Jobsuche mit Kindern:"Es scheint schlicht, als hätte ich zwei Kinder zu viel"

Jobsuche mit Kindern: (Illustration: Dalila Keller)

(Illustration: Dalila Keller)

  • Viele Mütter sehen sich bei Bewerbungsgesprächen teils sehr expliziten Fragen über ihre Kinder ausgesetzt. Wo und wie werden sie betreut, wo leben die Großeltern?
  • Männer werden das meist nicht gefragt. Juristisch ist das ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz.
  • Fragen nach der Kinderbetreuung sind nur manchmal legitim. In allen anderen Fällen müssen die Bewerberinnen nicht die Wahrheit sagen.

Von Anna Hoben

Mutter zu werden ist nicht immer schwer, nach der Elternzeit wieder einen Job zu finden, dagegen sehr. Birgit Schmidt merkt das zurzeit jeden Tag. Wieder eine Handvoll Bewerbungen rausgeschickt. Wieder bei einem Gespräch gewesen. Wieder diese Frage gehört: "Und die Kinderbetreuung, ist die gesichert?" Manchmal scheint es fast so zu sein, als sei dies die wichtigste Voraussetzung für den Job. "In drei von vier Gesprächen kamen diese Fragen, mal mehr, mal weniger ausführlich", sagt Schmidt, die zunehmend frustriert ist. Besonders unangenehm sei es, wenn andere Frauen so detailliert Bescheid wissen wollten.

Anfang 2014 verlor Birgit Schmidt, die eigentlich anders heißt, ihren Job als Assistentin in einer Rechtsabteilung, so wie 80 weitere Kollegen. 14 Jahre hatte sie für das Unternehmen gearbeitet. Kurz darauf wurde sie zum zweiten Mal schwanger. Ihr Sohn ist heute sieben, die Tochter zwei Jahre alt. Nach einer ausgedehnten Elternzeit ist die 39-Jährige seit einem Jahr wieder auf Jobsuche. 170 Bewerbungen hat sie versandt, an 50 Vorstellungsgesprächen teilgenommen. Sie würde gern in Teilzeit arbeiten, am liebsten wieder in einer Rechtsabteilung. Mittlerweile hat sie ihre Ansprüche heruntergeschraubt, sogar eine Tätigkeit am Empfang käme in Frage. Fündig geworden ist sie nicht. "Es scheint schlicht, als hätte ich zwei Kinder zu viel."

Birgit Schmidt nahm diese Erscheinungen in den Bewerbungsgesprächen mit wachsender Abgeklärtheit hin. Bis vor ein paar Wochen. Da bewarb sie sich bei einem Familienunternehmen mit zwölf Mitarbeitern in Germering, gesucht war ein/e Teamassistent/in. Sie schickte ihre Unterlagen hin - und bekam eine Mail von der Geschäftsführerin zurück. "Da wir eine Vielzahl von Bewerbungen erhalten haben, würden wir gerne vorab ein paar Eckdaten abfragen", schrieb diese.

Unter der Überschrift "Betreuung Ihrer Kinder" ein Fragenkatalog: "Leider kann ich Ihrem Lebenslauf nicht entnehmen, wie alt Ihre Kinder sind. Würden Sie mir dies verraten? Wie ist die Betreuung sichergestellt? Wie sieht die Betreuung der Kinder während der Schließzeiten von Krippe/Kindergarten/Hort aus? Wohnen Ihre Eltern bzw. Schwiegereltern in der Nähe? Werden die Kinder von Oma und Opa betreut? Sind die Großeltern noch rüstig? Was macht ihr Partner beruflich? Besteht hier auch die Möglichkeit z. B. bei Krankheit der Kinder oder in den Ferien einzuspringen?" Birgit Schmidt traute ihren Augen kaum. Ihr Mann sagte: "Das gibt's doch nicht." Schmidt antwortete nicht auf die Mail. "Ich kann mir nicht vorstellen", sagt sie, "dass sich ein Mann mit den gleichen Fragen konfrontiert sieht."

