Es begann in der Isarphilharmonie mit einer Schweigeminute, um die Managementdirektor Christian Beuke bat angesichts des Jahrestages von Putins Überfall auf die Ukraine und angesichts der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Nordsyrien. Die Musik, die folgte, spiegelte dann verstörend gewissermaßen jene Anlässe wider, obwohl sie doch 120 Jahre früher entstanden ist. In keinem anderen Werk hat Gustav Mahler so harsche, bittere, ja, bösartige Töne angeschlagen wie in der sechsten Symphonie. Der Beiname "Tragische" passt in seiner Gediegenheit überhaupt nicht zum wüsten, wütenden, ironisch-herben und aggressiv verzweifelten Geschehen in dieser aufgewühlten Klangwelt. Dass sie selten gespielt wird, hat mit diesem unversöhnlich Grimmigen zu tun, auch verlangt Mahler dem groß besetzten Orchester alles bis zur Erschöpfung der Kräfte ab, die für vier hochkomplexe Sätze reichen müssen.
Lorenzo Viotti, 32 Jahre jung, und die Münchner Philharmoniker marschierten kompromisslos direkt, aber klanglich gut strukturiert los, dröhnend und drohend. Das sehnsüchtige Gegenthema bekommt seine Chance, muss aber wiederholt dem unbarmherzigen Marschrhythmen weichen. Das Orchester klang bis in den letzten Winkel hinein hoch konzentriert. Das ruppige, Walzer und Ländler verhöhnende Scherzo mit den trocknen Colegno-Attacken setzte Viotti fast attacca an den Kopfsatz. Erst im Andante darf die Musik Traum, Idylle und Wehmut zart beschwören. Dann der brodelnde, gischtende, kochende Finalsatz, dessen zerspellten Anfang Viotti großartig wie die Versammlung finsterer Kräfte ausartikulieren ließ. Die Vernichtungstheatralik der zwei Hammerschläge und die grelle Unversöhnlichkeit des Schlusses - Bravostürme für die tollen Orchestersolisten, den heißblütig agierenden, doch Übersicht bewahrenden Dirigenten und für das leidenschaftlich in symphonischen Geist musizierende, nie den Kopf verlierende Orchester. Mit dieser Sechsten werden die Philharmoniker auch in Paris und Amsterdam grandios bestehen.