Umstrittenes Gremium:Wie viel Transparenz braucht die Israelitische Kultusgemeinde?

Umstrittenes Gremium: Vor verschlossenen Türen: In der Israelitischen Kultusgemeinde wird seit Monaten eine Debatte um mehr Transparenz geführt - bislang ohne konkrete Fortschritte.

Vor verschlossenen Türen: In der Israelitischen Kultusgemeinde wird seit Monaten eine Debatte um mehr Transparenz geführt - bislang ohne konkrete Fortschritte.

(Foto: mauritius Images)
  • Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern streitet darüber, wie viel Transparenz gut ist.
  • Der frühere Vizepräsident Michael Fischbaum fordert einen unabhängigen Rat, der den Vorstand bei Bedarf kontrollieren kann.
  • Die Umsetzung gestaltet sich aber zäh.

Von Stephan Handel und Jakob Wetzel

Wie viel Transparenz ist nötig? Wie viel ist gut? Wie viel ist zu viel? Und gilt das, was von Politik und Verwaltung verlangt wird, auch für den Vorstand einer Religionsgemeinschaft? Gelten Transparenz-Regeln nur nach innen, also für deren Mitglieder, oder auch nach außen, also für die Öffentlichkeit? Über diese Fragen diskutiert die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) seit bald einem Jahr.

Dass in der Gemeinde Fragen nach der Arbeit des Vorstands gestellt werden, wurde im Sommer 2018 öffentlich - durch eine Verhandlung vor dem Münchner Landgericht. Der Vorstand hatte seinen früheren Vizepräsidenten Michael Fischbaum auf Unterlassung verklagt, weil der in einem Facebook-Post einen Vorgang beschrieben hatte, den der Vorstand als intern einstufte: Ein IKG-Mitglied war aus der Gemeinde ausgetreten und hatte kurz darauf sein Unternehmen verkauft - auf den erzielten Erlös musste er so keine Bekenntnissteuer zahlen, das Pendant zur Kirchensteuer der christlichen Konfessionen. Wenig später aber wurde er wieder in die Gemeinde aufgenommen, nachdem er sich mit dem Präsidium auf die Zahlung einer siebenstelligen Summe geeinigt hatte.

Fischbaum stellte auf Facebook Fragen dazu, wurde verklagt - aber bekam vor Gericht Recht: Die Richter werteten seinen Post als "zulässige Meinungsäußerung", für die er eine "ausreichend tragfähige Tatsachengrundlage" gehabt habe. Seitdem ist der Ex-Vizepräsident einer der hartnäckigsten Verfechter eines sogenannten Transparenzrates: Er will ein Gremium in der Kultusgemeinde schaffen, das eingeschaltet werden könne, wenn es Fragen gibt. Ihm schwebt ein Rat vor, der eigene Befugnisse hat, der unabhängig vom Vorstand ist und diesen im Bedarfsfall kontrollieren kann.

Seitdem schwelt der Konflikt. Denn der Vorstand betont zwar, Transparenz sei auch in seinem Sinne. Fischbaum aber blitzte mit seinem Vorschlag ab. Ein solches Gremium sei in der Satzung nicht vorgesehen, wurde ihm schlicht beschieden. Fischbaum beschloss daraufhin, bei der nächsten Mitgliederversammlung am 16. Dezember 2018 einen entsprechenden Antrag zu stellen. Doch abgestimmt haben die Gemeindemitglieder nicht.

Drei Tage vor der Versammlung erhielt Fischbaum einen Brief, den IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch an alle Gemeindemitglieder verschickt hatte. Erstaunt las er darin, der Vorstand wolle mitnichten einen Transparenzrat verhindern: Vielmehr "(...) kann ich Ihnen versichern", schreibt Knobloch, "dass der Vorstand hierzu zu keinem Zeitpunkt gefragt wurde und sich daher auch niemals negativ geäußert hat". Der Vorschlag war aber schon im Prozess vor dem Landgericht zur Sprache gekommen und damit zumindest gerichtsöffentlich geworden. Zudem hatte Knobloch am 12. November, also einen Monat vor der Mitgliederversammlung, an Fischbaum persönlich geschrieben: "Zu Ihrem Thema einer 'Transparenzkommission' möchte ich Sie darüber informieren, dass das von Ihnen gewünschte Gremium in unserer Satzung nicht vorgesehen ist."

Als Unwahrheit möchten Charlotte Knobloch und ihre Vorstandskollegen die Aussage in dem Gemeindebrief aber nicht sehen: Sie stellen sich auf den Standpunkt, es habe nie eine offizielle Anfrage an den Vorstand gegeben, weshalb das Thema nie offiziell auf seiner Tagesordnung gestanden habe. So habe sie das gemeint.

In jedem Fall zeigte der Brief Wirkung. Es gehe darum, eine Spaltung der Gemeinde zu verhindern, hatte Knobloch geschrieben. Als Fischbaum bei der Mitgliederversammlung merkte, dass die Stimmung ihm gegenüber feindlich war, ging er. Weil er seinen Antrag persönlich hätte vortragen müssen, wurde dieser nicht zur Abstimmung gestellt.

Fischbaum war bis 2016 selbst Vizepräsident der IKG. Dann wurde der Vorstand neu gewählt; am erfolgreichsten war hierbei das "Team Knobloch", eine Gruppe um die langjährige Präsidentin Charlotte Knobloch, die sich selbst so benannt hatte. Auf die 15 Vorstandsposten wurden 13 Mitglieder aus diesem Team gewählt. Fischbaum war in einer anderen Liste angetreten und schied aus dem Vorstand aus.

