Süddeutsche Zeitung

Kritik:Eingeheizt

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Die Jazzrausch Bigband bespielt die neue Isarphilharmonie erstmals mit elektronisch verstärkter Musik. Die Akustik des Saals besteht auch diese Feuerprobe.

Von Oliver Hochkeppel, München

"Jetzt ist die Isarphilharmonie wirklich eingeweiht", rief Roman Sladek am Schluss in den Saal, nach zweieinhalb Stunden pausenlosem akustischen Beschuss desselben durch seine Jazzrausch Bigband. Tatsächlich war es ja die Feuerprobe des neuen Hauses außerhalb seiner klassischen Bestimmung: das erste Konzert einer verstärkten Band, sozusagen das erste Pop-Ereignis. Auch diese Prüfung bestand das Münchner Konzertsaal-Wunder - einschließlich des Foyers für die Aftershow-DJ-Party - mit Bravour. Wenn hier etwas flächig statt geortet klingt, dann nur, weil und wenn es der Tontechniker so will.

Nun gibt es wohl auch härtere Nüsse als die Jazzrausch Bigband, diese eierlegende Wollmilchsau, die noch jeden Raum in den Griff bekommen hat. "Bangers only!" war das Programm betitelt, also ein Best-of "nur mit unseren Hits", wie Sladek sagte. Was zum Glück nicht stimmte, vielmehr war es ein dramaturgisch klug gespannter Bogen, gespeist aus den Techno-Jazz-Programmen ihres siebenjährigen Bestehens (es gibt auch noch jede Menge anderes). Los ging es mit vier Stücken vom aktuellen Album "téchne", die Hugo-Ball-Gedicht-Vertonung "Der Literat" mündete erst in zwei Parts aus dem unveröffentlichten Programm zu Goethes "Faust", dann in der Adaption der Violinsonate Nr. 14 aus dem "Beethoven Breakdown"-Album. Und dann erst folgten die alten Hits, mit der Bandhymne "Mobius Strip" als finaler Zugabe.

Goethe und Beethoven also, KI-Themen oder französische Textpassagen, das alles zu großartigen Jazz-Soli und Bläsersätzen, eingebettet in durchdringende Electro-Sounds und unentrinnbare Hochgeschwindigkeits-Beats, garniert mit einer feinen Lightshow und ein bisschen Band-Choreografie - damit holt die Jazzrausch Bigband nach wie vor ein konkurrenzlos breites Publikum ab. Jung und alt, einfach gestrickte und intellektuelle Musikhörer, selbst Jazzer und Jazzhasser. Was perfekt zur Isarphilharmonie passt, die das definitiv auch schaffen wird.

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