Theater:Ganz viel Nebel

Lesezeit: 2 min

Darstellungsartistin Nina Steils als Superwoman Johanna von Orleans:. Auch sie kann die Inszenierung am Münchner Volkstheater nicht retten. (Foto: Judith Buss)

Nikolas Darnstädt verwandelt am Volkstheater Schillers "Johanna von Orleans" in ein aufgeblähtes Comic.

Von Egbert Tholl, München

Als hätte die Technik ein Einsehen, gibt es nach einer Viertelstunde einen Feueralarm. Eine Sirene tutet los, und eine Stimme, die wenig Widerspruch zulässt, verkündet, alle hätten nun das Gebäude zu verlassen. Erst glaubt man noch, das gehöre zur Aufführung, verwunderlich wäre dies nicht. Aber der Alarm ist echt, naja, so halbecht, denn ein Feuer gibt es nicht. Nur sehr viel Nebel auf der Bühne. Und der bewegte sich dorthin, wo ein Feuermelder lauerte, der entgegen der Anweisung, während der Aufführung die Klappe zu halten, Laut gab. Das führt zu einer einstündigen Frischluftpause, über die man im Nachhinein froh ist. Denn es geht wieder weiter, genau an dem Punkt, an dem es aufgehört hat, und bald stellt sich in diesem weiteren Verlauf eine große Sehnsucht nach einem abermaligen Feueralarm ein.

Nikolas Darnstädt inszeniert auf der ganz großen Bühne des Münchner Volkstheaters Schillers "Johanna von Orleans" und scheut keinen Aufwand, um die umfassendste Langweile zu erzeugen, die man seit langem im Theater erlebt hat. Seine Grundidee ist prima: Johanna, dieses seltsame Bauernmädchen, das von göttlichen Eingebungen geplagt die Engländer aus Frankreich vertreibt und König Karl auf den Thron hievt, ist Superwoman. Sie lebt in einer Marvel-Comicwelt, die hier eine im Meer auf den Abgrund der Welt zutreibende Insel ist, auf der zwei Schwertherstellerdynastien im Clinch liegen. Kapitalismus und Krieg sind eins, wenn einer hier zum Verräter wird, geht er als CEO zu den anderen.

"Kill Bill", "Game of Thrones" - alles muss rein

Das klingt noch rational, ist es aber nicht. Denn eben: Comic. Fantasy. Asiatische Schwertkampffilme. Deutscher Stummfilmexpressionismus. "Kill Bill". "Game of Thrones". Was auch immer, alles muss rein, grell, bunt, laut, nutzlos, und man kann sich gut vorstellen, wie die Brüder Darnstädt dereinst zu Hause dieses Material nachspielten. Dann schrieb vermutlich Nikolas fantasievolle neue Texte, und Lukas machte Musik dazu, auf einem alten Roland Jupiter 8 Synthesizer, mit dem man die ganz großen Klangflächen entwerfen kann. Jedenfalls macht Lukas hier tatsächlich die Musik (und spielt den verwirrten König Karl), es dröhnt und scheppert in wundervoll einfältiger Symbiose mit dem Bühnennebel - beides zusammen versucht zu kaschieren, wie sensationell hohl hier alles ist. Es wird viel Schiller gebrüllt, ohne Varianz, Sinn und Verstand. Aber: Es gibt eben Superwoman. Nina Steils. Sie fliegt (wirklich!) und kämpft, eine Darstellungsartistin eigener Gnaden. Aber auch sie kann hier nicht entfliehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: