Islam-Zentrum Ziem in München:Enttäuschung überall

Freitagsgebet in Moschee in Penzberg, 2005

Imam Benjamin Idriz beim Freitagsgebet in der Moschee in Penzberg. Idriz ist der Initiator des Ziem in München.

(Foto: WOR)

Nichts geht voran beim geplanten Islam-Zentrum Ziem: Oberbürgermeister Christian Ude reagiert gereizt - und gibt Initiator Benjamin Idriz die Schuld. Der Imam aus Penzberg macht dagegen die Stadt verantwortlich. Die anstehenden Wahlen könnten diesen Stillstand über Monate zementieren.

Von Bernd Kastner

Seit Jahren geht kaum etwas voran beim Moschee-Projekt Ziem. Obwohl das Vorhaben des Penzberger Imam Benjamin Idriz seit 2007 diskutiert wird, ist weiter unklar, wann und wo München ein repräsentatives muslimisches Gotteshaus bekommt. Die Stagnation sorgt inzwischen für Enttäuschung und Verdruss, im Rathaus wie bei den Initiatoren.

Weder gibt es eine Finanzierung, noch ein Grundstück, Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und Idriz machen sich gegenseitig für die Blockade verantwortlich. Jeder fordert vom anderen den ersten Schritt.

Ude, von Anfang an Unterstützer des Projekts, reagiert gereizt: "Es geht wenig voran, weil Herr Idriz keine Frage beantworten kann." Unklar sei noch immer, welchen konkreten Flächen- und Raumbedarf es gebe, und wie das Zentrum finanziert werde. Während der lange diskutierte mögliche Standort in der Herzog-Wilhelm-Straße in der Nähe des Stachus keine Mehrheit im Stadtrat hat, ist als Alternative weiterhin ein Grundstück im künftigen Kreativquartier an der Dachauer Straße im Gespräch. Als möglicher Finanzier des Baus gilt der Golfstaat Katar, benötigt wird ein zweistelliger Millionenbetrag.

Der OB kritisiert die - für ihn unzureichende - Kommunikation des Imam: "Er spricht nie über Geld." Bisher sei noch kein Euro an Förderung sicher. Niemand verlange, dass Idriz alles Geld auf den Tisch lege, aber vage Äußerungen aus Katar, das Projekt mit Sympathie zu begleiten, genügten nicht, um in Grundstücksverhandlungen zu treten. "Man muss so ein Projekt glaubwürdig darlegen."

Indirekt wirft Ude dem Imam vor, über Jahre mehr geredet als gehandelt zu haben. In anderen Städten seien Moscheen bis zum Baubeginn reibungslos im Hintergrund geplant worden. Idriz jedoch habe einen "wahnsinnig überzogenen Anspruch". Neben der Moschee sollen nach den Ziem-Vorstellungen ein Gemeindezentrum, eine Islam-Akademie mit Imam-Ausbildung, ein Museum und eine Bibliothek entstehen.

Probleme sieht Ude bereits im Namen Ziem; dieser steht für "Zentrum für Islam in Europa - München". Das werde nicht nur von Islamfeinden instrumentalisiert, das wecke auch in der breiten Bevölkerung Ängste, dass in München ein muslimisches Zentrum für ganz Europa entstehen solle.

Ude räumt seine "Gereiztheit" selbst ein - "weil ich das Projekt ja will". Er halte Idriz für einen "klugen und vernünftigen Mann" und das Konzept inhaltlich für "perfekt". Der Imam dürfe aber nicht von der Stadt verlangen, dass sie seine Aufgaben erledige. Im Rathaus nehme die Ratlosigkeit ob des Stillstands zu: "Die Enttäuschung greift um sich", beschreibt Ude die Stimmung. "Immer mehr Stadträte fragen sich: Wofür halten wir den Kopf hin? Wir wissen ja nichts." Damit spielt der OB auf die ihm fehlenden Informationen und die Anti-Moschee-Kampagne extremistischer Islamfeinde an.

Ein Bröckeln der Unterstützung befürchtet Ude jedoch nicht: "Es gibt kein politisches Problem im Stadtrat." Er hoffe weiter auf ein Gelingen des Vorhabens. Die Erfahrung anderer Städte zeige, dass der Protest gegen eine Moschee verstumme, sobald die Bagger anrückten.

