Jeanette Biedermann und ihre Band Ewig:"Ich war Teenie-Star - und so habe ich mich verhalten"

Jeanette Biedermann hat zusammen mit ihrem Ehemann und einem befreundeten Bassisten die Band "Ewig" gegründet - und einen Imagewechsel vollzogen. Warum die Sängerin jahrelang freiwillig in bauchfreien Tops aufgetreten ist und wieso es passieren kann, dass sie morgen plötzlich auf Japanisch singt.

Michael Zirnstein

Jeanette Biedermann Ewig

Gemeinsam "Einen Schritt weiter" - so heißt die Single: Jeanette Biedermann ("Undress to The Beat", GZSZ), Jörg Weisselberg (Lena, Udo Jürgens, New Kids On The Block) und Christian Bömkes (links; Thomas Godoj, Laith Al Deen).

(Foto: oh)

Sie steckte im nächsten Jeanette-Biedermann-Projekt und wollte sich nur ein Päuschen gönnen und mit ihrem Gitarristen und Ehemann Jörg Weisselberg sowie dem Bassisten Christian Bömkes ein paar Lieder basteln. Das klappt so prima, dass die Sängerin die andere Arbeit aufgab und die drei auf der Debüt-CD bekennen: "Wir sind Ewig".

Wie läuft das Songwriting bei Ewig, schreiben Sie alle gemeinsam?

Christian Bömkes: Wir fanden das gerade bei diesem Projekt sehr interessant: Was passiert, wenn wir drei die Musik tatsächlich zusammen machen. Jörg hat ja ein kleines Studio in Berlin, in den Mittestudios, die wiederum angeschlossen sind an die altehrwürdigen Hansastudios, das ist ein ganz toller Spielplatz für Kreativität. Wir hatten Zeit und konnten uns von Anfang an sehr intensiv mit der Sache beschäftigen.

Jörg Weisselberg: Es ist wirklich so, dass wir drei wie an einem Kochtopf und alles reinwerfen, was eben so möglich ist. Und am Schluss kommt Ewig raus. Die drei Charaktere beeinflussen die Musik so stark, das hat bei unserem Erstlingswerk super funktioniert. Deshalb hoffen wir, dass es so weiter geht.

In Ihrer Single "Ein Schritt weiter" geht es um Kopf- und Herz-Entscheidungen. Können Sie selbst das in der Band trennen, wenn Sie Musik machen: Herz. Und beim Geschäftlichen: Kopf?

Jeanette Biedermann: Ich bin immer Herz! Der erste Gedanke ist zu 98 Prozent bei mir der richtige. Alles danach kann man sich eigentlich sparen und lieber einen Tee trinken. Ich habe da meine eigene Lebensphilosophie: Das Leben ist wie ein Floß, man gleitet an verschiedenen Leuten und Sachen vorbei, packt mal das eine drauf, lässt mal jemanden einsteigen, einen anderen aussteigen. Wenn man sich den Fluss bewahrt, wird man nirgendwo anecken. Und wird es immer seelisch und intellektuell gemütlich haben.

Sie versuchen gar nicht zu steuern im Leben?

Jeanette Biedermann: Nein, gar nicht. Die Dinge passieren einfach. Man darf sich nicht verschließen und alles zulassen. Deswegen kann ich auch nicht sagen, ob ich jemals wieder solo auftreten. Ich kann es einfach nicht sagen, was an meinem Floß vorbeischwimmen wird. Kann doch sein, dass ich morgen japanisch singe.

"Du im Leoparden-Top, das ist mein Lieblingsfoto"

In der Band-Biographie steht, das Album hätte Einflüsse von Grunge, Soul und Rock. Wer hat genau was beigesteuert?

Jeanette Biedermann: Nun, das ist all das, was einem so im Kopf herumgeistert, was man selber so hört, womit man großgeworden ist. Ich bin Musikerin, ich bin Musikjunkie, seit ich meine erste Platte kaufen konnte. Ich bin sehr vielseitig, und so geht es den Jungs auch.

Jörg Weißelberg: Wir machen natürlich ganz klar Pop. Ich war in meinem Musikerleben ja nie Indie. Und diese wunderbaren Sachen, die Sie aufgezählt haben, finden eher im Kopf statt, die sind nicht immer hörbar, aber die leiten einen dahin, dass diese Form entsteht, die sich Ewig nennt. Mich hat in meiner Jugend Police sehr begleitet, David Bowie, auch Rock und Punk, alles Mögliche. Deswegen schlüpfen wir bei Ewig aber nie in tausend Rollen.

Sie sagen, Sie seien nie Indie-Musiker gewesen. Waren nicht die meisten Rockmusiker in der DDR eher Underground?

Jörg Weisselberg: Ja, klar, sobald man anfing, eigene Songs zu machen, wurde man überwacht. Ich war noch jung und habe in Bands eher auf Van Halen gemacht, mit knallengen Hosen und knallbunten Haaren.

Jeanette Biedermann: Ja, Du im Leoparden-Top, das ist mein Lieblingsfoto. Wahnsinn.

Sie waren ja auch für gewisse Outfits berüchtigt.

Jeanette Biedermann, 2001

Jeanette Biedermann im Jahr 2001.

(Foto: Public Address)

Jeanette Biedermann: Ja, da ist mein Floß auch dran vorbeigekommen.