Nein, sagt die Geschäftsführerin jenes Unternehmens in Germering, einem Mann hätte sie diese Fragen nicht gestellt. "Der hätte sich aber ja auch eher auf eine Vollzeitstelle beworben." Ihre Firma sei klein, sie sei keine Personalerin und habe - um Zeit zu sparen - im Vorhinein aussortieren müssen, wer wirklich in Frage komme. Da sei die Frage nach der Kinderbetreuung zentral. "Ich will eine Sicherheit, muss wissen, ob die ein Konzept haben." Die anderen Top-Kandidatinnen hätten ihr übrigens "alles geschrieben, was ich so wissen wollte". Die Gesellschaft sei eben schon noch den alten Rollenbildern verhaftet. "Das ist bei uns zu Hause nicht anders." Sie führe das Unternehmen zusammen mit ihrem Mann. Alles, was die beiden Kinder betreffe, bleibe an ihr hängen.

Dass ein Arbeitgeber einen zuverlässigen Arbeitnehmer einstellen will, versteht sich von selbst. Und üblich sind Fragen nach der Kinderbetreuung in Bewerbungsgesprächen durchaus. Beinahe jede Mutter mit kleinen Kindern in ihrem Bekanntenkreis könne von ähnlichen Begegnungen berichten, sagt Birgit Schmidt. Doch sind die Fragen auch erlaubt?

Für die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht Nathalie Oberthür ist die Sache eindeutig. Solche Fragen, sagt sie, seien rechtlich unzulässig, sie verstießen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und seien entschädigungspflichtig. Wird eine Frau im Vorstellungsgespräch ausgehorcht, wer sich um ihr Kind kümmert, etwa wenn es krank ist, dürfe die Bewerberin lügen - genau wie beispielsweise bei der Frage, ob sie schwanger sei.

Sandra Flämig ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Businesscoach in Stuttgart, sie äußert sich ähnlich. Es gebe hier ein Spannungsfeld, nämlich zwischen dem Interesse des Arbeitgebers, umfassend informiert zu sein, und dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Dazu kommt eine mögliche Verletzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. "Es könnte in solchen Fällen sogar eine doppelte Diskriminierung vorliegen", sagt Sandra Flämig, "aufgrund des Geschlechts und aufgrund des Alters". Zunächst aber müsse man schauen, was hinter solchen Fragen steckt. "Warum will der Arbeitgeber das alles erfahren?"

Arbeitgeber müssen damit rechnen, dass Menschen ein Privatleben haben

Ein Beispiel: Wenn sich eine alleinerziehende Mutter mit kleinen Kindern für einen Job bewirbt, der immer wieder Nachtschichten mit sich bringt, und die Großeltern wohnen weit weg - da sei eine Frage nach der Kinderbetreuung legitim, findet Arbeitsrechtlerin Flämig. "Aber bei einer Assistentin mit einer Halbtagsstelle? Auf keinen Fall." Ein Arbeitgeber müsse damit rechnen, dass Menschen ein Leben neben der Arbeit haben. Das Thema Familie betreffe überdies keinesfalls nur junge Menschen, es werde Arbeitgeber immer tangieren, "Kinderlose haben ja genauso Familie, nämlich Eltern, die möglicherweise irgendwann pflegebedürftig werden". Manchmal, sagt Sandra Flämig, wundere sie sich, "wie verkrustet die Arbeitswelt in dieser Hinsicht noch immer ist".

Birgit Schmidts Sohn geht übrigens in die zweite Klasse und besucht danach einen Hort. Ihre Tochter hat einen Krippenplatz. Beide sind bis 16 Uhr betreut. Schmidt hat sich vorgenommen, künftig in Vorstellungsgesprächen ihr Recht wahrzunehmen - und etwa bei der Frage nach den Großeltern öfter mal zu flunkern. Sind 500 Kilometer Entfernung "in der Nähe"? Alles eine Frage der Perspektive.

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