Deutsche IS-Anhängerin:Beruf: "Ehefrau bei Islamischer Staat"

KEINE WEITERGABE AN DRITTE!! NUR FÜR DIE SZ - private Bilder!!

Elif Ö. auf privaten Bildern. Auf ihrer Facebook-Seite meldet sie sich nun regelmäßig - Propaganda für den IS.

  • Die 16-jährige Elif Ö. aus Neuried bei München ist in Syrien verschwunden, offenbar, um sich dem "Islamischen Staat" anzuschließen. Nun meldet sie sich online.
  • Offenbar hat sie einen IS-Kämpfer geheiratet. Der Mann hat zuletzt in Deutschland gelebt.
  • Auf Facebook macht Elif Propaganda für die Terrormiliz.

Von Georg Heil, Volkmar Kabisch und Katja Riedel

Wenn Ihr zum Kampf gerufen werdet, dann kämpft, Muhammad." Der Schrift ist ein Bild unterlegt, darauf drei Kämpfer. Es sind schwarze Silhouetten, sie recken ihre Maschinengewehre in die Luft, in einem Kornfeld im glühenden Sonnenuntergang - echter Islamistenkitsch; daneben weht eine schwarze Flagge, das Emblem des Islamischen Staats (IS). Das ist das aktuelle Facebook-Profilbild von Elif Ö. aus Neuried. Ende Februar ist die 16-Jährige über die Türkei ausgereist, um sich in Syrien der Terrorgruppe anzuschließen. Und mittlerweile ist sie dort angekommen: in Syrien, bei einem Kämpfer des IS, in einem neuen Leben.

Mit diesem Mann, der nach Informationen von SZ, NDR und WDR zuletzt in Deutschland gelebt hat und dessen Staatsbürgerschaft noch unklar ist, wohnt Elif Ö. offenbar in der IS-Hochburg Rakka. In ihrem Facebook-Profil hat sie dies zumindest als Wohnort angegeben, und auch, dass sie verheiratet sei, ist dort zu lesen. Ihr Beruf: "Ehefrau bei Islamischer Staat", schreibt sie. Sie postet auch ein Bild, darauf flattern zwei Tauben. Daneben ist zu lesen: "And we created you in pairs. Quran".

Deutsche Ermittler suchen seit ihrem Verschwinden nach Elif Ö. Nicht nur, weil sie in die Fänge von Terroristen geraten sein könnte. Vielmehr beobachten sie die 16-Jährige auch wegen des Verdachts, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein. Vieles, was das Mädchen öffentlich in dem sozialen Netzwerk postet, spricht nun für eine rasche Radikalisierung: Dafür, dass Elif Ö. nicht nur das Opfer radikaler Terroristen ist, sondern inzwischen auch selbst aktiv bei Gleichaltrigen für die Ausreise nach Syrien wirbt. Ihre Profilbilder wechselt sie häufig, sie stammen aus dem so martialischen wie kitschigen Propaganda-Arsenal der Terrorgruppe. Mal sind es Gewehre, mal ist es ein weißer Panzer mit dem arabischen IS-Logo, mal eine solche Flagge über dem Häusermeer.

"Die meiste Zeit wirst du im Haus sein"

Die Bilder sollen Sehnsucht wecken nach dem selben Weg, den Elif Ö. gegangen ist, nach der Hidschra, der Ausreise ins Land des Glaubens. Darüber, was sie im Kriegsgebiet an der Seite eines Kämpfers erwartet, macht Elif Ö. den Mädchen, die ihr folgen sollen, jedoch keine Illusionen. Sie teilt einen Artikel über die Hidschra und die Rolle der Frau im IS: An Kämpfen teilzunehmen, wie man sie aus Youtube-Videos kenne, das sei nur etwas für Männer, heißt es da.

"Die meiste Zeit wirst du im Haus sein mit wenigen oder keinen Freunden, dein Ehemann könnte auf einmal für Tage oder sogar Wochen weg sein. Strom gibt es ab und zu, eine begrenzte Auswahl an Essen, höchstwahrscheinlich kein Internet zu Hause, entfernt von deiner Familie und Freunden und nicht imstande, noch irgendetwas tun zu können. Ich sage nicht, kommt nicht her, bloß begreift die Realität und korrigiert eure Absichten." Unter den 315 Themen, die Elif Ö. gefallen, sind deshalb nicht nur Korane, Moscheen, Arabischkurse und religiöse Gemeinschaften, sondern auch Koch- und Backrezepte und Anleitungen zur gesunden Ernährung.