Dass der Vorstand mit einer deutlichen Mehrheit ihrer Getreuen besetzt ist, mache die Arbeit dort "weder einfacher noch schwerer", sagt Charlotte Knobloch. Es scheint aber zumindest ein neuer Ton den Gemeindemitgliedern gegenüber Einzug gehalten zu haben. Bei den Recherchen zum Transparenzrat stieß die Süddeutsche Zeitung bei prominenten Mitgliedern oft auf resigniertes Abwinken oder auf die Bitte, keinesfalls mit Namen genannt zu werden. Weniger bekannte Angehörige der IKG wollten gar nicht reden, mit der Begründung, sie fürchteten um ihren Arbeitsplatz oder ihren Platz im jüdischen Altersheim.

Fischbaum aber lässt nicht locker, er besteht auf einem Gespräch mit der Vorstandschaft. Im Januar 2019 gibt es einen Termin, kurz vorher jedoch wird ihm mitgeteilt, da es um IKG-interne Angelegenheiten gehe, seien nur Mitglieder zugelassen. Das bedeutet, dass Fischbaum nicht wie geplant seine Anwälte aus der Hamburger Kanzlei Prinz mitbringen kann, mit denen er nach eigenen Angaben bereits an der Idee eines Transparenzrats gefeilt hat. "Ich alleine 15 Vorstandsmitgliedern gegenüber - das tu ich mir nicht an", meint er und sagt ab.

Sechs Wochen später gibt es einen neuen Termin für ein Gespräch; wenige Tage zuvor aber vollzieht der Vorstand der Gemeinde ein ähnliches Manöver: Er erklärt das vereinbarte Treffen zur Gemeindeversammlung, zu der "ausschließlich Gemeindemitglieder und Rabbiner" zugelassen sind. Knobloch rät Fischbaum noch, er solle doch IKG-Mitglieder zu seinen Beratern machen. Er verzichtet. Die Versammlung am 9. April findet ohne ihn statt. Zu diesem "Runden Tisch zum Thema Transparenz" im Gemeindezentrum am St.-Jakobs-Platz kommen etwa 50 Mitglieder, und Vorstandsmitglied Peter Guttmann sagt, alle seien sich einig gewesen, die Idee eines Transparenzrats weiter zu verfolgen, eine notwendige Satzungsänderung vernünftig vorzubereiten und sie dann bei der nächsten Mitgliederversammlung zur Abstimmung zu stellen. Es gäbe, das ist nicht nur Michael Fischbaums Meinung, einige Themen, mit denen sich das Gremium dann gleich beschäftigen könne.

In keinem dieser Fälle geht es um konkrete Vorwürfe illegaler Vorgänge - es geht vor allem darum, wie der Vorstand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts seine Mitglieder informiert, und ob ein unabhängiges Kontrollgremium nicht dazu beitragen könnte, Vertrauen wiederherzustellen. Zum Beispiel beim Bau des neuen jüdischen Altenheimes im Prinz-Eugen-Park. 42 Millionen Euro investiert die IKG dort, und sie engagierte dafür unter anderem die Architektin und Stadtplanerin Rena Wandel-Hoefer, die auch schon am Entwurf des Jüdischen Zentrums am Jakobsplatz beteiligt war. Für jenes Ensemble aus Gemeindezentrum, Synagoge und Jüdischem Museum wurde sie weltweit gerühmt.

Allerdings führte die IKG später einen Prozess gegen sie aufgrund von Baumängeln. Das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Mai 2014 (AZ: 11 O 21443/13) spricht explizit von "fehlerhafter Planung". Wandel-Hoefer wurde zusammen mit anderen Beteiligten verurteilt, insgesamt rund 450 000 Euro zu bezahlen, wenige Tage später berichtete in der Sitzung des IKG-Vorstands das damalige Mitglied Maurice Brodski, es sei bald mit dem Eingang des Geldes zu rechnen. Manche Gemeindemitglieder finden es merkwürdig, dass eine Architektin, die einen solchen Schaden verursacht habe, erneut einen Auftrag erhalte. Der Vorstand erklärt dazu, die Architektin habe Pionierarbeit geleistet, und das auf hervorragende Weise, deshalb habe man sie jetzt erneut als Beraterin engagiert. Das Bauvolumen für das Jüdische Zentrum habe bei 57 Millionen Euro gelegen - und die 450 000 Euro seien der "größte Einzelschaden" gewesen.

Fragen gibt es auch zum Beispiel zur Verwendung von 100 000 Euro, die der IKG in einer Spende "für die politische Arbeit der IKG" zugeflossen sind. Der Großteil davon wurde verwendet für die Erstellung einer Ausstellung zum 70. Jahrestag der Gründung des Staates Israel, hat der Vorstand mittlerweile erklärt. Die Ausstellung und ihre Verbreitung wird vom Verein "Dein e.V." organisiert - und dessen Vorsitzender ist IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel. Interessenskonflikte sieht der Vorstand darin nicht. Der Verein sei vielmehr erst später und zu diesem Zweck gegründet worden.

Die nächste Mitgliederversammlung findet Ende des Jahres statt. Dann wird sich zeigen, ob der Vorstand tatsächlich ein Transparenzgremium in der Satzung verankern will. Und ob es geeignet sein wird, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.

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