James Blunt in München:Nicht nur Softie

Kennt man einen Song, kennt man alle? Nicht unbedingt. James Blunt beeindruckt bei seinem Konzert in der Olympiahalle nicht nur die Frauen.

Tobias Dorfer

Lieder von James Blunt klingen alle gleich: Egal, wer dieses sich hartnäckig haltende Gerücht in die Welt gesetzt hat, es muss ein Mann gewesen sein. Wahrscheinlich einer, dem es die Freundin viermal verweigert hat, ihn in ein Rammstein-Konzert zu begleiten, und der nun mit ebenjener Freundin zwischen etwa 9000 Fans des britischen Sängers in der Münchner Olympiahalle steht, ein Bier in der Hand, und sich möglichst weit weg wünscht, während sie gebannt in die blauen Augen ihres Idols starrt.

Tourneeauftakt James Blunt

Dieses unverschämt gute Aussehen: James Blunt bei seinem Konzert in Nürnberg vor wenigen Tagen.

(Foto: dpa)

Nun ist es ja nicht so, dass an dieser Aussage nichts dran wäre. Diese immer wiederkehrenden Merkmale eines typischen James-Blunt-Songs sind nur schwer zu überhören: Der Midtempo-Einstieg, die getragenen Verse, die charakteristische Stimme, die spätestens beim Refrain ins Falsett umschlägt und den Schmacht-Faktor des Liedes noch einmal erhöht. Böse Zungen sagen: Kennt man einen Song, kennt man alle. Menschen, die es gut mit James Blunt meinen, nennen das Markenzeichen.

Nun ist ein gewisser Wiedererkennungseffekt grundsätzlich nicht weiter schlimm. Es gibt zwischen Kastelruther Spatzen und Jon Bon Jovi genügend Musiker, die ziemlich erfolgreich auf Bewährtes setzen. Die Hitmaschine Modern Talking stand sogar im Ruf, zeit ihres Bestehens mit drei Akkorden ausgekommen zu sein. Und man erinnere sich erst an den britischen Fußballlehrer Alf Ramsey, der mit seinem Leitspruch "Never change a winning team" die englische Nationalmannschaft im Jahr 1966 zum Weltmeistertitel führte.

Der Erfolg gibt auch James Blunt recht. "Back to Bedlam" (2004) und "All the Lost Souls" (2007) stürmten in den deutschen Album-Charts bis an die Spitze und es muss fast als Enttäuschung gelten, dass es das aktuelle Werk "Some Kind of Trouble" nur auf den zweiten Rang schaffte. Dazu: Auszeichnungen en masse und ausverkaufte Konzerthallen.

Auch die Münchner Olympiahalle ist fast ganz gefüllt. Natürlich ist das Publikum größtenteils weiblich. Frauen mit blonden Pferdeschwänzen, Mädchen mit bunten Herzchen auf dem Handy, beste Freundinnen, Mädchen mit ihren Müttern, Mütter ohne ihre Töchter, Frauen mit blitzenden Digitalkameras und Teenies, die mit Hilfe eines Smartphones minütlich an ihrem Facebook-Status feilen. Und, ja, auch einige Männer sind gekommen.

Die Olympiahalle ist bestuhlt, selbst vor der Bühne. Die Beinfreiheit im Rund ist überraschend groß. Aber man solle doch bitte aufstehen, sagt James Blunt. Und natürlich dürfe sich das Publikum, besser gesagt: der weibliche Teil des Publikums, auch gerne entkleiden, wenn die Hitze unerträglich werden sollte. Der Mann hat Humor. Vor nicht allzu langer Zeit teilte Blunt übrigens mit, er habe seine Schwester bei Ebay versteigert.

Dieser spezielle Humor erklärt den Erfolg des britischen Sängers natürlich nicht allein. Da ist auch dieses unverschämt gute Aussehen. Die kurzen braunen Haare, die leuchtenden blauen Augen, die der Frauenflüsterer ab und an auch ein wenig weiter öffnet. Dann wieder dieser Hundeblick, bei dem man sich nicht nur einmal an diesem Abend fragt: Weint dieser Mann, der als Offizier der Life Guards in der britischen Armee und Sargträger bei der Beerdigung von Queen Mum doch gelernt hat, Haltung zu bewahren?

Irgendwann stehen dann alle

Dennoch - James Blunt gibt nicht nur den Softie an diesem Abend. Er habe genug langsame und traurige Lieder für drei Stunden Programm mitgebracht, witzelt er - um dann doch eine ziemlich temporeiche Show hinzulegen, bei der die mitunter recht dominante Band-Begleitung glücklicherweise nicht immer übertönt, dass James Blunt ein richtig guter Sänger ist. Selbst an sich wunderschöne Balladen wie "Same mistake" können ihren Zauber so nur bedingt entfalten.

20 Titel (inklusive drei Zugaben) in anderthalb Stunden schafft der Brite. Bei Lied vier ("Wisemen") steht ihm bereits der Schweiß auf der Stirn, bei Song sechs ("These are the Words") hat sich bereits eine nennenswerte Zahl von Fans von den Stühlen erhoben, drei Titel später ("Goodbye my lover") ist ein erstes Kreischen zu vernehmen, bei Nummer zehn ("High") geben die ersten ihre Plätze auf und laufen vor die Bühne und irgendwann stehen dann alle.

Glücksbeseelt singen sie jede Zeile mit. Glockenhell klingt dieses Münchner Publikum, wenn James Blunt - beispielsweise beim Refrain von "You're beautiful" - einmal innehält und die Zuhörerinnen ihre Textsicherheit beweisen dürfen.

Und der Sänger selbst? Lächelt. Rennt durch das weite Rund der Olympiahalle und klatscht die Fans ab. Springt auf sein Klavier. Springt wieder herunter. Und zieht zum Abschied eine Digitalkamera hervor, um von der Bühne herunter seine Fans zu fotografieren. "Süß", sagt eine Frau.

Am Ende des Konzerts bleibt dennoch der merkwürdige Geschmack von Einheitsbrei auf der Zunge zurück - und der Wunsch, James Blunt einmal in einem Uplugged-Konzert zu erleben. Wo der Gesang nur von einer Gitarre untermalt wird, rockige Nummern rocken dürfen - und Balladen endlich Balladen sein dürfen.

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