Wenn Alexander von Cramm sagt „gutes Niveau“, dann heißt das schon was. Als Nachfahre des wohl elegantesten deutschen Tennisspielers überhaupt, Gottfried von Cramm (1909-1976), kennt sich der Geschäftsmann aus mit Vor- und Rückhand, spielt er doch selbst einen sehr gepflegten und gern auch schön schnellen Ball. Und man muss ihm recht geben: Auf so manchem Platz ist in der Tat recht ordentliches Tennis zu sehen. Aber: keine Regel ohne Ausnahme. Es gibt an diesem Turnier-Samstag nämlich auch Spiele, da kann man beim besten Willen nicht sagen, wer jetzt hier Gewinner und wer Verlierer ist. Beim 1. Film-Tennis-Cup auf der immer wieder zauberhaften Anlage des MTTC Iphitos sind das alle Matches, bei denen Martin Semmelrogge auf dem Platz steht. Da ist dann gar nichts mehr ordentlich, sondern eher vogelwild. Anarchie auf Platz 2. Dort löst das Enfant terrible sämtliche Gewissheiten dieses ja doch stark reglementierten Sports sozusagen mit einem Schlag auf. Aufschlag mitten aus dem Feld, statt nur einmal darf der Ball gern auch ein paar Mal aufkommen, bevor man schlägt, und diese komplizierte Zählerei: Nee, du, echt nicht. Aber da irgendein Ergebnis an die Turnierleitung gemeldet werden muss, einigt man sich am Ende des fröhlichen Hin und Her auf ein sehr grob geschätztes 26:25, für wen auch immer.
Verantwortlich für das so bunte wie schweißreiche Treiben bei 32 Grad ist Martin Krug, Filmproduzent, Werbemanager und Hans Dampf in vielen Gassen. Auf dem Tennisplatz schwingt der gefürchtete Linkshänder die Keule nicht mehr so oft wie früher, aber die Liebe zum Sport ist ihm geblieben. Und auch die Liebe zum Tier, genauer gesagt zum Hund: Der Erlös der Veranstaltung kommt dem Tierheim zugute.
Als Schirmherr hat Krug einen gewissen Markus Söder gewonnen, der mit einem Jugendbild von der Einladungskarte lächelte. Zu sehen ist der bekennende Tennisfreund dann aber weder auf noch neben dem Platz. Macht nichts. Dafür ist Oliver Pocher da, in Sachen Sprüche klopfen dem bayerischen Ministerpräsidenten mindestens ebenbürtig. Freitagabend drückte Pocher der DFB-Elf noch in Stuttgart vergeblich die Daumen, spielt am Samstagmorgen beim Iphitos ein respektables Match, verliert 15:30 und saust weiter zum Flughafen: Am Abend hat er auf Mallorca einen Job im Mega-Park. Hölle, Hölle, Hölle.
Martin Semmelrogge genießt fleißig das Rentnerdasein auf Mallorca
Ein halbes Hundert Teilnehmer hat Krug am Aumeisterweg zusammengetrommelt, während etwa ein Kilometer weiter südlich im Amerikahaus die Filmfest-Preise an Kollegen vergeben werden. Mariella Ahrens ist da, Chart-Stürmer Mike Singer, Fotograf Michael von Hassel, Schlagersänger Ramon Roselly, dem gelegentlich das Zirkus-Blut überkocht und ihn auf dem Tennisplatz Salti schlagen lässt. Abends bei der Siegerehrung im Hotel Roomers entert er mit Mark Keller die Bühne, um die Gäste mit einem Ständchen zu unterhalten, was ihm so gut gelingt wie zuvor Slice und Topspin mit seinen Söhnen Aaron und Joshua. Mit solchen Feinheiten hält sich Martin Semmelrogge nicht auf: „Tennis hab’ ich zuletzt vor 30 Jahren in der Türkei gespielt“, erzählt der 68-Jährige. Daheim auf Mallorca spiele er manchmal Paddle, wenn er nicht gerade Motorrad fährt, eine seiner Rock’n’Read-Lesungen abhält oder mit Frau Regine das Rentner-Dasein genießt. Ab und zu schneie ein Film-Angebot herein, so wie zuletzt für „Make me feel“, in dem der „Bad Boy“ des deutschen Films Adolf Hitler spielt. Außerdem soll es auf RTL Nitro bald eine Auto-Sendung mit dem Oldtimer-Freund geben: „Ich mag ja eher so die Kräftigen, also Acht- oder Zwölfzylinder.“ Es muss halt kesseln. Und bis zum nächsten Film-Tennis-Cup kriegt er das mit den Regeln sicher auch noch hin. Na ja, vielleicht auch nicht.