Ironman im Interview:"Wer aufgibt, wird weich im Kopf"

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Sie trainieren hart, viel und allein: Spitzen-Triathleten wie der Münchner Faris Al-Sultan gehen an ihre Grenzen und darüber hinaus. Ein Gespräch über Härte, wie sich ein Muslim von einer Brauerei sponsern lassen kann und warum Sport keine Religion ist.

Birgit Lutz-Temsch

Im Sommer 2005 gewann Al-Sultan den Ironman auf Hawaii, 2006 wurde er Dritter, und natürlich geht er dieses Jahr wieder an den Start. Jetzt hat er ein lesenswertes Buch über die Faszination seines Sports und den Mythos Ironman geschrieben.

sueddeutsche.de: Im Buch schreiben Sie, dass Sie in den Medien der "Muslim mit der Brauerei als Sponsor" sind. Ist das wirklich so oft ein Thema?

Al-Sultan: Das ist vor allem in den USA so. In Deutschland hat sich eigentlich nie jemand groß dafür interessiert, dass ich Muslim bin - hier bin ich eher der Ironman mit der Bayernfahne. In Amerika ist meine Religion immer sehr wichtig. Auf mich wirkt es so, als seien Muslime für Amerikaner sehr exotisch, das fasziniert die auf eine Weise, die es in Europa nicht gibt.

sueddeutsche.de: Stört Sie das?

Al-Sultan: Eigentlich nicht. Aber manchmal muss man ein bisschen bremsen. Einmal wollten Journalisten, dass ich mich vor eine Moschee stelle und mich dort fotografieren lasse. Da hab ich dann schon gesagt, Jungs, das ist aber ganz schön gekünstelt.

sueddeutsche.de: Haben Sie es gemacht?

Al-Sultan: Ja, schon. Ich verleugne meinen Glauben ja nicht, ich würde mich auch durchaus als gläubig bezeichnen. Religion kann einem großen Rückhalt geben. Aber ich gehe vielleicht einmal in vier Jahren in die Moschee, deshalb ist das schon ein bisschen weit hergeholt.

sueddeutsche.de: In den USA war es dann auch wichtig, dass Sie der erste Muslim waren, der den Ironman gewonnen hat...

Al-Sultan: Ach ja, der erste Muslim. Das bin ich nach dem Sieg dauernd gefragt worden. Wie ich mich damit fühle und so, und ob das jetzt wichtig sei für die muslimische Welt. Das war mir dann zu viel. Ich bin ein Sportler, wie es viele muslimische Sportler gibt, ich verstehe diese Aufregung nicht ganz. Ich will auch keine Werbung für den Islam machen, dafür tauge ich keinesfalls, weil ich viel zu westlich lebe. Da bekäme ich ein Problem mit meiner eigenen Glaubwürdigkeit. Ich kann schließlich keinen strengen Islam propagieren, wenn ich selbst nicht danach lebe.

sueddeutsche.de: Für manche Triathleten ist ihr Sport fast wie eine Religion.

Al-Sultan: Ja, das ist auch vor allem in den USA so, die sind für so was sehr anfällig. Ich muss da manchmal ein bisschen schmunzeln. Für die Amerikaner spielt das spirituelle Erleben eine große Rolle, was ich gar nicht werten möchte. Aber für mich persönlich ist das übertrieben. Wenn es dann heißt, jeder, der ein Ironman ist, gehört jetzt zu einer großen Familie. Ich meine, nur weil ein anderer auch mal einen Ironman gewonnen hat, ist der doch noch nicht mein Bruder.

sueddeutsche.de: Schweißt einen das gemeinsame Erleben dieser Qual nicht besonders zusammen?

Al-Sultan: Das schon, man hat natürlich Gemeinsamkeiten und immer ein Gesprächsthema. Aber das ist nicht nur in der "Ironman-Familie" so. Das besondere am Triathlon ist ja, dass in sehr vielen Wettkämpfen die Profis gemeinsam mit den Amateuren an den Start gehen. Die Elite-Triathleten kann man buchstäblich anfassen. Tennis-Spieler können nie mal mit Boris Becker, Fußballer nie mit Ballack spielen. Die sind unerreichbar, wir nicht.

sueddeutsche.de: Stört Sie das, wenn Sie mit viel langsameren an den Start gehen?

