Kritik:Spürbare Spannung

Joana Mallwitz dirigiert im Herkulessaal erstmals das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Von Sarah Maderer, München

Von sommerlicher Schwüle abgesehen, ist im voll besetzten Herkulessaal am Donnerstagabend beidseitige Spannung zu spüren: Vor der Bühne wartet ein sensationshungriges Publikum auf Joana Mallwitz' Dirigier-Debüt vor dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, auf der Bühne wird Mallwitz selbst zum Spannungsträger und -sender. Mit festem Stand und unbeirrbar starker Mitte bestreitet die Generalmusikdirektorin des Nürnberger Staatstheaters ein herausforderndes Programm, beginnend mit Richard Strauss' "Till Eulenspiegels lustige Streiche". Kindlich-rotzige Bläsereinwürfe und mühelos anmutende Streicherparts täuschen glatt über die Strauss'sche Komplexität hinweg, der Mallwitz zunächst mit mehr steinernem als schelmischem Lächeln gegenzusteuern versucht.

Janine Jansen entlockt ihrer gedämpften Stradivari einen unvergleichlich intensiven Ton

Viel weicher und gelöster gibt sich die Maestra neben der Niederländerin Janine Jansen, die Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur mit bemerkenswertem Timing und technischer Präzision präsentiert, ohne dabei das übergeordnete Narrativ zu unterbrechen. Mag auch ihr dick aufgetragenes Vibrato zu Beginn des Kopfsatzes von der Zartheit der Piano-Töne ablenken, in der lyrischen "Canzonetta" entlockt Jansen ihrer gedämpften Stradivari einen unvergleichlich intensiven Ton. Diesen besonderen Ausdruck durch Reduziertheit beweist die Violinistin auch in der Zugabe.

Wie schon Jansens Bogenhaar, hält bei Beethovens Siebter Symphonie auch das des Konzertmeisters die Spannung nicht mehr aus. Mit sichtlicher Spielfreude führt er die Violinen im ersten Satz durch den von der Flöte gekonnt vorgelegten Tempowechsel. Derart aufgeräumte Übergänge sind auch Mallwitz' unmissverständlich präzisem Schlag zu verdanken. Beim würdevoll gesungenen Schreittanz im zweiten Satz tritt das Orchester geschlossen und stark auf, Mallwitz greift kaum ein und vertraut zu Recht, ehe zum Finale "con brio" hin ein hitziger Tanzrausch entbrennt. Wie schon zuvor beginnt das Publikum beim Schlusston mit stürmischem Applaus, als könne es die Spannung nicht länger ertragen.

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