Nachdem sich Elif Ö. bis Anfang April weder bei Freunden noch bei ihrer Familie gemeldet hatte und spurlos verschwunden war, meldet sie sich inzwischen täglich im Netz zu Wort. Sie scheint also über einen eigenen Zugang zum Internet zu verfügen - ein Zeichen, dass sie großes Vertrauen genießt und möglicherweise innerhalb der Organisation Propaganda für den Islamischen Staat machen soll. Ein deutsch-türkisches Mädchen, über das die Medien berichten - für die Propagandamaschinerie des IS ist das ein Pfund, das sie auch ausspielt.

Mädchen wie Elif Ö. sollen weitere junge Frauen motivieren, ihrem Beispiel zu folgen. Die Mädchen sollen die Kämpfer belustigen, ihnen den Haushalt führen und Nachwuchs für den Gottesstaat auf die Welt bringen. Tatsächlich scheinen sich viele für das zu interessieren, was Elif Ö. im Internet schreibt. Die Zahl ihrer Facebook-Freunde, die all diese Nachrichten aus Syrien lesen und kommentieren, wächst täglich. Mehr als 280 sind es aktuell. Darunter sind neben Familienmitgliedern auch viele ihrer Freundinnen aus München - und viele Mädchen, die ebenso offen Sympathien für den radikalen Salafismus und den IS zeigen.

Radikalisiert über das Internet

Auch Elif Ö. selbst wurde über das Internet radikalisiert, in Gruppen bei Facebook und im Nachrichtendienst Whatsapp. Das bayerische Innenministerium sieht in diesen Gruppen eine immer größer werdende, kaum kontrollierbare Gefahr, weil gerade Jugendliche so ins Netz radikaler Islamisten geraten könnten. Zwar hätten Verfassungsschützer zuletzt durch die Auswertung von Facebook-Kommunikation und anderer sozialer Netzwerke immer wieder Ausreisen junger Menschen verhindert, auch in Bayern. Dennoch gebe es einen besorgniserregenden Trend, dass gerade junge Mädchen sich zunehmend für eine Ehe an der Seite eines künftigen Märtyrers interessieren, heißt es aus dem Innenministerium. Im Internet gibt es Heiratsvermittler, die die Männer und Frauen zusammenbringen. Die Behörden gehen von einer Netzwerk-Struktur aus.

Auch Elif Ö. hat so eine in Syrien lebende Anwerberin kennengelernt, die ihr bei der Organisation der Reise geholfen hat, und es gibt Hinweise, dass diese Frau auch mit Freundinnen von Elif Ö. in Kontakt stand. Sie soll in Deutschland gelebt haben, Witwe eines Märtyrers sein. Sie stand auch mit Mädchen in Kontakt, die nun wieder in Ö.s Freundesliste auftauchen. Diese Frau ist den Behörden aus mehreren deutschen Ermittlungsverfahren bekannt. Und sie ist nicht die einzige, die aktiv Nachwuchs für die Kriegsgebiete rekrutiert. Schon flüchtige Internetbekanntschaften könnten zu einer Radikalisierung führen, wissen Sicherheitsbehörden. Auch wenn die Verführung aus dem Netz meist nicht der einzige Faktor sei.

Bei Elif Ö. waren es ein Umzug und ein Nahtoderlebnis, die sie aus der Bahn warfen. Binnen weniger Monate entwickelte sie sich von einem normalen, westlich gekleideten Mädchen mit Zungenpiercing zu einer Dschihadistin, die sich strengen religiösen Alltagsvorschriften unterwarf, auch in ihrem Kleidungsstil. Trug sie früher High Heels und bauchfreie Tops, zog sie zuletzt weite schwarze Kleider an, verhüllte ihr Haar und Gesicht.

Am Montag hat Elif Ö. einen Link geteilt, sie tritt dabei fast schon in die Fußstapfen ihrer Rekrutiererin: "An die Geschwister, die sich schon in Dawla (dem IS; Anm. d. Red.) befinden. Hört auf, auf die Geschwister herabzusehen, die noch nicht dort sind. . . . Wirst du zur perfekten Muwahida, weil du schon dort bist? . . . Allāhu Alām vielleicht kommen sie später."

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