Jobwechsel:München macht Soldaten zu Erziehern

Jobwechsel: Der ehemalige Soldat Andreas Parthum leitet die Kita im Förderzentrum Nord.

Der ehemalige Soldat Andreas Parthum leitet die Kita im Förderzentrum Nord.

(Foto: Robert Haas)
  • Aufgrund des Erziehermangels wirbt das Bildungsreferat in München beständig um Personal.
  • Seit kurzem wird versucht, ehemalige Soldaten für den Job zu begeistern.
  • Grund ist unter anderem der eigene Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, der eine Ausbildung auch nach Dienstende ermöglicht.

Von Melanie Staudinger

Andreas Parthum ist im Kosovo gewesen, in Mazedonien und in Afghanistan. Er ist mit dem Fallschirm aus Hubschraubern gesprungen und kann sich ohne Probleme Hausmauern hochziehen. Heute kümmert er sich um Fehler in den Mathe-Hausaufgaben, angemessene Manieren beim Mittagessen und aufgeschürfte Knie.

Der 38-Jährige leitet den städtischen Hort und kommissarisch auch den Kindergarten am Förderzentrum Nord, mitten im Hasenbergl, klassische Problemklientel. Und seit kurzem hat er noch einen Nebenjob: Er ist das neue Werbegesicht des Bildungsreferats. Dort versuchen die Verantwortlichen mit der Kampagne "We want you" ehemalige Soldaten für den Erziehungsdienst zu begeistern. Und wer wäre besser geeignet als jemand, der genau diesen Weg beschritten hat?

Erst Maurer, dann Fallschirmjäger und schließlich Erzieher - ein solcher Lebensweg ist gerade bei Männern in sozialen Berufen keine Seltenheit. Sie arbeiten nach der Schule oftmals erst in anderen Berufen, bevor sie sich bewusst entscheiden, etwas Soziales zu machen, Erzieher oder Sozialarbeiter zu werden, anders als Frauen, die in der Regel den direkten Weg über eine jahrelang unvergütete Ausbildung nach dem Schulabschluss bevorzugen. Trotz alledem sind Männer in der Minderheit. Dabei ist pädagogisch unumstritten, dass Jungen männliche Vorbilder brauchen.

Das hat auch Parthum gemerkt. "Ich finde es extrem wichtig, dass in den Kitas auch Männer arbeiten", sagt er. Jungen müssten die Gelegenheit haben, ihr Rollenverhalten zu üben, Grenzen zu testen. "Mit einem Mann kann man auch mal Fußball spielen oder raufen", sagt Parthum. Er habe sich daher bewusst für die Arbeit mit Sechs- bis Zwölfjährigen entschieden, eine Krippe zum Beispiel wäre nichts für ihn gewesen. Männer wie er sollen helfen, dass die Lebenswelt von Kindern nicht fast ausschließlich von Frauen bestimmt wird. Und sie sollen helfen, den gravierenden Erziehermangel abzufedern, der alle Kitas gleichermaßen trifft.

Das Bildungsreferat wirbt daher beständig um Personal. Pro Jahr steht ein Budget von 100 000 Euro zur Verfügung. Die Stadt unterhält eine Kooperation mit einer Universität in Barcelona und beteiligt sich an einem Modellversuch, in dem die Ausbildungszeit für Abiturienten verkürzt wird. Der Erfolg allerdings hält sich bisher in Grenzen: Im Jahr 2012 gab es 559 Bewerbungen, 2015 waren es 674.

Neue Ausbildung durch den eigenen Berufsförderungsdienst

Dass das Bildungsreferat nun die Bundeswehr ins Visier nimmt, ist kein Zufall. Dort nämlich gibt es einen eigenen Berufsförderungsdienst. Soldaten können am Ende ihrer Dienstzeit eine Ausbildung absolvieren. Parthum ging auf die Berufsfachschule in Karlsruhe, die damals noch die Lehre zum Jugend- und Heimerzieher anbot. 29 Leute saßen in seiner Klasse, darunter eine Frau. Der große Vorteil der dreijährigen Ausbildung: Die Soldaten bekommen ihren Sold und können kostenfrei in der Kaserne wohnen. Warum Parthum sich für den Erzieherberuf entschieden hat? "Ich wollte noch einmal etwas Neues ausprobieren", sagt er. Und es sei ein vielseitiger und sicherer Job.

Das will er nun auch seinen alten Kameraden bei der Bundeswehr vermitteln. Bei der Job- und Bildungsmesse des Karrierecenters in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne steht Parthum am Stand des Bildungsreferats, das sich erstmals dort unter den gut 50 Ausstellern präsentiert. Er spricht mit den Soldaten, erklärt, dass der Verdienst gar nicht so mies ist, wie oftmals behauptet wird, dass Aufstiegschancen da seien und Weiterbildungsmöglichkeiten auch. "Für seine Berufsgruppe muss man sich auch mal ins Zeug legen", sagt Parthum.

Bisher hält sich das Interesse noch in Grenzen

Einen Stock tiefer werben Christina Gschwendtner und Gudrun Seuster um die Gunst von einem guten Dutzend Soldaten und Soldatinnen, die zum Vortrag gekommen sind. Wer bei der Stadt anfängt, erklären sie, der kann für seine eigenen Kinder schneller einen Kita-Platz bekommen, erhält ein verbilligtes Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ebenso wie Hilfe bei der Suche nach einer städtischen Wohnung und eine überdurchschnittliche betriebliche Altersvorsorge. Erzieher erhalten bei der Stadt knapp 3220 Euro als Einstiegsgehalt. Wer sich die Leitung einer Einrichtung mit 150 Kindern zutraut, kann gut 4400 Euro verdienen. Und wer keine Lust mehr auf den Gruppendienst hat, der kann in der Abteilung Kita Verwaltungs- oder Organisationsaufgaben übernehmen.

Sich als Kommune bei der Bundeswehr zu präsentieren, ist nicht die schlechteste Idee. Knapp 22 Prozent aller Soldaten, die der Berufsförderungsdienst betreut, wechseln nach Dienstende in den öffentlichen Dienst, die meisten davon zur Landes- oder Bundespolizei oder zum Zoll. Immerhin 14 Prozent finden einen Job im Bereich Dienstleistungen, worunter auch die Erzieher fallen, wie Helga Kugler, die Leiterin des Berufsförderungsdienstes berichtet.

Bisher allerdings halte sich das Interesse am Erzieherjob noch in Grenzen. Das aber soll sich in Zukunft ändern. "Ich glaube schon, dass ich einige überzeugen konnte, den Beruf zu ergreifen", sagt Andreas Parthum. Dann muss er weiter. Im Hasenbergl warten schon die Kinder auf ihren Erzieher.

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