Kritik:"Ahhh" und "Uhhh"

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Jazz-Anthologe am Klavier: Jackie Terrasson. (Foto: TJ Krebs)

Purer Spaß und überbordende Spielfreude: Der französisch-amerikanische Starpianist Jacky Terrasson glänzt in der Unterfahrt als Alleskönner.

Von Oliver Hochkeppel, München

Mit "My Funny Valentine" begann Jacky Terrasson den Abend in der Unterfahrt. Aber man brauchte schon seine Ansage, um das Stück tatsächlich erkennen zu können. Denn der französisch-amerikanische Starpianist hatte aus dem Jazz-Standard eine Anthologie des Jazzklaviers gemacht: von minimalistisch-melancholischer Chromatik, swingendem Blues und rasant boppigen Oscar-Peterson-Läufen bis zu perkussiven Ausbrüchen, Garneresken Latin-Passagen oder einem Beatles-Zitat. Die Melodien gerne mitgesungen oder -gebrummt und harte Akkorde oder Wechsel von "Ahhh" und "Uhhh" eingeleitet. Der Alleskönner an den Tasten wollte sich ganz offensichtlich nicht auf ein Programm, ein Thema oder eine stilistische Vorgabe beschränken lassen, sondern nur eines: Spaß haben. Mit allem, was ihm zur Verfügung steht.

Man könnte jetzt wieder das alte, seit der Hoch-Klassik eingeführte Klischee vom deutschen Ernst und der französischen Leichtigkeit bemühen. So übertrieben das wäre, ganz lässt sich nicht übersehen, dass Terrassons überbordende Spielfreude diese bildhafte, chansoneske, französische Michel-Legrand-Komponente enthält, die bei deutschen (und auf diese Art selbst bei amerikanischen) Kollegen eher selten ist. Allerdings funktioniert diese humorvolle Lässigkeit auch bei ihm natürlich nur in Kombination mit mühevoll angeeigneter Technik und diszipliniertem Formbewusstsein. Ein schweißtreibender Spaß also, wie man sehen konnte.

Streng genommen auch die nachgeholte Präsentation seines aktuellen Albums "53". Doch Terrasson spielte nur ein Stück davon, seine Ahmad-Jamal-Hommage "The Call". Lieber bediente er sich bei der halben Jazzgeschichte, schraubte fast nahtlos "Over The Rainbow" mit "A Night in Tunesia", Chaplins "Smile" oder Michael Jackson zusammen. Stets in verblüffenden Variationen und mit überraschenden Volten, bis hin zu einem wundervoll reduzierten "Soweto" von Abdullah Ibrahim in der Zugabe. Ein Bad in allen Klängen, die ein Flügel hergibt. So lustvoll, dass es sich spielerisch auf seine aufmerksamen Begleiter, Bassist Géraud Portal und Lukmil Perez am Schlagzeug, übertrug. Und erst recht aufs begeisterte Publikum.

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