Isarboulevard auf Probe:Man darf sich dürfen trauen

Isarboulevard auf Probe: Die Urbanauten haben die Wittelsbacherstrasse anlässlich einer Kunstaktion für ein Wochenende gesperrt.

Die Urbanauten haben die Wittelsbacherstrasse anlässlich einer Kunstaktion für ein Wochenende gesperrt.

Kunst statt Autos: Am Wochenende war die Wittelsbacherstraße für den Verkehr gesperrt. Die Anwohner freunden sich nach anfänglicher Skepsis damit an. Die erste Runde des Isarboulevards war alles in allem ein Erfolg.

Ein Kommentar von Franz Kotteder

Auch in einem säkularisierten München, in dem nur noch ein Drittel Katholiken leben, ist es manchmal gar nicht so verkehrt, auf einen Pfarrer zu hören. "Wo kommen wir denn hin, wenn niemand etwas ausprobiert?", sagte Pfarrer Rainer Maria Schießler bei der Eröffnungsveranstaltung zur Kunstaktion der Urbanauten. Recht hat er. Die erste Runde des Isarboulevards am vergangenen Wochenende war alles in allem ein Erfolg - auch wenn es drum herum zu dem einen oder anderen Stau gekommen ist.

Die ganze Aktion konnte vor allem deshalb überzeugen, weil nichts von dem eingetreten ist, was zuvor befürchtet worden war. Weder war das Viertel vom Rest der Welt abgeschnitten, noch wurde der kurze Abschnitt der Wittelsbacherstraße an der Kirche St. Maximilian zur Feiermeile mit Halligalli und Bierausschank rund um die Uhr.

Manche Münchner denken beim Stichwort Urbanauten ja hauptsächlich an den "Kulturstrand" auf der Corneliusbrücke, der vor allem die weite Auslegung des Begriffs Kultur vor Augen führt. Der Isarboulevard war hingegen genau das: ein Ort zum Flanieren und Verweilen, ruhig und dennoch großstädtisch; belebt, aber nicht überlaufen. An Attraktionen gab es nur ein wenig Kunst, sonst nichts. Allein das ist ja schon wohltuend in einer Stadt, in der die Events sich in ihrer Bedeutung nach der Zahl der Bierbänke, Fressbuden und Musikbühnen bemessen.

Das Wochenende zeigte aber auch wieder einmal: Einfach so isoliert eine Straße zu sperren, bringt nicht viel, weil es dann anderswo Staus gibt. Unmöglich ist es aber nicht. Das glauben nur ganz besonders beharrende Autofahrer. Die haben übrigens schon vor gut 25 Jahren das damals in der Isarvorstadt umgesetzte Verkehrsberuhigungskonzept für ein Werk des Teufels gehalten, das unmittelbar ins Chaos führen würde.

Es kam dann ganz anders, wie man weiß. Die Verkehrsberuhigung hat wesentlich zur Lebensqualität im Viertel beigetragen. Um die zu erhalten, darf man freilich nicht einfach stehenbleiben, sondern muss auch mal ein bisschen weiter denken, über die eigene Wohngegend hinaus. Dann kann's passieren, dass man mal etwas Neues ausprobiert. Oder gar auf einen Pfarrer hört.

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