Die Ispo – war das nicht die Messe, wo es die neuen Skier und Joggingschuhe mit irgendwie dämpfender Sohle zu bestaunen gab? Ja, das war sie mal. Dass sich seit den Anfängen in den 1970er-Jahren einiges geändert hat, sieht man schon an der Mittagspause des erstmals veranstalteten Media Days. Neben Cappuccino und Butterbrezn wird eine „Active Recovery Session“ auf der Blackroll angeboten. Nur eine Viertelstunde, aber immerhin. Ein älterer Herr fasst die für einige eher ungewohnten Dehn-Übungen gut zusammen: „Puh.“ Auch die Ansprache ist anders. Wer sich auf der Ispo-Homepage einen Überblick verschaffen mag, dem schallt Folgendes entgegen: „Na, bereit für drei Tage Party, Community und Festival Feeling, gepaart mit den neuesten Produkten und den heißesten Trends? Damit du deinen Messebesuch so richtig rockst, ist hier unser How to Ispo Munich für dich.“
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist die Ispo laut Selbstverständnis „das globale Ökosystem für Trends, Innovationen und Business im Sport und alles, was damit in Verbindung steht, um die globale Evolution des Sports voranzutreiben“. Man sieht sich als „Fachmesse und Business-Festival“, als „einzigartige Bühne für die Sport-, Lifestyle-, Health- und Tech-Industrie und als weltweit größter cross-industrieller Branchentreff“, gebe Innovationen und Trends Reichweite, biete Orientierung in komplexen Märkten und gestalte die Zukunft von Sport, Lifestyle, Health und Sportstech, heißt es. Und gerade die beiden letztgenannten Aspekte werden bis Donnerstag eine große Rolle spielen.
Um Wintersport (Halle A1) und Laufschuhe (A2) wird es schon auch noch gehen, auch um Textiltrends (A3), Sports- und Streetwear (B1), aber die Zukunft des Sports spielt womöglich in den Hallen B2 und B3. In Letzterer heißt das Oberthema Leisure, Health & Fitness, dazu gleich noch ein paar Zahlen und Fakten. Wirklich nach vorne geschaut wird in Halle B2, im sogenannten Future Lab. Hier tauchen Firmennamen wie Samsung auf, hier weiß man von der Kooperation von Meta mit Puma, hier hat sich die Zahl der Aussteller im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, auf 35. Weil man wohl nur so das Publikum von morgen erreicht. Laut dem deutschen Game-Verband spielen sechs von zehn Deutschen Computer- und Videospiele. 2023 betrug das Durchschnittsalter 38,2 Jahre, was einen Anstieg gegenüber den Vorjahren bedeutet und auch darauf zurückzuführen ist, dass viele Gamer aus den 80er- und 90er-Jahren der Online-Spielerei treu geblieben sind.
Dass die Jungen zu viel vor dem Bildschirm hängen, ist eine Binse. Die Zahlen dazu: Laut der JIM-Studie 2023 nutzen Zwölf bis 19-Jährige durchschnittlich 3,7 Stunden täglich das Internet. Noch schlimmer sieht es in den USA, wo es gar sieben Stunden und 22 Minuten sind. Also nix wie hin zum Markt! Auf der Ispo heißt das Zauberwort „Exergaming“, ein Kofferwort aus „Exercise“ für Übung und „Gaming“. Es geht um Computerspiele, die zu körperlichen Bewegungen und Reaktionen auffordern. Zum Beispiel das der südkoreanischen Firma Didim, einer Augmented Reality Indoor Exercise Platform. Klingt schlimm, ist aber eine so lustige wie für Kopf und Körper gleichermaßen anspruchsvolle digitale Spielwiese. Auf einem 4,5 mal 2,5 Meter großen Feld am Boden gilt es Aufgaben aus den Bereichen Fitness (Hampelmann-Springen), Gehirn (Rechenaufgaben, Primzahlen finden) sowie Spiele („Schütze den Schmetterling“, „Meistern Sie 100 Treppen“). Ein Angebot, das in Schulen, Fitnesscentern und bei Vereinen sicher prima ankommen wird. Auch wenn es ohne Gamification offenbar nicht mehr geht: Hauptsache Bewegung!
Daran mangelt es ja weltweit, wie Emma Zwiebler, CEO der World Federation of the Sporting Goods Industry, in einem Vortrag verdeutlicht: 28 Prozent der Erwachsenen weltweit und 81 Prozent der elf bis 17-Jährigen gelten laut einer Studie der World Health Organisation als physisch so inaktiv, dass sie ihre Gesundheit nicht zu erhalten vermögen. Bis 2030 werden wohl noch 500 Millionen zu den jetzt schon 1,8 Milliarden Inaktiven hinzukommen, was nicht nur die Gesundheitssysteme, sondern auch die Wirtschaft trifft: Der Schaden wird auf 300 Milliarden Dollar geschätzt – „eine große Gelegenheit für die Industrie“, findet Zwiebler.
Die Industrie: Hat für die Ispo natürlich die neuesten Gadgets mitgebracht, von denen 80 mit dem Ispo Award ausgezeichnet und in Halle B1 ausgestellt werden. Besucher können dort eine nur aus Stoffresten fabrizierte Jacke begutachten, über eine selbstaufblasende Kinder-Schwimmweste staunen und sich wundern, dass eine in der Wildnis verlorene Daunenjacke sich nach fünf Jahren in nichts auflöst. Wobei doch jeder weiß, dass die nachhaltigste Jacke die ist, die gar nicht erst gekauft wird.