SZenario:Mensch bleiben

SZenario: Nehmen den Preis für Menschlichkeit entgegen: der jüdische Religionslehrer German Djanatliev (links) und Shlomi Nahumson von der Waisen- und Witwen-Organisation der israelischen Armee.

Nehmen den Preis für Menschlichkeit entgegen: der jüdische Religionslehrer German Djanatliev (links) und Shlomi Nahumson von der Waisen- und Witwen-Organisation der israelischen Armee.

(Foto: Catherina Hess)

Die Europäische Janusz Korczak Akademie in München verleiht zum ersten Mal nach der langen Corona-Pause ihren Preis für Menschlichkeit - es ist ein Familienfest im doppelten Sinne

Von Annette Zoch, München

"'Gam Ietova', sagt man im Hebräischen. Übersetzt heißt das: Auch das hat etwas Gutes", sagt Eva Haller, Präsidentin der Europäischen Janusz Korczak Akademie (EJKA). Zwei Jahre lang konnte das jüdische Bildungswerk seinen renommierten "Janusz-Korczak-Preis für Menschlichkeit" wegen Corona nun nicht verleihen. Doch in der unfreiwilligen Pause konnte die Akademie neue Räume in einem hellen Altbau in der Münchner Blumenstraße beziehen und diese auch gleich nutzen, für ein Willkommens-Programm für aus der Ukraine geflüchtete Mütter und Kinder.

Die erste Preisverleihung nach der langen Pause wollte die EJKA deshalb nicht wie zuletzt in Berlin sondern bewusst im neuen Zuhause in München feiern - es war ein Familienfest im doppelten Sinne. Denn in diesem Jahr hat die EJKA auch noch 13. Geburtstag und kommt damit nach jüdischer Tradition ins Bar-Mizwa-Alter. Die Bar Mizwa bezeichnet den Übergang von Jungen in die religiöse Volljährigkeit. Zudem jährt sich in wenigen Wochen, am 6. oder 7. August, der Todestag ihres Namensgebers zum 80. Mal.

Janusz Korczak gilt als einer der wichtigsten Reformpädagogen des 20. Jahrhunderts. Schon lange, bevor überhaupt über Kinderrechte nachgedacht wurde, sprach sich der polnische Arzt dafür aus, Kinder als vollwertige Persönlichkeiten zu achten. Mit dem von ihm geführten Waisenhaus musste er 1940 ins Warschauer Ghetto umsiedeln. Als die Nationalsozialisten die rund 200 Kinder in einen Zug mit dem Ziel Treblinka trieben, ging Korczak mit und blieb bei ihnen. Er wurde in der Gaskammer von Treblinka ermordet.

Ein besonderes Jahr also, und so wollte die EJKA bewusst zu ihren pädagogischen Wurzeln zurückkehren: Preisträger waren in diesem Jahr der jüdische Religionslehrer German Djanatliev aus Nürnberg und die Waisen- und Witwen-Organisation der israelischen Armee, die IDFWO.

Djanatliev unterrichtet seit 2005 als Religionslehrer in den jüdischen Gemeinden München, Straubing und Weiden. Von seiner Arbeit profitiere "die gesamte jüdische Gemeinschaft in Deutschland", sagt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in seiner Laudatio. Deren Zukunft hänge ganz wesentlich davon ab, "dass sich junge Menschen, die eines Tages Verantwortung für das jüdische Leben in Deutschland tragen, bewusst sind, warum sie Juden sind." Djanatliev vermittele dieses Wissen und die Freude an einem jüdischen Leben.

Die Laudatio auf die IDFWO hält der Präsident des Staates Israel, Jitzack Herzog. Die IDFWO kümmert sich um die Familien gefallener Soldatinnen und Soldaten, sie organisiert Ferienlager, Auslandsreisen und einen geschützten Raum für den Austausch von Hinterbliebenen. Aus Jerusalem sind zur Preisverleihung die Präsidentin Tami Shelach und Geschäftsführer Shlomi Nahumson angereist. "Die Leere, die der Tod eines Elternteils reißt, kann nicht gefüllt werden", sagt Herzog in seiner Videobotschaft. "Aber das Leben nach so einem Verlust kann dennoch wieder lebenswert werden." Herzog erinnert an den Namensgeber des Preises und dass man sich "trotz schrecklicher Umstände dafür entscheiden kann, Menschen zu bleiben."

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