Ein Mann kommt auf die Bühne, groß, schwarze Locken. Er trägt eine Tasche in der Hand. Man könnte meinen, darin befände sich ein kleiner Laptop. Aber nein, es ist Teil seines Herzens. Ein Schlauch geht von der Tasche unters Hemd, zu seinem Bauch. Darin ist eine Pumpe, die für Thomas Krauß sein Blut pumpt. In der Tasche ist die Steuerung dafür. Ohne diese Vorrichtung würde er sterben. Krauß lebt seit fast sieben Jahren dank Kunstherz.
Es ist einer der Höhepunkte dieses Donnerstagabends in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität, beim Jahresempfang des Universitätsklinikums, als der Ärztliche Direktor Markus M. Lerch den Transplantationspatienten Thomas Krauß einlädt, dem Publikum von seinen Erfahrungen zu berichten. Als Krauß erzählt, mit sanftem Allgäuer Dialekt, dass er mit seinem Kunstherz bereits beim Organspendenlauf fünf Kilometer gelaufen ist. Als er überhaupt ganz normal und rosig dasitzt und lächelt und so viel Kraft und Lebensenergie ausstrahlt.

Aber auch, als er erzählt, dass er vor dem Einsatz des Kunstherzes mit knapp 40 Jahren auf der Intensivstation lag und dachte, dass er sterben wird. Er hofft immer noch auf ein Spenderherz von einem Menschen. „Es wäre schön, nicht nochmal dreimal fast sterben zu müssen, bis das Organ kommt“, sagt er. Die bittere Ironie: Solange es Thomas Krauß gesundheitlich so gut geht wie jetzt mit seinem technischen Ersatzherz, steht er ganz weit unten auf der Transplantationsliste. Denn besonders Spenderherzen gibt es so wenige in Deutschland, dass priorisiert werden muss, nach Schwere des Zustands.
Nachhaltig ist das nicht. Wenn man den Begriff Nachhaltigkeit sehr weit fasst und auch den Erhalt von Menschenleben dazuzählt. Der Jahresempfang steht unter diesem Oberbegriff.
Direktor Markus Lerch ist der charmante Showmaster des Abends. Er streift locker die Bühne auf und ab, spricht amüsiert und amüsant ins Mikrofon, überrascht seine Podiumsgäste mit raffinierten Buchgeschenken. Zum Ende präsentiert er stolz den „LMU-Wein“. Er habe lange nach einem Weg gesucht, wie ein guter Wein, der qua Anspruch nicht aus Bayern kommen könne, trotzdem zu LMU-Wein deklariert werden könne. Und er fand diesen Weg: Der LMU-Oberarzt und laut Lerch beste Schulterorthopäde in München, Tobias Helfen, besitzt nämlich eigene Weinberge an Mosel und Saar. Prompt war der LMU-Wein gefunden und in grüne Geschenktüten verpackt, um sie diversen Würdenträgern und Organisatoren des Abends zu überreichen. Am eindrücklichsten ist dabei Lerchs stolzes Lachen. Auch so ein Moment, der nachhaltig nachwirkt.

Der Nachhaltigkeit im herkömmlicheren Sinne widmete sich vorher Markus Zendler. Der Kaufmännische Direktor des LMU-Klinikums hat sich solide vorbereitet und den langsam immer hungriger und durstiger werdenden Gästen eine saftige Powerpoint-Präsentation vorgelegt. Darin erfährt man, dass das Klinikum eigene Kraftwerke betreibt, dass es weitere Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern seiner Gebäude plant, dass es seit 2016 den eigenen CO2-Ausstoß halbiert und ein System aus sechs verschiedenen Mülltonnen etabliert hat.
Zuvor hat der Vorstandsvorsitzende der Charité in Berlin, Heyo K. Kroemer, in einem hervorragend formulierten, aber etwas zu leise vorgelesenen Vortag versucht, das System Uniklinik an sich hochleben zu lassen - und dabei mal eben die desaströse geopolitische Weltlage gestreift. Der scheidende Universitätspräsident Bernd Huber beendete seine Ansprache immerhin mit einer optimistischen Note: „Ich bin überzeugt, es geht weiter in die Zukunft.“
Und irgendwann ist es dann soweit: Nach fast zwei Stunden spricht die erste Frau auf der Bühne. Die geistreiche Camilla Rothe, stellvertretende Leiterin des Tropeninstituts am LMU-Klinikum, erzählt von Ebola und dem Mpox-Virus, von viereinhalb Jahren in Malawi, von der Tigermücke und anderen Skurrilitäten - könnte ja alles im Zuge des Klimawandels hier auch wichtig werden. Man würde ihr gerne noch etwas mehr zuhören, doch der Abend nähert sich den Häppchen.
Rothe aber macht noch kurz vor Schluss den besten Witz, den man in so einem Männerhaufen aus lauter Markussen, Martins und Bernds machen kann. Sie schenkt ihrem Oberchef ihr eigenes Buch. „Viel Spaß“, sagt sie. Und geht von der Bühne ab.

