Konzerte:Die Münchner Kultband Jamaram ist mit einem neuen Album unterwegs

Jamaram

Stellen ihr neues Album "To The Moon And The Sun" in Pöcking vor: die Mitglieder der Band "Jamaram".

(Foto: Julie Key/oh)

In den fast 20 Jahren ihrer Karriere hat die Band schon so einiges an Genres ausprobiert. Mit ihrer neuen Platte kehrt sie stilistisch zurück zu den Anfängen - und macht sich Gedanken über die Welt von morgen.

Von Michael Zirnstein

Max "Murxen" Alberti fläzt sich auf seinem Schlagzeughocker in der Sonne vor der Garage und genießt. Nicht nur die Frühlingssonne. Er saugt die ganze grüne Gegend um Weßling auf - das Zu-Hause-Sein. Dass die anderen ihn warten lassen vor der Probe, kümmert ihn kaum. Er montiert ein neues Fell und Stahlspiralen auf seine Snare-Drum.

In Köln, wo er sonst wohnt, wenn er gerade fürs ZDF in der Serie "Bettys Diagnose" den Jungarzt Dr. Frank Stern mimt, hat er nur ein elektrisches Schlagzeug. Ist nicht dasselbe. Fühlt sich nach Plastik an, so wie ein wenig die ganze Schauspielerei. Sein Beruf. Seine Familie, das ist die Band: Jamaram, die entspannteste, netteste Combo weit und breit.

Früher haben sie fast alle im legendären WG-Haus in Weßling gewohnt. Inzwischen haben die meisten wie er Familie, und es ist ein kleines Jamaram-Dorf drumherum entstanden. Nichts zieht sie weg. "Jamaram ist die große Konstante im Leben eines jeden von uns", sagt Alberti, "ein kreativer, musikalischer und menschlicher Zufluchtsort. Hier kannst du sein, wie du bist, hier bist du zu Hause."

In Hochstadt unter der Garage der Eltern ihres Bassisten Ben Beblo haben sie von Anfang an den Probenraum. Unten ist alles zugestellt mit Instrumenten und Kartons voller Fan-Shirts, die Sonne dringt hier nicht durch. Auch das Tour-Poster mit dem neuen Album-Cover an der Tür ist zappenduster. Verglichen mit den Comic-Zeichnungen zuvor, etwa von einem "Jameleon" oder einem Papagei. Mal was anderes, was ihnen ein Grafiker da angeboten hat. "Ganz schön viel Geld für einen schwarzen Kreis, haben wir uns gedacht", sagt der Keyboarder Lionel Wharton, der nun auch da ist. Sie ließen nachbessern, jetzt wird in dem Kreis ein Menschlein von einem Alien-Lichtstrahl emporgesaugt. "Sieht eher nach Heavy-Metal-Band aus", aber eben auch ziemlich cool, findet Beblo - und passt irgendwie zum Space-Thema der aktuellen Platte.

Das düstere Bild ist ein spannender Bruch, denn die 14 Stücke auf "To The Moon And The Sun" (Soulfire Artists) klingen zunächst mal sonnig wie eh und je - gerade wenn Sam Hopf über seine strahlend-frische Liebe schwärmt: "Diamond Girl". Sie sind sogar noch relaxter als zuletzt, denn Jamaram sind wieder zu ihren Wurzeln zurück, zum Reggae-Universum mit all seinen Offbeat-Galaxien wie Roots Reggae, Ska und Dancehall, durch die sie zusammen mit Dub-Spezialist Umberto Echo höchst kreativ düsen, bisweilen gar ins Mysteriöse.

"Wir haben jetzt zusammen elf Kinder"

Im Laufe ihrer Genesis hatten sie sich schon viel weiter in ihren Vorlieben treiben lassen, zu Hip-Hop, Rock, Balkan-Beats und Pop - auch, weil man als reine Reggae-Band, und sei es die erfolgreichste Münchens, bei den Sommer-Open-Airs weniger Auftrittschancen hat. Ihre Rolle in der Pop-Welt war die der Zirkus-Familie, der Hippies und Hipster mit Moustache, Hut und ausgebeulten Hosen. Weil Pro7 für die Band-Show "My Hit. Your Song" noch eine bunte Truppe mit spanisch sprechendem Sänger suchte und Jamaram mit dem gebürtigen Puerto Ricaner Tom Lugo einen solchen zu bieten haben, waren sie - nach einigem Abwägen - dabei. Als Zweitplatzierte gewannen sie die Zuschauerherzen und verdoppelten über Nacht ihre Ticketverkäufe.

Kein Wunder, dass die Reggae-Polizei Jamaram oft als zu unrein ablehnte. "Wir sind halt Popper", sagt Wharton. "Eigentlich müssten wir unser eigenes Festival machen", fällt ihm ein, 2020 werden sie 20. Sie denken an ein großes Zelt bei Weßling für 3000 Leute, Bayern-Ur-Rastafari Hans Söllner hätten sie gerne als Co-Headliner, "aber eigentlich sind wir zu spät dran mit der Organisation". Erst mal nimmt das "Spaceship Jamaram" Kurs auf die Clubs und Hallen des Landes.

Einige Songs sitzen live schon prima, gerade die, die nicht in den Songwriterteams, sondern beim Jammen mit allen entstanden sind. "What Tomorrow Brings" etwa. "Judas!", zitieren Alberti und Beblo da unisono einen Ausruf aus der Roots-Nummer und recken die Fäuste. Darin kommen einige Bibelsprüche vor, "an eye for an eye, a tooth for a tooth, that's the truth you seek" etwa, weil Tom Lugo gerne mit Sprichwörten spiele. "Aber im Grunde", sagt Wharton, "sind wir Agnostiker." Und nicht unpolitisch. In dem Stück hinterfragen sie das westliche System, warum so wenige so viel Macht hätten und es "dann verkacken".

Viele neue Texte von Jamaram, die seit Jahren durch die Welt reisen und Kulturprojekte von Kenia bis Uganda und jüngst in Kolumbien angezettelt haben, sind gesellschaftskritisch. "Wir haben jetzt zusammen elf Kinder", asgt Alberti, "da machst du dir automatisch Gedanken." Wem das Leben, die Liebe und der selbst produzierte Windelmüllberg Kopfschmerzen bereiten, dem bieten Jamaram wie im Stück "Step In To My World" eine Mitfahrgelegenheit zu ihrem Hippie-Kosmos an: Zu Hause ist da, wo Jamaram sind.

Jamaram; Freitag, 5. April, 20 Uhr, Mühldorf, Haberkasten; Samstag, 6. April, 20 Uhr, Backstage

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: