenden Amir John Haddad. Weltmusik, Rock, sogar elektrische Gitarre findet Eingang in seinen Flamenco.
Eine Premiere ist die "Blues Night", denn reinen Blues gab es noch nie in Hersbruck. Was nun mit dem furiosen Hammond-Organisten Raphael Wressnig und seiner Soul Gift Band mit Sängerin Gisele Jackson nachgeholt wird. Bei einer "Classical Guitar Gala" treffen mit Ana Vidovic und Liying Zhu ein großer Star und eine große Nachwuchshoffnung (noch dazu eine ehemalige Hersbrucker Stipendiatin) aufeinander. Vielleicht am spannendsten könnte der Abend mit dem finnischen Fingerstyle-Virtuosen Petteri Sariola und der jazzigen Hommage an Jimi Hendrix von Nguyên Lê und seiner Band werden. Und am emotionalsten das Tango- und Brasil-Schlusskonzert, italienisch zelebriert erst vom Duo Bandini-Chiacciaretti, dann von Antonio Fruscella. Zusammen mit dem traditionellen Abschlusskonzert der Workshop-Teilnehmer und der Matinee der Stipendiaten also ein in Breite wie Tiefe kaum zu überbietendes Programm, bei dem für jeden etwas dabei ist.
Internationales Gitarrenfestival Hersbruck, 18. bis 23. 8., Infos und Karten unter www.gitarre-hersbruck.de