Für einen, aber auch nur einen ganz kurzen Moment, herrscht Stille. Sänger Bruce Dickinson legt seinen Finger auf die Lippen und schaut mit aufgerissenen Augen verschwörerisch in die Menge. Die Zuschauer hören auf zu klatschen, keiner schreit mehr, nur noch vereinzelt sind Hände, deren Zeigefinger und kleiner Finger zu Teufelshörner geformt sind, in die Luft gereckt. Dann hämmert der Bass wieder los.
Seit mehr als 35 Jahren macht die britische Heavy-Metal-Band Iron Maiden Musik, am Dienstagabend trat sie in der Münchner Olympiahalle auf - natürlich kein bisschen leiser als früher, natürlich mit imposanter Achtziger-Rockshow, natürlich ausverkauft.
Während andere in die Jahre gekommene Musiker sich immer wieder neu zu erfinden versuchen, sind Iron Maiden ihrer Musik einfach treu geblieben. Britischer Heavy Metal, jedoch stets mit melodischen Elementen. Und so knüpft "Coming Home", ein Song der neuen Platte "The Final Frontier", an alte Klassiker wie "Fear of the Dark" oder "Running Free" an.
80 Millionen Platten haben Iron Maiden seit ihrer Gründung 1975 verkauft, allein 14 Millionen von ihrem legendären 1982 eröffentlichten Werk "The Number of the Beast". Nur die Kollegen von Judas Priest gelten in der britischen Metal-Szene als ähnlich erfolgreich. Die Erwartungen der Zuschauer vor dem Konzert in München sind dementsprechend groß.
Die Bandmitglieder sehen aus wie immer - nur die Furchen sind tiefer als bei ihrem letzten Auftritt vor acht Jahren in München. Die Haare immer noch lockig und lang, die dazugehörenden Posen haben sie noch drauf. Janick Gers, einer der drei Gitarristen, beugt den Oberkörper nach hinten, der Gitarrenhals ragt senkrecht zur Decke, während er ihn wild bearbeitet und irre Grimassen schneidet. Bassist und Bandgründer Steve Harris fegt am Bühnenrand auf und ab, die dunklen, nassgeschwitzten Haare bleiben in seinem Gesicht kleben.
Nur Sänger Dickinson hat inzwischen die Haare kurz geschnitten und trägt statt enganliegender Lederkluft eine weit geschnittene Hose im Militärlook. Seine Stimme hat allerdings nichts eingebüßt - mal rau, mal im klaren Falsett. Auch das Spiel mit dem Publikum beherrscht der 52-Jährige wie einst. "Scream, fucking München", schreit er immer wieder, schrei verdammtes München. Die Zuschauer gehorchen - und jubeln begeistert den Musikern auf der gewohnt martialisch gestalteten Bühne zu.
Und dann kommt Eddie
Überhaupt die Zuschauer. Natürlich ziehen die ersten schon nach wenigen Minuten ihre T-Shirts aus, die langen Haare klatschen beim Headbanging auf die nackte, verschwitzte Haut. Andere haben ihre Metallica-T-Shirts von der "Damage Inc."-Tour aus dem Jahr 1986 an, andere die aktuellen T-Shirts der "Final Frontier"-Deutschlandtour, die es an den Merchandise-Ständen zu kaufen gibt. Am Donnerstag spielen Iron Maiden noch in Hamburg, am Freitag in Berlin und am kommenden Dienstag in Stuttgart.
Die sechs Musiker beherrschen an dem Abend in München die Dramaturgie während des zweistündigen Konzertes gekonnt. Anfangs zügeln zwischendurch eingestreute Balladen die Stimmung, manche Fans werden geschimpft haben: Kitsch pur. Doch dann mischen Iron Maiden nach und nach immer mehr rockige Hits unter. Erst nach einer Stunde erscheint erstmals Maskottchen Eddie, das auf fast jedem Plattencover der Band abgebildet ist, als rund drei Meter große Monsterpuppe auf der Bühne. Nach eineinhalb Stunden wird Eddie dann gar als riesiges Ungeheuer hinter dem Bühnenrand emporgezogen. Seine Augen blinken rot, den Mund macht er bedrohlich weit auf und wieder zu. Schließlich der Höhepunkt des Konzerts: "666 - The Number of the Beast" - allerdings erst als vorletztes Lied.
Während die Besucher noch dabei sind, eine weitere Zugabe, am liebsten "Run to the Hills", zu erflehen, gehen die Lichter an und es ertönt - wie zum Ende jedes Iron-Maiden-Konzertes - vom Band Monty Pythons "Always Look on the Bright Side of Life". Die Besucher verlassen die Halle, fröhlich zur Musik pfeifend. Sie haben auch allen Grund dazu; denn in vier Wochen gibt es wieder Metal-Könige zu erleben. Judas Priest spielen in München.