Unzählige Zigarettenkippen und ein großer Haufen Kronkorken fliegen am Ende in den Container beim Deutschen Museum. Auch ein Puppenhaus und abgeschnittene Hosenbeine. Das alles ist nun raus aus der Natur. Ein kaputtes Schlauchboot und defekte E-Roller liegen jetzt ebenfalls nicht mehr in der Isar. Das „Isar-Clean-up“ am Samstagvormittag ist ein Erfolg – so sieht das Anna Zipse, Sprecherin des Münchner Ökoenergieversorger Polarstern, der zum Müllsammeln aufgerufen hatte. „Es ist zwar weniger Müll als im vergangenen Jahr zusammengekommen“, sagt Zipse. Aber das sei ja durchaus erfreulich. „Wir haben ein anderes Ziel erreicht: Leute auf die Sammelaktion aufmerksam zu machen und zu inspirieren.“
Anna Zipse findet Druck und Strafen wenig sinnvoll, besser sei es, ein positives Beispiel zu geben. Auffällig ist der Tross der freiwilligen Müllsammler, der sich am Samstagvormittag an der Isar entlangbewegt, auf jeden Fall; neugierig werden sie von Spaziergängern beobachtet.
Etwa 120 Leute haben sich um kurz nach zehn Uhr unterhalb der Brudermühlbrücke eingefunden, um möglichst viel zu finden, was an der Isar nichts zu suchen hat. Wer keine eigenen Handschuhe mitbringt, kann sich ein passendes Paar aus einer blauen Tasche fischen, auch hölzerne Müllzangen werden verteilt. Sie reichen nicht für alle. „Geht eh viel besser mit den Händen“, ruft einer aus der Menge. „Aber passt gut auf eure Finger auf“, warnt Robin Burkowsky durch das Megaphon. Und bittet darum, Kinder von Glasscherben und Spritzen fernzuhalten. Er trägt ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Wirklich“, daran erkennt man die Mitglieder des Initiatoren-Teams. Seit 2014 ruft die Firma Polarstern zum Abfallklauben auf, unterstützt werden sie heuer wieder von etlichen Firmen und Organisationen wie La Selva, dem Kartoffelkombinat oder Speick Naturkosmetik. Die Bäckerei Neulinger hat Kisten mit Brezen zur Stärkung geschickt.
Die Etappe bis zur Wittelsbacherbrücke ist nicht sehr ertragreich. In den Mülltüten finden sich vor allem Kippen und Kronkorken. Es wird spekuliert, woran das liegen könnte. Vielleicht, weil derzeit an der Isar weniger gefeiert wird? Die Fußball-EM, der viele Regen? Könnte an der Höhe des Grases liegen, das momentan kniehoch steht, meint einer. Und dass er es schon gut fände, wenn die Security-Leute, die auf illegale Feuerstellen achten, auch Anweisungen zur Abfallentsorgung gäben.
Ein anderer, im Alltag Informatiker, hat sich einen der vielen Müllkörbe am Ufers vorgenommen. Geduldig pickt er Glassplitter und Zigarettenreste mit den Händen auf. Er sei zum ersten Mal dabei, sagt er. Dabei ist er nur selten an der Isar, er wohnt in Schwabing, dort kennt er das Müllproblem vom Eisbach. „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich den Dreck auf den Wiesen im Englischen Garten sehe, ich finde das nicht normal“, sagt er.
„Rauchen und Biertrinken an der Isar, das ist schon okay, aber man muss den Müll halt wieder mitnehmen“, sagt Melanie Demirs. Sie ist mit ihrem dreijährigen Sohn dabei. Sie wolle ihn schon früh dazu bringen, auf Umweltschutz zu achten, sagt sie, während ein Zigarettenstummel in ihrer Plastiktüte landet. Auch wenn sie privat unterwegs sei, habe sie immer eine Tüte dabei, um Müll aufzusammeln.
Am Ende der Gruppe läuft Jakob Riedl. Er kennt die Gegend und die Isar seit seiner Kindheit. Müll und Stress entlang des Flusses nehmen immer mehr zu, sagt er. Die exzessive Feierei nervt ihn. Er wünscht sich „einen Appell an die sozialen Grundregeln für ein besseres Miteinander“. Eine Kampagne, um das Bewusstsein der Bürger zu schärfen, damit bald noch weniger Müll entlang der Isar zu finden ist.
Das kollektive Abfallsammeln wird jährlich auch von anderen Gruppen organisiert. Mitglieder der „Isarfischer“ durchkämmten eine Woche vorher die Auen. Angeregt hatte dieses „Ramadama“ am Münchner Stadtfluss laut der Vereinswebseite bereits 1949 der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer. Zu jener Zeit ging es vor allem um Relikte des Zweiten Weltkrieges. Heute ist es die Feierkultur, die missliche Spuren hinterlässt: Einweggrills, Flaschen und kiloweise Kronkorken.
Da erfreut der 20-Euro-Schein, den ein Sammler diesen Samstag auf einer Wiese entdeckt. Er soll gespendet werden, und der schmale Ring und die Perlenkette werden wohl dem Fundbüro übergeben. Vielleicht findet ja beides wieder zurück zu seinen ehemaligen Besitzern.