Al-Sultan: Nein, die stören nicht. Wir sind da immer sehr schnell vorneweg.

sueddeutsche.de: Und der mangelnde Star-Status?

Al-Sultan: Mich stört eher, dass Triathlon immer noch zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, im Verhältnis dazu, was wir leisten. Nirgendwo ist das Leistungsniveau so hoch wie in Deutschland. Die vergangenen drei Jahre hat immer ein Deutscher den Hawaii-Ironman gewonnen. Andere Länder wären schon froh, wenn sie mal unter den besten Fünf wären.

sueddeutsche.de: Warum sind die Deutschen so stark im Triathlon?

Al-Sultan: Vielleicht, weil sie so pflichtbewusst trainieren. Und dann haben wir mehrere Top-Wettkämpfe im Land.

sueddeutsche.de: Im Buch wird der mehrfache Ironman-Gewinner Mark Allen mit den Worten "Ich habe in die dunkelsten Ecken meiner Psyche gesehen" zitiert. Sie auch?

Al-Sultan: In dunkle Ecken schaue ich ganz sicher nicht. Man schöpft sich voll aus, ist euphorisiert, und je weiter der Wettkampf fortschreitet, um so mehr verändert sich die Wahrnehmung: Man ist wie betrunken, sieht sich von außen, erreicht einen besonderen mentalen Zustand. Aber dunkel ist der nicht.

sueddeutsche.de: Haben Sie die Teilnahme an einem Wettkampf schon mal bereut?

Al-Sultan: Natürlich. Vergangenes Jahr in Südafrika habe ich mich wahnsinnig gequält, ich war einfach nicht in der richtigen Verfassung.

sueddeutsche.de: Haben Sie dann aufgegeben?

Al-Sultan: Nein, ich hab´s durchgezogen. Ich habe zweimal wegen technischer Defekte auf einer Langdistanz aufgegeben, und einmal auf einer Kurzdistanz, weil mir die Schlägerei im Wasser zu viel wurde. Aber mit dem Aufgeben darf man gar nicht anfangen.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Al-Sultan: In diesem Sport geht man immer an die Grenzen, es ist immer hart. Wenn man einmal aufhört, wird es immer leichter, aufzugeben. Man wird weich im Kopf. Und da muss man hart sein.

sueddeutsche.de: Haben Sie diese Härte auch in anderen Bereichen in Ihrem Leben?

Al-Sultan: Ach, viele sagen ja, durch Sport würde man viel für´s Leben lernen. Aber das gilt nur mit Einschränkungen, finde ich. Diese Härte kostet Kraft, man kann nicht jeden Tag so sein. Das merke ich jetzt, wo ich älter werde, sehr deutlich.

sueddeutsche.de: Was glauben sie, wie lange Sie noch als Profi mitspielen werden?

Al-Sultan: Schwer zu sagen. Das hängt immer davon ab, wie gut man sich regeneriert. Fünf Jahre, wenn´s gut läuft auch zehn - wenn ich keinen Unfall habe.

sueddeutsche.de: Was empfehlen Sie jemandem, der sich für Triathlon interessiert?

Al-Sultan: Dass man am Anfang den Umfang nicht zu hoch schraubt und die Erwartungen nicht zu hoch steckt. Ich verstehe mich auch ein bisschen als Botschafter für den Triathlon. Als Ironman-Gewinner hat man die Pflicht, was für diesen Sport zu tun, finde ich. Mit dem Buch möchte ich den Leuten Lust machen, es einfach mal auszuprobieren. Weil es wahnsinnig Spaß macht.

sueddeutsche.de: Macht es Ihnen immer noch Spaß?

Al-Sultan: Klar! Wenn das nicht so wäre, würde ich aufhören.

Faris Al-Sultan: "Triathlon - Motivation, Wettkampf, Erlebnis", Südwest Verlag, 19,95 Euro.

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