Isar:Sendlinger proben den Aufstand gegen Griller

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"Unterlassene Hilfeleistung", "rechtsfreier Raum": Anwohnern reißt wegen des nächtlichen Betriebs in den Isarauen der Geduldsfaden. Die Stadt soll jetzt endlich handeln.

Von Jutta Czeguhn, Sendling

"Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren", heißt es am Start der Höllentour in Dantes "Göttlicher Komödie". Mit nichts Geringerem als dem berühmtesten Inferno der Weltliteratur wurde jetzt im Bezirksausschuss (BA) Sendling die ausufernde Situation an den Isarauen verglichen. Der Künstler Paul Riedel ließ sich dazu hinreißen, als er dem Gremium das Zwischenergebnis seiner Petition vorstellte, mit der er gegen die "Sauf-Banden und Vandalen" vor allem im Bereich des Flauchers einschreiten möchte. 500 Unterstützer hätten schon unterschrieben. Die Stadtteilpolitiker teilen die Empörung von Anwohnern wie Riedel uneingeschränkt, aus den Fraktionen kamen heftige Vorwürfe gegen Stadtverwaltung und Polizei. Von "unterlassener Hilfeleistung" und "rechtsfreiem Raum" war die Rede. Die BA-Mitglieder aber wollen noch nicht alle Hoffnung aufgeben. Sie konfrontieren die Stadt mit einem Fragenkatalog.

Eingebracht hatte die Anfrage die CSU, die jetzt auf Stadtratsebene einen "kommunalen Ordnungsdienst" fordert, der an der Isar patrouillieren und mit hoheitsrechtlichen Befugnissen ausgestattet werden soll. "Wir wollen jetzt endlich die Fakten auf den Tisch haben", erläuterte Stadträtin und BA-Mitglied Manuela Olhausen den Sendlinger Antrag. Und man will es genau wissen: Gab es Brandgefahr, wenn ja an welchen Isar-Abschnitten, wie viele Tonnen Müll müssen in einer Woche beseitigt werden, welche Kosten fallen dabei an? Wie viele Einsätze hatten Polizei und Feuerwehr an der Isar, wie viele Verstöße beziehungsweise Delikte wurden registriert? Wie viele genehmigte Partys gab es an der Isar und wie viele nicht genehmigte, sind Musikanlagen in einem Landschaftsschutzgebiet zulässig? Und: Wie viele Personen sind zur Kontrolle im Auftrag der Stadt an der Isar im Einsatz?

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Vor allem die Grünen im Sendlinger Gremium redeten der CSU-Initiative das Wort. Die Fraktion hatte im Juli selbst erst einen Antrag zum Thema eingebracht; das Referat für Gesundheit und Umwelt soll Schadstoff- und Lärmmessungen veranlassen, um zu klären, welchen Belastungen die Anwohner und die Isarauen als Landschaftsschutzgebiet durch die Grill-Exzesse ausgesetzt sind. Jens Erdmann von den Grünen berichtete davon, dass sich die Besatzungen von Polizeistreifen bei Einsätzen an der Isar mittlerweile weigerten, ihr Fahrzeug zu verlassen, weil sie sich von einer Übermacht von 500 Feiernden bedroht fühlten. Zu einem "rechtsfreien Raum" sei der Bereich des Flauchers in den vergangen Jahren geworden, klagte sein Fraktionskollege Erwin Henke. Man müsse sich fragen, wie ernsthaft der Wille der Polizei sei, einzuschreiten. Zu jedem größeren Fußballspiel oder zum Oktoberfest würden Beamte abgestellt.

Von Elisabeth Robles-Salgado, ebenfalls Mitglied der Grünen, kam der Vorwurf der "unterlassenen Hilfeleistung". Die Security-Leute, die die Stadt heute an der Isar patrouillieren lasse, seien "zahnlose Tiger", da sie nichts ahnden dürften. Für Robles-Salgado ist die aktuelle Entwicklung eine Niederlage. Man habe, nachdem die Isar renaturiert wurde, großzügig sein wollen. Doch mit dieser liberalen Einstellung und Aktionen wie "Seid lieb zur Isar" sei man gegen die Wand gefahren: "Schlimmer kann man nicht scheitern." Hier kam fraktionsinterner Widerspruch von Regine Noßke, die einen sachlicheren, geweiteten Blick auf die Situation werfen wollte: Die Renaturierungsmaßnahmen seien kein Misserfolg. Das beweise ja die Tatsache, dass junge Leute an die Isar strömen: "Das Problem ist, dass es so viele sind, das ist so wie mit der Nachverdichtung."

Der Bezirksausschuss Sendling erwartet von der Stadt, dass sie die Sache nicht aussitzt wie bislang, sondern noch vor Herbst reagiert. Die Wortmeldungen im Gremium waren zahlreich und emotional, wie stets bei diesem Thema. Anwohner Paul Riedel hatte eigentlich vorgehabt, die BA-Mitglieder und alle, die in den Sitzungssaal gekommen waren, zu einer "Schweigeminute" im Andenken an der in Folge der Party-Exzesse verstorbenen Tiere und Pflanzen aufzufordern - "wenn auch nur in Gedanken". Doch er verzichtete darauf.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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