Münchens kleinste Jazzbar:"Ich wollte Musik für die Leute, nicht für die Jazzkritiker"

Alex Best, der Inhaber der Jazzkneipe Mister B's

Alex Best, Inhaber der kleinsten Jazzbar Münchens.

(Foto: Stephan Rumpf)

Alex Best betreibt seit bald 25 Jahren die kleinste Jazzbar Münchens - ganz allein. Auf nur zwei Quadratmetern Bühne wird musiziert, aber nicht alle Instrumente kommen ihm dabei ins Haus.

Von Christa Eder

Er ist Barkeeper. Er ist Kellner. Er ist Kassierer, Buchhalter, Einkäufer und Putzmann in einem - und die Musiker engagiert er auch noch selbst: Mister B., Ein-Mann-Unternehmer, Inhaber der kleinsten Jazzbar Münchens.

Sechs Tage die Woche steht der 60-Jährige von acht Uhr abends bis drei Uhr morgens hinter seinem auf Hochglanz polierten Tresen, nie ohne Weste, weißes Hemd und Krawatte. Mister B. heißt mit vollem Namen Alex Best, ist gelernter Bartender mit Diplom, seit Kurzem Großvater. Er stammt aus Brooklyn. Als er 1994 die Bar an der Herzog-Heinrich-Straße eröffnet hat, waren seine Gäste zu 90 Prozent Amerikaner. Einheimische trauten sich damals nicht so recht herein, vermutet Best: "Vielleicht dachten sie, Mister B. sei ein Geheimtipp und nur was für Kenner?"

Tatsächlich gab es im München der Neunzigerjahre kaum Jazzbühnen. Auch heute ist das Angebot überschaubar. Aber es gibt eine Fangemeinde, die zu wachsen scheint. Zumindest tauchen in den Veranstaltungskalendern immer häufiger Jazzkonzerte und Sessions auf und auch Neugründungen wie das Jazzkombinat scheinen der Szene Aufschwung zu geben. Außer der Unterfahrt gab es jedenfalls 1994 wenig.

Und das war keine Bar, sondern ein Club mit Schwerpunkt Free Jazz, einem eher schwer zugänglichen, frei improvisierenden Stil. "Ich wollte aber nichts Kompliziertes. Ich wollte Basic Jazz, kein Zwischending," sagt Best in seinem Brooklyn-Slang, bei dem oft Konsonanten da fehlen, wo sie hingehören, aber dafür dort sind, wo man sie nicht erwartet. Bis heute spricht er Deutsch nur, wenn es sein muss.

"Ich wollte Musik für die Leute, nicht für die Jazzkritiker." Deshalb hört man bei Mister B. vor allem die Klassiker wie Louis Armstrong, Dizzy Gillespie, Billie Holiday, Miles Davis, John Coltrane - die Granden des Jazz, der in den Fünfzigerjahren gespielt wurde, Bebop, Swing, New Orleans, Dixie, Chicago. Gängiges, das die Leute größtenteils kennen.

Wenn es Livemusik gibt, wird es eng

Wer zu Mister B. findet, zählt nicht zum Laufpublikum, sondern kommt gezielt. Die Bar ist leicht zu übersehen. Ein Schaufenster, ein paar Stufen, ein schmaler Eingang. Nur zwei dezent beleuchtete Schilder weisen abends drauf hin, dass sich dort eine kleine Bastion für traditionellen Jazz verbirgt.

An Tagen mit Livemusik wird es eng. Das Publikum ist jung, viele Mittzwanziger und Studenten. Ungewöhnlich? Findet Best nicht: "Wir machen hier Musik, zu der jeder einen Zugang findet, auch wenn er keine Ahnung von Jazz hat. Hier gibt es ein bisschen von allem und für jeden. Smooth, Mainstream, Vocal - und alles miteinander klingt einfach gut und spricht Junge, Mittelalte und Kenner an." Hinzu kommt: Der Eintritt kostet fünf Euro. Nur fünf Euro. Für München konkurrenzlos günstig.

Etwa 150 Livekonzerte pro Jahr finden auf der zwei Quadratmeter großen Bühne im Mister B.'s statt. Gespielt wird im Schaufenster. Maximal vier Musiker passen da rein. Bands mit Schlagzeug gehen sogar noch, mit Klavier nicht mehr. 40, maximal 50 Leute drängen sich schon mal an Wochenenden in den 25 Quadratmeter kleinen Raum mit drei Tischen, ein paar Hockern und Plätzen an der Bar. Das Wasser perlt an solchen Tagen von der Scheibe, es ist stickig wie in einer Sauna. Aber es funktioniert. Vielleicht auch, weil Mister B. selbst wenn es knallvoll ist, immer gelassen bleibt. Jeder bekommt seinen Drink, keiner muss lange auf die Rechnung warten. Mister B. aus B. ist einfach cool.

Respekt für die Musiker und die Gäste

Jede Woche muss er Bands finden. "Geht ganz einfach," sagt er. "Die Musiker kommen hier rein, meistens als Gäste. Schauen sich um und fragen mich einfach." Best braucht keine Demos, keine CDs. Er unterhält sich mit den Musikern und wenn er das Gefühl hat, das passt, bekommen sie den Gig.

Für Best passt es dann, wenn er spürt, dass die Musiker das Publikum wertschätzen. "Ich sehe, ob die Musiker Respekt vor den Leuten haben oder nicht. Das erkennt man über die Jahre." Umgekehrt zollt Best auch den Musikern Respekt. "Es gehört schon viel Mut dazu, hier aufzutreten, denn es ist sehr schwierig, so nah am Publikum zu spielen", sagt er. "Hier herrscht eine sehr intime Atmosphäre. Man ist auf Tuchfühlung mit den Musikern und das Publikum registriert jedes Zucken, jede kleinste Bewegung, jeden kleinsten Ausrutscher." Auch auf Empfehlung von anderen, ihm bekannten Musikern kommen Bands auf ihn zu. Aber wenn er "kein gutes Feeling" dabei hat, sucht er sich andere.

Münchens kleinste Jazzbar: 50 Gäste auf 25 Quadratmetern, unten der Blick von der Bühne. "Das Publikum registriert jeden kleinsten Ausrutscher", sagt Alex Best.

50 Gäste auf 25 Quadratmetern, unten der Blick von der Bühne. "Das Publikum registriert jeden kleinsten Ausrutscher", sagt Alex Best.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bis auf wenige Ausnahmen hat es mit den Liveauftritten immer gut geklappt. Nur selten sagt eine Band 24 Stunden vorher ab, weil sie irgendwo mehr Gage bekommen hat. "Ich sag den Gästen dann: Sorry das ist blöd, aber solche Dinge passieren. So sieht es aus. Alle sind bislang geblieben." Manchmal passiert aber auch das Gegenteil. Zum Beispiel wenn bekannte Jazzmusiker auf Europatournee sind und in München einen Stopp einlegen. Dann gibt es bei Mister B. auch mal am Sonntag Livemusik vom Feinsten. Auf diese Weise hatte er schon bekannte Jazzer auf seiner kleinen Schaufensterbühne, die mit Billie Holiday, John Coltrane oder Miles Davis gespielt haben. Und das bei ihm dann auch noch gratis. "Das waren alles Musiker, die nur eines wollen," sagt er und strahlt. "Keep Jazz alive!"

Nach München kam Alex Best, Jahre bevor er Mister B. wurde. 1985 arbeitete er für die US-Regierung in der McGraw-Kaserne in der Verwaltung, "nicht beim Militär", wie er betont. Bis die Kaserne 1992 abgewickelt wurde. Das Militär ist abgezogen. Viele seiner Kollegen gingen zurück in die Staaten. Best ist geblieben. Auch wegen seiner Frau, einer Münchnerin, und ihrer beiden Kinder. "Ich wollte nicht, dass sie etwas aufgeben müssen. Ich wollte, dass sie glücklich sind."

Andere glücklich machen - immer wieder sagt er das. Mit seinem alten Vater einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren und schöne Tage mit ihm zu haben. Dasselbe gilt für seine Gäste: "Ich will, dass die Leute mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause gehen. Erst dann bin ich auch glücklich."

Best ist kein Musiker, aber ein Musikkenner

Best stammt aus einer sehr katholischen Mittelklassefamilie. Strenge und Disziplin waren angesagt. "Ich durfte als Jugendlicher nicht die Dinge tun, die andere machten. Nicht ausgehen, um zehn Uhr abends im Haus sein und Viertel wie Bronx oder Queens waren für mich tabu. Ich war total "integrated", sagt er, und meint damit mehr oder weniger eingesperrt. Während seine Kumpel in Jugendprojekten Musik machten oder beim Basketball abhingen, saß der junge Alex mit seiner blauen Schuluniform in der katholischen Schule und sonntags von Weihrauch umwabert in der Kirche.

Weil er gut singen konnte, musste er in den Kirchenchor. Spaß habe es ihm keinen gemacht, sagt er, aber Widerstand wäre zwecklos gewesen. Die Eltern hätten darauf bestanden. "Ich hörte damals sehr gerne Motown," sagt Best und lächelt, dass seine Zähne blitzen. "All die R&B und schwarzen Soulgrößen wie Temptations, Smokey Robinson oder die Supremes."

Nach Brooklyn zieht es ihn nur noch selten, obwohl er dort zum Jazz gefunden hat. "Diese Musik hat mich seit meiner Kindheit begleitet und begeistert. Die ganze Familie und Freunde haben Jazz gehört und gespielt. Schon morgens hörte man immer jemanden singen, Klavier oder Saxofon spielen." Er selbst spiele kein Instrument, obwohl er das Saxofon liebt. Er habe eine bestimmte Vorstellung, wie man ein Instrument spielen müsse, sagt er. "Ein Instrument kaufen und spielen kann jeder. Aber ich unterscheide hier zwischen dem Musiker und dem Künstler. Ein Künstler verschreibt sich dem Instrument völlig. Er hat eine Leidenschaft und eine Vision und ist bereit, alles seiner Kunst unterzuordnen. Das hat vielleicht auch etwas mit Liebe zu tun." Und diese Leidenschaft zum Instrument fehle ihm.

Dafür hat er umso mehr Passion für Jazz und die teilt er nun schon seit 24 Jahren mit seinen Gästen, die er stets mit Wohlwollen behandelt. Und vor allem mit Respekt: "Ich versuche jeden, der hier zur Türe hereinkommt wertzuschätzen, auch wenn er einen schlechten Tag hat. Es gibt Momente, in denen man eine helfende Hand und ein Ohr braucht. Ich weiß das. Und wenn ich helfen kann, freut es mich."

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