Spannende Musikfestivals in Bayern und Österreich:Wege zum Jazz

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Elias Prinz stellt im Fraunhofertheater sein Debütalbum vor. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Gypsy-Swing, Avantgarde oder Szene-Stars: Festivals in München, Salzburg und Nürnberg bieten in den kommenden Wochen Musikbegeisterten aller Art etwas. Ein Überblick.

Von Oliver Hochkeppel

Für hippe Traditionalisten

Seit Jahren boomt der Gypsy Swing in München, jener untrennbar mit dem Namen Django Reinhardt verbundene, einzige originär europäische Stil des klassischen Jazz. Musizierende, die man sonst aus ganz anderen Ecken kennt, mischen hier fleißig mit, zum Beispiel der LBT-Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber oder die SiEA-Bassistin Julia Hornung. Treibende Kraft ist der Verein Gypsy Swing München rund um den Hot-Jazz-Musiker Daniel Fischer: Mit „OskarMaria Swingt“, dem Jazzbrunch im Literaturhaus jeden Sonntag, dem „Hot Club“ im Fraunhofer einmal im Monat und den Gypsy Swing Tagen, das inzwischen auch Django Reinhardt Festival heißt.

Bei der zehnten Ausgabe vom 17. bis 20. Oktober wird das Jubiläum gefeiert. Im angestammten Fraunhofertheater geht es los. Am Donnerstag mit Duved& his three Musetteers, der das „debut du siecle“-Paris feiernden Band des Gitarristen Duved Dunayevsky, und dem Trio seines preisgekrönten jungen Münchner Kollegen Elias Prinz, der hier sein Debütalbum vorstellt. Und am Freitag mit zwei Quintetten: Julia Hornung und Giangiacomo Rosso schließen mit ihrer European Connection an den späten Django Reinhardt an, Duveds Hot Five adaptieren präzise den Hot-Club-Sound der Blütezeit von Django und Stephane Grapelli.

Zur Feier des Jubiläums findet das Samstagskonzert mit Generation Django im Silbersaal des Deutschen Theaters statt. Die europäische Band ist eine Supergroup des Gypsy Swing mit einigen der angesagtesten Solisten des Genres wie den Gitarristen Sébastien Giniaux und Fanou Torracinta oder dem Klarinettisten Giacomo Smith. Am Sonntag endet das Festival mit einer großen Jam Session im Literaturhaus. So beliebt ist der Gypsy Swing inzwischen, dass bereits alle Konzerte bis auf Restkarten ausverkauft sind.

Gypsy Jazz Tage – Django Reinhardt Festival, Donnerstag bis Sonntag, 17. bis 20. Oktober, Theater im Fraunhofer, Deutsches Theater, Literaturhaus, www.gypsyjazztage.de

Orgel-Virtuose Kit Downes kommt nach Salzburg. (Foto: Oliver Hochkeppel)

Für Flaneure

Kein Problem mit ausverkauften Konzerten gibt es beim parallel laufenden „Jazz & The City“ in Salzburg. Ist die Festspielstadt für Münchner ohnehin ein beliebtes Tages- oder Wochenendausflugsziel, so lohnt es sich hier ganz besonders: Alle 70 Veranstaltungen sind bei freiem Eintritt, Tickets gibt es keine.

Offenheit, Experiment und Begegnung steht ganz oben auf der Agenda, ganz besonders, seit die Regensburgerin Anastasia Wolkenstein im vergangenen Jahr die Intendanz übernahm. „This is us!“ lautet das diesjährige Motto des viertägigen, vom Altstadtverband Salzburg veranstalteten Konzertreigens mit mehr als 100 nationalen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Die gut 20 Spielorte liegen fast alle fußläufig in der Altstadt. „Jazz & The City“ ist also wie kein anderes ein Festival für Flaneure.

