Jin Pansian:Reislos glücklich

Lesezeit: 3 min

Die Eleganz des von braunen Holzwänden, schwarzen Möbeln und roten Polstern geprägten Gastraums ist minimalistisch. (Foto: Catherina Hess)

Der Feinschmeckerführer Gault Millau hat das asiatische Restaurant Jin zu Münchens Top Ten erklärt. Trotzdem trifft man auf angenehme Zurückhaltung: Der Geschmack steht im Vordergrund.

A. Gudmund

Es gibt einen Ort in München, der besonders trefflich zeigt, was Asiaten an deutscher Küche schätzen. Gleich neben dem Isartor setzen Busse die ins Hofbräuhaus strebenden Reisegruppen aus China oder Japan gerne aus. Und da, wo sich die Bustüren öffnen, locken heimische Schriftzeichen die Gäste aus Asien in ein strategisch vorteilhaft platziertes Geschäft.

Dort gibt es die guten Kochtöpfe made in Germany, dazu die scharfen Küchenmessern aller Größen geschmiedeten Stahl aus Solingen, kurz: die Hardware des Kochens in höchster Qualität - sie ist ein deutscher Exportschlager.

Was umgekehrt Asiens Küche den Hiesigen zu bieten hat, ist in München kaum besser zu beurteilen als direkt gegenüber. Das unscheinbare Lokal auf der anderen Seite des unwirtlichen Altstadtrings wechselte häufiger den Namen, ehe der Wirt sich entschloss, es ganz einfach nach sich selbst zu benennen:

Jin heißt nun kurz und knapp der Laden, in dem der in Südchina geborene, in Japan ausgebildete Hao Jin darstellen will, zu was eine von allen Stilen Ostasiens inspirierte Küche fähig ist, die der Wirt selber als "Panasian Cuisine" anpreist. Mit rauschender Resonanz übrigens: Der Feinschmeckerführer Gault Millau hat dem Lokal vor Begeisterung gleich zwei Hauben aufgesetzt und es damit unter Münchens Top Ten gehoben.

Aber das sollte erst einmal vergessen, wer hier eintritt in die minimalistische Eleganz des von braunen Holzwänden, schwarzen Möbeln und roten Polstern geprägten Gastraums. Denn der Hauben-Hype führt womöglich auf eine falsche Spur. Das Jin präsentiert sich nämlich nicht als weihevoller Tempel der gehobenen Sterneküche.

Die kleinen Tische stehen eher eng wie in einem Bistro. Die Kellner, ganz in schwarz gekleidet, führten freundlich und vor allem sehr kompetent durch die angenehm zurückhaltend, geradezu lakonisch formulierte Speisekarte. Wenn sich das Lokal füllte, was bei solchen Haubenwertungen ja vorkommt, konnte es mit dem Service auch ein bisschen länger dauern.

Zu dieser wohltuenden Zurückhaltung passt auch, dass die Küche offensichtlich nicht so sehr vom Ehrgeiz beseelt ist, immer neue, spektakuläre Beweise eigener Kreativität liefern zu müssen. Eine der beiden angebotenen Fünf-Gang-Speisefolgen, Jins Klassiker-Menü genannt (55 Euro), bietet jeden Tag verlässlich das Gleiche.

Jins Menü dagegen, das zweite Angebot (65 Euro), wechselt je nach Marktlage. Und vor allem hier liegt die Stärke des Jin: Ein Meister der japanischen Kunst, mit rohem Fisch umzugehen, weiß natürlich, dass sich die Qualität eines Gerichts bereits entscheidet, bevor die Zutaten die Küche erreichen - beim Einkauf. Ob Gemüse, ob Fleisch oder vor allem Fisch und anderes Meeresgetier, alles war von untadeliger Frische, wovon sich Gäste an der Fischtheke selber überzeugen können.

Und genau darauf kommt es Meister Jin sichtbar an. Das Ausgangsprodukt und sein Geschmack stehen im Mittelpunkt - was wörtlich zu nehmen ist: Inmitten der strahlend weißen Teller präsentierte sich jeweils jenes Stück Fisch, jenes Stück Fleisch, auf das es ankommt. Kein Reis. Keine Beilage. Kein Brot. Manchmal, nicht immer, ein kleines Nest knackig kurz gebratenen Gemüses. Sonst lenkte nichts die fast zen-hafte Konzentration auf das Wesentliche ab.

Am Blauflossenthunfisch etwa, in Japan sehr beliebt und in den Weltmeeren daher leider überfischt, kommt kein Sushi-Meister vorbei, der auf sich hält: Im Jin haben sie sein Fleisch zu einem kräftigen Tartar verarbeitet, ihm mit Chili zu einer hinterhältigen Schärfe verholfen und den kräftigen Fischgeschmack mit dem Rogen des Fliegenden Fischs noch unterstrichen.

Eine andere Art, mit dem Raubfisch umzugehen, beschrieb die Speisekarte kühl als "Thunfisch gebraten" - eine wahrhaft starke Untertreibung: Nur ganz kurz, so dass sich die Poren vier, fünf Millimeter tief schlossen, hatte das Filet an der Pfanne vorbeigeschaut und ließ dann, in hauchdünne Scheiben geschnitten, sein prachtvoll rotes Inneres dem Auge des Gastes entgegenleuchten. Eine Wasabi-Soße von sehr raffinierter Schärfe betonte noch einmal die Geschmacksintensität des Fisches.

Es ließe sich weiter schwärmen: von der zarten, behutsam angegarten Jakobsmuschel, die ihr noch rosiges Inneres nach außen fächerte. Von den fast durchsichtigen Carpaccio-Scheiben vom Loup de Mer, denen eine Soja-Limonen-Vinaigrette eine dezent sauer-fruchtige Note verlieh.

Oder vom Kabeljau in einer cremigen Sellerie-Sesam-Soße. Und damit genug vom Fisch. Zu den Klassikern des Jin zählen die "geschmorten Pralinen" vom Schweinebauch - eine Bezeichnung, die jene aus Fleisch, Fett und Schwarte geschichteten, in einem Ingwer-Honig-Sojasud marinierten und im Mund geradezu schmelzenden Würfelgebilde treffend charakterisiert.

Auch beim Genuss des Entrecôtes mussten sich die Zähne wenig bemühen: Die dünnen Scheiben, zu äußerster Zartheit mariniert und nur ganz kurz gebraten, ließen sich einfach mit der Zunge zerdrücken.

Die kalten Maki-Reisrollen, aus denen spektakulär die panierten Gliedmaßen eines gebackenen Taschenkrebses ragten, fielen gegen solche Erlebnisse fast etwas ab - Reis, so die Erkenntnis, kann tatsächlich ablenken vom Eigentlichen.

Äußerst fein abgestimmt waren dagegen die Dim-Sum-Teigtaschen, vor allem jene kleinen Kunstwerke, die sich in kleine Innentaschen teilten, gefüllt mit Garnelen, Kalbsfilet und Koriander. Zum Nachtisch, in Ostasien ohne große Tradition, setzte das Jin auf - sehr gutes - Eis, cremig mit dem Geschmack vom grünen Tee oder süß-sauer-scharf als gewürzte Sorbets von Mango, Limone und Orange.

Ungewöhnlich für ein asiatisches Restaurant, aber dem Anspruch des Jin angemessen, ist die umfangreiche Weinkarte, auf der sich die Namen bekannter Winzer und, zu entsprechenden Preisen, berühmter Gewächse versammeln. Für sieben Euro das (0,2-Liter-) Glas ist aber auch ein guter offener Riesling zu finden.

© SZ vom 01.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: