Süddeutsche Zeitung

Isarvorstadt:Verschnaufpause für Anwohner

Anlieger des Roecklplatzes wollen mit einer einstündigen Sperrung der Isartalstraße gegen hohe Abgaswerte vorgehen

Von Julian Raff, Isarvorstadt

Auf den ersten Blick sieht die Gegend um den Roecklplatz nicht nach dicker Luft aus. Der dreieckige kleine Platz zeigt sich im Sommer, für seine Innenstadtlage, üppig grün, ebenso wie die Ostseite der schmalen Isartalstraße, die nicht zu den großen Durchgangsachsen gehört. Das Ausmaß der Feinstaubbelastung konnten Tine Hohenberger und ihre Nachbarn dennoch lange an rußigen Belägen ablesen. Die aktuelle Schadstoffkarte weist das Gebiet nun auch als Stickstoffdioxid-Brennpunkt aus. Mit 50 bis 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ist der Grenzwert von 40 Mikrogramm auch dort deutlich überschritten. Spontan verordnen Hohenberger und andere Anwohner nun sich und vor allem den Autofahrern eine "Verschnaufpause" - wenn sie dürfen, in Form einer Demonstration mit Sperrung der Isartalstraße: Die 350 Meter lange Verbindung zwischen Schäftlarnstraße und Roecklplatz bleibt am Donnerstagabend von 17.30 Uhr an eine Stunde lang dicht - nicht zuletzt auch für alle, die dort jeden Abend von Süden kommend in Richtung Hefner-Alteneck-Straße eilen, in der Hoffnung auf einen der dortigen Parkplätze. Hohenberger, die mit Ehemann und drei Kindern dort wohnt und als Künstlerin im Viertel arbeitet, hat die Aktion erst am Wochenende mit ihren Nachbarn abgesprochen. Schnelle Organisationshilfe leistete Bürger-Aktivist Christian Stupka. Die Anwohnersprecherin betont, es gehe ihr nicht um die Spaltung der Stadtgesellschaft. Sie kann dies auch glaubhaft am eigenen Beispiel vermitteln: Da in der Schäftlarnstraße eine entsprechende Tankstelle liegt, hatte sich die Familie zunächst einen Erdgas-Pkw angeschafft. Nachdem dessen Tank durchgerostet und zum Sicherheitsrisiko geworden war, stieg die Familie vor drei Jahren auf einen VW Diesel, EU-Norm 4, um - wie viele andere im guten Glauben an einen relativ klimafreundlichen Antrieb. Vom innerstädtischen Diesel-Bann hält Hohenberger daher ebenso wenig wie von radikalen Verzichts-Predigten. Bei allem Respekt für Familien, die ohne Auto auskommen, könne man dies realistischerweise nicht von allen Stadtbewohnern verlangen. Sich und ihre Gleichgesinnten sieht Hohenberger als "selbstkritische Autobesitzer". Die politischen Forderungen gehen, in Form größerer Tempo-30-Zonen sowie besserer Radwege und ÖPNV-Angebote, nur teilweise an die städtische Adresse. In erster Linie sieht man in der Isarvorstadt die Autohersteller in der Pflicht, ihre Betrügereien zu korrigieren. In diesem Sinne könne es auch nicht darum gehen, den Autoverkehr dauerhaft aus der Isartalstraße zu verbannen. Vielmehr stehe diese als Beispiel für mindestens 260 andere, ähnlich belastete Münchner Straßen - auch abseits des Mittleren Rings.

Auf die alarmierenden Erkenntnisse reagierte am Dienstag auch der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Er verabschiedete einstimmig einen Dringlichkeitsantrag der Grünen, der schnelle Maßnahmen zur Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte fordert und neben der Isartalstraße 17 weitere betroffene Straßen und Plätze in der Isar- und Ludwigsvorstadt auflistet. Den meisten BA-Mitgliedern erschien die Forderung zwar zu unspezifisch, was aber der Dringlichkeit keinen Abbruch tat, so der Konsens. Das Kreisverwaltungsreferat hat indessen laut Stupka die Genehmigung in Aussicht gestellt, sie aber bis Mittwochabend noch nicht offiziell erteilt. Falls sie die Straße nicht sperren dürfen, wollen sich die Anwohner am Roecklplatz versammeln.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2017
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