Jazz steht zwar im Mittelpunkt, mit dem Untertitel „Music unlimited“ macht das Veranstalter-Team aber deutlich, dass der Trend zum Genre-Mix auch hier gilt. Was schon bei der Eröffnung mit dem Andromeda Mega Express Orchestra zu bestaunen sein wird, ist Daniel Glatzels einzigartiges Berliner Klanglabor. Klangvolle Namen aus unterschiedlichsten Stil-Ecken erwarten einen danach, unter anderem Joanna Duda, Linda Fredriksson, Miroca Paris, Nils Wogram (hier mit seinem lyrischen Quartett Muse), das europäische All-Star-Quartett Crutches, Clara Haberkamp, Ganna, Angelica Niescier, die Insomnia Brass Band und zum Abschluss der Piano-Star Harold Lopez-Nussa im Duo mit Gregoire Maret. Auch einige Münchner Acts sind darunter, von der Hochzeitskapelle über Philipp Schiepek bis zu Simon Popp.

Schon eine Salzburger Tradition sind die Auftritte von Kit Downes, dem vielleicht besten Jazz-Organisten Europas, an der Kirchenorgel der Kollegienkirche. Ebenso bewährt sind die Blind-Date-Termine „House of Impro“ und „Hidden Tracks“. Eine Premiere in unseren Breiten ist das Quartett FORQ des Keyboarders Henry Hey, das neueste Spin-off aus Michael Leagues Snarky-Puppy-Kosmos. Und erstmals gibt es einen dreiteiligen Bigband Summit – mit Christian Muthspiels Orjazztra Vienna als krönendem Abschluss. Allerdings sollte man bei vielen Konzerten rechtzeitig in der Schlange stehen.

Jazz & The City, Donnerstag bis Sonntag, 17. bis 20. Oktober, Altstadt Salzburg, www.salzburg-altstadt.at

"GongGong255088" vereint die Musikkulturen aus Korea, Argentinien und Griechenland. (Foto: Christina Marx)

Für Freigeister

„Parallel Universe“ hat der Verein „Offene Ohren e.V.“ das dreitägige Festival genannt, mit dem er vom 18. bis 20. Oktober im Schwere Reiter sein 20-jähriges Bestehen feiert. Mit dieser Parallelwelt ist die freie Improvisation gemeint, der der von Hannes Schneider gegründete und geleitete Verein seit jeher seine ganze Aufmerksamkeit widmet. Das Programm soll exemplarisch sieben „Spektrallinien“ aus der enormen Bandbreite dieses Universums vorstellen. Jedes Konzert hebt einen anderen Aspekt hervor, vom Soloauftritt bis zum großen Ensemble, von Melodie bis Noise, stets interaktiv und genreübergreifend.

So beleuchtet zum Auftakt am Freitag zunächst Espresso & Mud Extended die Interaktion von stimmlichem, akustischem und elektronischem Instrumentarium. Dann vereint GongGong255088 die drei Musikkulturen aus Korea, Argentinien und Griechenland zu Noise und Ambient, bevor le 7ème Continent – ein Sextett unter anderem mit den im Jazz bekannten Joachim Badenhorst, Pascal Niggenkemper und Mona Matbou Riahi – radikale musikalische Interpretationen gesellschaftspolitischer Themen anbietet.

Am Samstag folgen das achtköpfige internationale und genreübergreifende Musik-Tanz-Improvisationsprojekt Tamuoo, ein Solo des 83-jährigen japanischen Pianisten Masahiko Satoh, einem Pionier der Jazz-Improvisation, und das die melodisch-harmonisch-tonale Seite der freien Improvisation betonende Windows & Mirrors Quintet. Ins große Finale geht es am Sonntag mit dem prominent besetzten King Übü Örchestrü, das sich vor der ersten Generation europäischer Improvisatoren als Gegenentwurf zum amerikanischen Free Jazz verbeugt.

Parallel Universe – 20 Jahre Offene Ohren e.V., Freitag bis Sonntag, 18. bis 20. Oktober, Schwere Reiter, www.schwerereiter.de

Veteran der Szene: Stride-Pianist Bernd Lhotzky. (Foto: Walter Ruckdeschel)

Für Lokalpatrioten

Zum bereits 35. Mal richtet die Jazzmusikerinitiative München(JIM) vom 24. bis 27. Oktober ihr Jazzfest aus. Nach wie vor die einzige Festival-Plattform für die eigene Szene. Nach langer Wanderschaft durch alle möglichen Spielorte hat man seit drei Jahren eine perfekte Konstellation gefunden, um auch jüngeres Publikum anzulocken: Man ist jetzt die ersten beiden Tage im Blitz Club und die letzten beiden im Fat Cat, genauer gesagt in der ehemaligen Black Box des alten Gasteigs. Jeweils drei Auftritte pro Abend sind geboten, am Eröffnungsabend am Donnerstag kommt noch eine DJ-Aftershowparty mit den Zenker Brothers ab Mitternacht dazu.

