Die Isar ist reißend, braun und voller Wasser. Was machen in so einer Situation eigentlich die Bewohner des Flusses? Kommen Fische damit klar? Klaus Betlejewski ist Vorstand der Münchner Isarfischer, der 65-Jährige angelt seit 50 Jahren. Ein Gespräch über den schwierigen Zeitpunkt des Hochwassers und wie es sich für Fische anfühlen und vor allem anhören muss.
SZ: Herr Betlejewski, macht den Fischen das Hochwasser etwas aus?
Klaus Betlejewski: Oh ja. So eine Situation ist für die Fische sehr gefährlich, weil mit dem Wasser auch Geröll oder Holz mitkommen. Da werden ja alle möglichen Dinge mit großer Geschwindigkeit durch das Flussbett gejagt. Und wenn solche Gegenstände einen Fisch treffen, kann der verletzt oder auch getötet werden.
Die Tiere können nicht ausweichen?
Nein, da kommt einfach so viel. Fische versuchen dann, generell aus der Gefahrenzone rauszukommen. An der Isar gibt es ja dank der Renaturierung Randbereiche mit flacherem Wasser und weniger Strömung, wo sich Fische in Sicherheit bringen können.
Können das manche Fische besser als andere?
Die Flussfische sind normalerweise ganz gut dazu in der Lage, solchen Gefahren auszuweichen. Entscheidend ist die Größe eines Fisches. Die ausgewachsenen Fische in der Isar sind zwischen 30 und 80 Zentimeter lang. Das sind Barben, Nasen, Eschen oder Forellen und Huchen. Um die ausgewachsenen Tiere mache ich mir weniger Sorgen. Wir haben aber im Moment auch sehr viele Jung- und Brutfische in den Gewässern.
Und die haben es schwerer?
Die Brutfische sind zwischen eineinhalb und zwei Zentimeter groß. Die haben schlicht gar nicht die Kraft, aus der Strömung an ruhigere Stellen zu schwimmen. Die werden verdriftet, die werden vom Wasser also einfach mitgenommen.
Und das passiert sonst nicht?
Im Normalfall halten sich die Jungfische eben an ruhigen Stellen auf, aber da kommt jetzt gerade die Strömung auch hin. Wenn ein Jungfisch dann die Verdriftung überlebt, wir sprechen hier ja von Tieren, die die Dimensionen einer Stecknadel haben, die oft allein durch den Wasserdruck, die Verwirbelungen und Druckunterschiede zu Tode kommen, dann kommt er vielleicht irgendwo hinter Landshut wieder zur Ruhe. So ein Hochwasser ist grundsätzlich sehr gefährlich für Jungfische, da können ganze Jahrgänge ausgelöscht werden. Man merkt das dann oft Jahre später, wenn Jahrgänge bei den Fischen fehlen. Und wenn man dann zurückschaut, sind oft Hochwasser-Ereignisse schuld daran.
Was kann man denn in diesem Moment für die Fische tun?
Leider gar nichts. Aber generell natürlich schon: einfach die Renaturierung der Flüsse vorantreiben.
In München ist die Isar doch renaturiert.
Ja, aber das muss auch im Norden von München noch weitergehen. Grundsätzlich ist die Isar aber in der Hinsicht in einem ganz guten Zustand.
Wie nimmt ein Fisch denn so ein Hochwasser wahr?
Nun, ich bin ja kein Fisch. Aber man weiß, dass das Seitenlinien-Organ für Fische ein besonders wichtiges Sinnesorgan ist. Und das kann man sich als eine Aneinanderreihung von lauter kleinen Ohren vorstellen. Es ist also für Fische vor allem sehr laut, so ein Hochwasser. Ich stelle mir das als ein chaotisches Klang-Inferno vor. Es gibt aber da auch große Unterschiede. Manche Fischarten haben schlechte Augen und orientieren sich vor allem über den Geruchssinn oder das Seitenlinien-Organ. Andere haben sehr gute Augen. Die sind dann aktuell auch sehr beeinträchtigt.
Wenn Fische sich jetzt tagelang irgendwo am Rand eines Gewässers aufhalten müssen, verhungern die dann?
Nein, der Stoffwechsel der Fische ist darauf ausgelegt, dass sie auch längere Zeiten ohne Nahrung gut überstehen können. Die warten dann, wenn sie einen guten Ort gefunden haben, einfach ab, bis die Lage wieder normal ist.