Vor einem Jahr fast am Ziel

Benjamin Idriz reagiert überrascht auf die Kritik. "Wenn es nicht vorangeht, dann sind wir daran nicht schuld", erklärt der aus Mazedonien stammende Imam, der Vorsitzender des Vereins Ziem ist. Seit dem parteiübergreifenden Beschluss des Stadtrats vor drei Jahren bemühe er sich intensiv um eine Finanzierung, sei mehrfach an den Golf gereist. Vor einem Jahr sei er fast am Ziel gewesen, als der Emir von Katar den Oberbürgermeister eingeladen habe.

Idriz ist überzeugt, dass die Zusage für viele Millionen Euro gekommen wäre, wenn Ude gereist wäre. Der OB schlug die Einladung nach Rücksprache mit dem Ältestenrat des Stadtrats aus; dabei sei sie erst nach Signalen des Rathauses erfolgt, sagt Idriz. Ude begründet das Daheimbleiben mit grundsätzlichen Erwägungen: Solche Einladungen nehme die Stadt nie an, eine Reise auf Kosten des Steuerzahlers sei aber auch nicht möglich; die Stadt sei nicht für die Finanzierung von Bauprojekten von Religionsgemeinschaften zuständig.

Idriz hatte das Nein damals als "unverständlich" kritisiert. Bauherr sei der Verein Ziem, und der lasse sich von keinem Geldgeber ins Konzept reinreden. Die Einladung, ist Idriz noch heute sicher, habe "definitiv" bedeutet, dass der Emir bereit war, das Projekt zu unterstützen, er habe nur die Stadtspitze persönlich kennenlernen wollen. Das Nein Udes wertet Idriz als diplomatischen Fehler, der die potenziellen Geldgeber irritiert habe. Das sei der Grund, dass seither nichts mehr vorangehe. "Wir sind sehr enttäuscht."

Seit drei Jahren gebe es zudem keine klare Aussage und kein konkretes Angebot der Stadt für ein Grundstück, obwohl Ziem die nötigen Unterlagen und Informationen geliefert habe. "Niemand kann sagen, dass wir nichts getan hätten." Idriz versteht den Stadtratsbeschluss von 2010 so, dass die Stadt Ziem unterstützen müsse: "Es ist Aufgabe der Stadt, uns ein Grundstück anzubieten."

Auch Idriz beklagt eine mangelnde Kommunikation, seit Langem habe es kein ausführliches Gespräch mit Ude über das Projekt gegeben. Von der aktuellen Kritik des OB wisse er erst durch die SZ-Recherche. Auch die Überraschung des OB über den Plan, im Moschee-Gebäude Läden einzurichten, erstaunt Idriz. Man habe dem für das Projekt zuständigen Dritten Bürgermeister Hep Monatzeder immer dargelegt, dass sich nur auf diese Weise der Betrieb dauerhaft finanzieren lasse. Idriz betont, man wolle keine x-beliebigen Gewerbemieter, sondern Cafés, Lokale oder Buchläden, also kulturell orientierte Mieter.

Wenn es Bedenken wegen des Namens gebe, beteuert Idriz, sei er gerne zu Änderungen bereit. Ziem strebe keinesfalls ein Zentrum für ganz Europa an, sondern wolle einen Islam leben und lehren, der mit der gesellschaftlichen und politischen Tradition und Ordnung Europas in Einklang stehe.

Unabhängig vom Konflikt zwischen Ude und Idriz könnten die drei bevorstehenden Wahlen den Stillstand bei Ziem über Monate zementieren. So mancher im Rathaus will das Thema Moschee jetzt keinesfalls auf der politischen Agenda. Gerade in der CSU, so hört man, gibt es offenbar Ängste vor einer ablehnenden Reaktion der eigenen Klientel, mancher Sozialdemokrat teilt diese Sorge. Und so würde es nicht wundern, wenn sich die Mehrheit im Stadtrat, obwohl klar pro Ziem eingestellt, ruhig verhält.

Ohne dass dies offen ausgesprochen wird, spielt dabei auch das Anti-Islam-Bürgerbegehren der Gruppe um Michael Stürzenberger eine Rolle. Stürzenberger will nicht nur die Moschee verhindern, sondern auf dem islamfeindlichen Ticket 2014 auch in den Stadtrat gewählt werden.

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