175 Jahre Münchner Liedertafel:Aus voller Brust, mit vollem Herzen

Der Männerchor Münchner Liedertafel feiert 175. Geburtstag. Der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy soll bei den sangesfreudigen Herren mitgewirkt haben, ebenso Ferdinand von Miller. Richard Wagner hat sie dirigiert

Von Franziska Gerlach, Au

Wie die Fäden eines Marionettentheaters zieht er die Stimmen, streckt den Arm nach dem ersten Tenor aus, dem zweiten, dem Bass. Und die Männer lassen sich leiten von Max Eberl, die Münder weit geöffnet singen sie das Ave Maria. Der Chor findet die feine Balance im Stück, die seinem Leiter so wichtig ist. Warm und weich erfüllt der Gesang der Münchener Liedertafel den Pfarrsaal von Mariahilf, wo die Männer jeden Dienstag proben, umhüllt den Zuhörer wie eine Jacke zum Schutz vor dem Regen, der draußen niederprasselt.

Dann greift Chorleiter Eberl in die Tasten eines Klaviers, die Wände werfen nun eine fröhliche Melodie zurück, jedes Wort vom Text des "Jägerchors" aus Webers Freischütz versteht man, und als ein Sänger eine Silbe falsch betont, geht es von vorne los - immerhin ist es die letzte Probe vor dem großen Auftritt. An diesem Freitag, 9. Oktober, feiert die Münchener Liedertafel, einer der ältesten Männerchöre Bayerns, 175. Geburtstag. Für das Jubiläumskonzert, bei dem auch der Frauenchor der Stadtsing- und Musikschule Kolbermoor und die Spielmusik Hans Lederwascher auftreten werden, haben die 38 Sänger ein abwechslungsreiches Programm eingeübt: Dieses beinhaltet das Ave Maria ebenso wie den Zigeunerchor aus Verdis Oper "Der Troubadour", Interpretationen von Udo Jürgens` "Ich war noch niemals in New York" oder Gavin Sutherlands "I am Sailing".

175 Jahre Münchner Liedertafel: Warm und weich erfüllt der Gesang der Münchener Liedertafel den Pfarrsaal von Mariahilf.

Warm und weich erfüllt der Gesang der Münchener Liedertafel den Pfarrsaal von Mariahilf.

(Foto: Robert Haas)

Am 9. Oktober 1840 gründeten 24 Männer die Münchener Liedertafel, und mit Konrad Max Kunz, dem Komponisten der Bayernhymne, hat Eberl einen prominenten Vorgänger als Chorleiter. Überhaupt finden sich unter den Mitgliedern, die sich dem Männerchor im Laufe der Jahre anschließen sollten, einige vertraute Namen - der Bildhauer Ludwig Michael von Schwanthaler oder Ferdinand von Miller zum Beispiel, der Schöpfer der Bavaria. Und auch der bekannte Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy soll bei den sangesfreudigen Herren mitgewirkt haben. Die Darbietungen des Chores jedenfalls waren zuweilen im wahrsten Sinne des Wortes königlich. Als im Spätsommer 1845 Ludwig II. das Licht der Welt erblickte, sangen die Herren auf der Theresienwiese, 1864 dirigierte Richard Wagner die Münchner Liedertafel zu "Steuermann, lass die Wacht" aus seiner Oper "Der fliegende Holländer". 1957 dann ein weiteres historisches Ereignis: Der damalige Bundespräsident Theodor Heuss verleiht dem Chor die Zelter-Plakette, eine von ihm gestiftete Auszeichnung, weil sich die Münchner seit mehr als 100 Jahren der Pflege des Gesangs verdient gemacht haben.

Noch heute ist die Münchener Liedertafel viel unterwegs. 2000 reiste der Chor nach Rom, um in der Sixtinischen Kapelle zu singen. Fünf Jahre später standen die Herren auf der Zugspitze, aber auch nach Zürich oder Thüringen unternahmen sie bereits Konzertreisen. Erhard Johannsen ist allerdings ein Auftritt in der Wieskirche besonders im Gedächtnis geblieben. Als er auf der Orgelempore so nahe an den Kuppelfresken der zum Weltkulturerbe erklärten Wallfahrtskirche singen durfte, sei das einfach "wunderbar" gewesen. Seit zehn Jahren singt der 72 Jahre alte Johannsen nun schon bei der Münchener Liedertafel, dabei hatte er sich das anfangs gar nicht zu-getraut, wie er schmunzelnd verrät. "Aber ein Freund und meine Frau haben mich gedrängt."

175 Jahre Münchner Liedertafel: Max Eberl sorgt dafür, dass der Chor die feine Balance im Ave Maria findet. Diese ist ihm sehr wichtig.

Max Eberl sorgt dafür, dass der Chor die feine Balance im Ave Maria findet. Diese ist ihm sehr wichtig.

(Foto: Robert Haas)

Heute sind alle Zweifel gewichen. Besonders schätze er die Vielfalt des Repertoires, das geistliche Lieder umfasse, aber auch moderne, sagt er, auf Englisch, Latein, Italienisch und sogar auf Russisch hätten sie schon gesungen. Seine Freude am Gesang teilt er mit Lukas Kallup, der 50 Jahre jünger ist. Er singe von klein auf, sagt der BWL-Student, das sei einfach ein guter Ausgleich. An der Liedertafel schätzt er vor allem den ungezwungenen, freundschaftlichen Umgang der Chormitglieder untereinander. Man helfe sich beim Umzug oder der Wohnungssuche. "Das ist eine gute, lockere Gemeinschaft", sagt er.

Tatsächlich wird in den kurzen Pausen, die Eberl seinen Sängern gönnt, viel gelacht. Und damit sie vor Verdis wohl bekanntestem Stück aus "Nabucco" wieder zu einer entsprechenden Ernsthaftigkeit zurückfinden, mahnt der Chorleiter sicherheitshalber an: "Bitte denkt daran, das sind Gefangene!" Dann singen die Herren der Münchener Liedertafel wieder. Allerdings nicht wie Gefangene, sondern wie Menschen, die mit voller Brust und vollem Herzen einer Leidenschaft nachgehen.

Das Festkonzert des Männerchors Münchener Liedertafel 1840, beginnt am 9. Oktober im Alten Rathaussaal am Marienplatz, um 19.30 Uhr. Der Eintritt kostet 15 Euro. Kartenverkauf ist eine Stunde vorher an der Abendkasse. Kartenbestellung ist möglich unter Telefon 700 26 70 oder 47 77 12.

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