War das Ihr Geschmack oder eher eine PR-Idee: Sex sells.

Jeanette Biedermann: Ich war noch ganz jung, mir hat das wirklich gefallen. Christina Aguilera, Britney Spears, die sind halt so rumgelaufen, und ich fand das toll: Ein junger, schöner Körper, mit kurzem Top, bauchfrei und Hose bis unter die Beckenknochen, das ist doch süß, sexy, also habe ich das auch gemacht, das war ganz natürlich für mich. So sind die Mädchen überall rumgelaufen, ich war nicht die einzige, nur ich war im Fernsehen. Und das Provozieren hat mir auch Spaß gemacht hat.

Lady Gaga aus Deutschland? Keine Chance!

Ist die Dress-Show jetzt mit Ewig beendet?

Jeanette Biedermann: Ich werde mich natürlich sieben Mal umziehen während der Konzerte, ich werde meinen roten Pailletten-Overall wieder rausholen, das passt super zu uns... nein, im Ernst, das ist heute ganz andere Sache. Ich war ein Teenie-Star damals, ich habe Pop-Glam-Musik gemacht, und genauso habe ich mich verhalten. Das musst Du ja auch machen, wenn Du jung bist, nicht wenn du wellig wirst.

Sie hatten alle mit Casting-Formaten zu tun. Wäre eine Lady Gaga aus Deutschland denkbar, bei TV-Talentshows gewinnt am Ende doch auch immer ein Alexander Klaws gegen einen schrägen Vogel wie Daniel Küblböck.

Jörg Weisselberg: Ich glaube, das deutsche Publikum lässt so viel Glamour gar nicht zu. Es ist hier nicht möglich, so einen Star aufzubauen, jedenfalls jetzt nicht mehr. Es soll alles schön klein sein.

Christian Bömkes: Die Leute hier suchen immer auch einen Bezug zu dem Künstler. Aber Lady Gaga fuktioniert nur, weil wir die Person dahinter gar nicht kennen. Das ist einfach nur extrem, ein Rätsel.

Stimmt es, dass Hörer in Deutschland bei englischen Songs mehr auf die Musik achten, bei deutschsprachigen mehr auf die Texte?

Jörg Weisselberg: Ja, das ist so. Ich glaube, dass wir in Deutschland dazu neigen, Musik oberflächlich anzuhören. Man mag es, einen englischen Song zu hören, der wird dann nicht simultan übersetzt. Das macht so lalala und gefällt den Leuten. Ich finde es aber toll, dass es wieder so tolle deutsche Texte wieder gibt, so viele tolle Protagonisten im Pop und Rock. Und man hört da wieder Nuancen heraus: die einen sind lyrischer, die anderen direkter, die einen sind mehr Rock, die anderen eher liederhaft.

Christian Bömkes: Deutschsprachige Songs sind noch in einer Entwicklungsphase. Wir haben halt das Manko, dass sich viele Wörter sehr hart anhören. Es entwickelt sich da aber gerade eine singbare Sprache, der Wortschatz vergrößert sich, durch Indie-Einflüsse, aber auch aus dem Schlageresken.

Ist das ein Grund dafür, dass gerade so viele regionale Dialektmusik, auch im Indie-Bereich entsteht?

Jeanette Biedermann: Es spielt auch noch diese neue Welle der Natürlichkeit mit hinein. Viele Leute besinnen sich auf ihre Wurzeln - eine ehrliche Sache. Für mich ist das eine schöne Gegenbewegung zu so einer megageilen Lady Gaga, die ein großartiges Kunstprodukt ist.

Ist gerade alles Ewig bei Ihnen, oder sind Sie noch in anderen Projekten engagiert?

Jeanette Biedermann: Wir sind ja wirklich Newcomer, egal ob nun Jeanette Biedermann oder nicht. Wir fangen bei null an. Wir machen die ganze Ochsentour. Deswegen ist gerade nicht so viel Platz für anderes. Aber ich habe gerade wieder einen Krimi abgedreht, "Hauptstadtrevier", da habe ich eine Doppelrolle gespielt, mich selbst und meine Doppelgängerin. Und weil das ARD wollte, dass es ganz authentisch ist, hat natürlich Ewig einen Gastauftritt bekommen, weil das ist das, was ich gerade tue.

Sie haben als Schauspielerin angefangen mit "Haialarm auf Mallorca"...

Jeanette Biedermann: Ja, stark, nicht?!

Sie haben sich aber zu durchaus seriösen Rollen hin entwickelt. Haben Sie dasselbe auch in der Musik erlebt?

Jeanette Biedermann: Meinen ersten Plattenvertrag habe ich mit 18 bekommen, ich habe dann bei "Gute Zeiten" das allererste Mal gespielt. Ich habe alles das erste Mal gemacht, und man konnte mich von Anfang an aufwachsen sehen. Dass man sich über die Jahre entwickelt, das ist die Sache mit dem Floß, ich habe ganz viele Sachen mitgenommen, die mich formten. Ich hätte mit 19 gar nicht die Chance gehabt, solche Musik wie mit Ewig zu machen - ich war gedanklich und gefühlstechnisch ein Teenie. Wenn ich mich heute noch auf dem Level einer 19-Jährigen befände, dann hätte ich echt ein Problem.

Ewig, Sonntag, 4. November, 20 Uhr, Backstage-Werk, Reitknechtstr. 6, München.

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