Viele interessante Programme, meist in Erstaufführung, hat das JIM-Team mit Andy Lutter, Sunk Pöschl, Michael Wüst, Petra Windisch de Lates und Miko Rein eingesammelt. Von Veteranen der Szene wie dem Stride-Pianisten Bernd Lhotzky (der erstmals in München sein den Ragtime neu aufrollendes „Rag Bag“-Soloprogramm spielt), dem Sänger Adriano Prestel (mit dem neuen, psychedelisch angehauchten Trio Guvvy), dem Perkussionisten Biboul Darouiche (mit seiner neu zusammengestellten „La Descarga“-Latin-Band) oder den Saxofonisten Tom Reinbrecht und Till Martin.

Aber auch junge Bands wie Mr. Vertigo oder das Duo des Schlagwerkers Simon Popp mit der Sängerin und Elektronikerin Polygonia. Mit dem seit 20 Jahren in Berlin wirbelnden Posaunisten Gerhard Gschlössl kommt ein Münchner Urgestein mal wieder für ein Gastpiel in die alte Heimat zurück. Der Allgäuer Drummer Magnus Dauner taucht mit seinem Quintett-Projekt portrait in rhythm tiefer in die Münchner Szene ein. Und der seit zehn Jahren in München lebende griechisch-makedonische Multiinstrumentalist Dine Doneff führt eine nach seinem Heimatdorf Rousilvo benannte jazzige Balkan-Volksoper als Collage aus Livemusik, historischen Tonaufnahmen und Fotos auf.

Zwei auswärtige Acts runden alles ab. Mit dem Duo der Sängerin Kristin Lash und des Gitarristen Jakob Grey sind Gipfelstürmer der slowakischen Musikszene zu Gast. Und den Rausschmeißer darf die Berliner Band Time Rag Department mit tanzbarem Oldtime Jazz geben.

35. Jazzfest München, Donnerstag bis Sonntag, 24. bis 27. Oktober, Blitz Club und Fat Cat, www.jazzfestmuenchen.de

Hochdekorierte Saxofonistin: Melissa Aldana. (Foto: Ebru Yildiz)

Für Trendsetter

Die junge, globale Jazz-Szene abbilden und Weltklasse-Jazz präsentieren, dabei die ausgetretenen Pfade meiden und mit frischen, genreübergreifenden Acts punkten – das ist das erklärte Ziel der NueJazz-Macher Frank Wuppinger und Marco Kühnl, beide selbst Jazzmusiker. Dass ihnen das zuletzt so gut gelungen ist, dass die elfte Ausgabe des Nürnberger Jazzfestivals vom 19. bis 30. Oktober auch für Münchner einen Abstecher wert ist, das haben sie sozusagen schriftlich: Im April bekamen die den Deutschen Jazzpreis für das beste Festival des Jahres 2023.

Heuer gehören Auftritte vom Grammy-Gewinner Brad Mehldau und seinem Trio, dem aktuell brandheißen Trompeter Theo Crocker, der hochdekorierten Saxofonistin Melissa Aldana, Kurt Rosenwinkels Formation The Next Step und dem legendären, 1970 im Senegal gegründeten Orchestra Baobab zu den Glanzlichtern. Ebenso wie die britischen Top-Acts Emma Ravicz, Alfa Mist und Nubiyan Twist.

Wie immer eingebettet in ein buntes Rahmenprogramm, von der Warm-up-Show mit EazzBand und ToyToy & Umberto Echo bis zur Vernissage der Fakultät Design und einer der Ukraine gewidmeten Ausstellung. Vom Preisträgerkonzert des NueComer Jazz-Awards über diverse Jam-Sessions und dem Education-Programm NueJazz for Kids bis zum Afterburner-Konzert mit dem Moses Yoofee Trio.

NueJazz Festival, Samstag, 19. Oktober, bis Mittwoch, 30. Oktober, E-Werk, Kulturwerkstatt auf AEG und Z-Bau Nürnberg, www.nuejazz.de

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