Süddeutsche Zeitung

Jan Gartz:Menschliche Suchmaschine

Kein Bewertungsportal ist so gut wie ein guter Concierge

Von Pia Ratzesberger

Vor fünf Jahren musste Jan Gartz oft noch erklären, was er denn nun mache, als Concierge im Hotel Vier Jahreszeiten, an der Maximilianstraße. Mittlerweile aber nickt sein Gegenüber meistens nur mit dem Kopf und sagt: "Ist ja spannend." Gartz kann dann zum Beispiel von dieser einen E-Mail erzählen, in der Stammgäste schrieben, dass ein Freund von ihnen - ein leidenschaftlicher Schafkopfspieler - gerne einmal gegen den bayerischen oder deutschen Meister spielen würde. Ob man da nicht was machen könne? Jan Gartz, 30, konnte was machen.

Er organisierte eine Partie mit dem bayerischen Meister, der zu seinem Glück gleichzeitig noch der deutsche war, die Dankbarkeit war groß. Neulich hinterließ ein Gast nach seiner Abreise einen Zettel für ihn und seinen Kollegen, auf diesem stand voller Pathos: "Ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben, Sie sind für immer in meinem Herzen." Die Concierges hatten der älteren Dame kurzfristig einen Rückflug in die USA organisiert, nachdem ihr eigentlicher storniert worden war. Wahrscheinlich könne man sonst nur in der Pflege Menschen so glücklich machen wie in seinem Beruf, sagt Gartz - auch wenn er manchmal natürlich auch Gesuche ablehnen muss. Zum Beispiel das eines arabischen Paares, die ihren eigenen Metzger mit dabei hatten und bei einem Bauern ein Lamm kaufen wollten. Aus diesem Vorhaben wurde nichts. Jan Gartz glaubt, die größere Bekanntheit seines Berufsstandes habe auch damit zu tun, dass der Begriff Concierge jetzt häufiger verwendet werde, wenn auch abseits der Hotellerie, von Autokonzernen zum Beispiel.

Er hatte gleich am Anfang seiner Ausbildung gelernt, was Concierges machen, er arbeitete ihnen damals als Page zu - und findet bis heute, dass kein noch so gutes Bewertungsportal die Frauen und Männer in der Lobby ersetzen könne. Denn im Internet, sagt er, werden die Meinungen ohne Filter gesammelt, wenn jemand ein Edelrestaurant erwarte und sich dann in eine gewöhnliche Pizzeria setze, fließt dessen schlechte Bewertung genauso ins Ergebnis ein wie die von jemandem, der gerne in unkomplizierter Atmosphäre zu Abendessen möchte und deshalb nicht zufrieden mit der noblen Brasserie ist. Mit ein paar Fragen, sagt Gartz, könne er viel besser herausfinden, an welchem Ort sich der Gast wohlfühlen wird. Ähnlich wie ein Filter in einer Suchmaschine, nur persönlicher.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2018
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