Süddeutsche Zeitung

Investorpläne:Schlachthofviertel ohne Schlachthof

Ein Investor versucht, die Firmen nach Aschheim zu locken. Stattdessen sollen Wohnungen entstehen

Von Heiner Effern und Irmengard Gnau

München könnte schon in wenigen Jahren unvermutet ein riesiges Neubauviertel mitten in der Stadt erhalten. Ein Investor aus Nordrhein-Westfalen versucht offenbar, den Schlachthof komplett in ein geplantes Fleischhandelszentrum nach Aschheim zu locken. Verhandlungen sollen laufen, die Beteiligten schweigen. Im Hintergrund ist jedoch zu hören, dass gerade gefeilscht wird im Schlachthofviertel. Nicht um Rinderhälften oder Schweinefilets, sondern um Erbpachtverträge und Investitionen. Fakt ist: Alle drei Unternehmen, die den Schlachthof per Erbpacht betreiben, können Anfang der 2020er-Jahre aus ihren Verträgen aussteigen.

Dafür müssten sie sich aber wohl mit vielen weiteren Firmen auf dem Schlachthof einigen. Sollte dieser Fall eintreten, hat allerdings nicht ein potenzieller Investor, sondern die Stadt als Eigentümerin das Sagen. CSU und SPD im Rathaus sind sich einig, was mit dem etwa sieben Hektar großen Areal passieren soll: Die Stadt könnte den akuten Druck auf den Wohnungsmarkt lindern. "Das ist beste Innenstadtlage", sagte CSU-Fraktionschef Hans Podiuk. Sein SPD-Kollege Alexander Reissl sagt, dass der Schlachthof "ein attraktives Gelände" zum Wohnen sei. Die Stadt könnte hier als Eigentümerin dafür sorgen, dass viele davon für normal verdienende Münchner auch bezahlbar blieben.

Auch der Herr über die städtischen Immobilien, Kommunalreferent Axel Markwardt, findet die Idee eines neuen Wohnviertels im Zentrum charmant. Mehr kann er dazu aber nicht sagen, weil die laufenden Verhandlungen im Schlachthof ihn bisher nur als Gerücht erreicht hätten. Fakt ist jedoch, dass in der Gemeinde Aschheim an der A 99 ein neuer Schlachthof entstehen soll. Die Grundstücksverträge sind unterzeichnet, die Kommune schafft derzeit die planungsrechtlichen Voraussetzungen, um im Gewerbegebiet gegenüber dem Möbelhaus XXXLutz auf einer Fläche von etwa elf Hektar ein Fleischhandelszentrum mit eigener Produktion anzusiedeln. Als Bauherr tritt ein Investor aus Nordrhein-Westfalen auf, unter dem Namen Opus Munich GmbH und Co. KG. Diese Firma gründete sich am 6. April dieses Jahres und gehört der Oppenheim & Co. Real Estate Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Stadtlohn. Einer der beiden Geschäftsführer ist Albert Oppenheim, der am selben Ort auch einen Fleischgroßhandel betreibt. Erwischt man ihn am Telefon, hat er gerade keine Zeit, weil er dringend in eine Sitzung muss. Und seine Verhandlungen in München? "Keine Zeit."

Für Geschäftsreisen in den Süden ist offenbar schon immer wieder Zeit. In seinem neuen Fleischhandelszentrum mit mehreren Etagen sollen 20 bis 25 Betriebe Platz finden können. Nach Schätzung von Aschheims Bürgermeisters Thomas Glashauser (CSU) kann die Anlage Ende 2018 ihren Betrieb aufnehmen - wobei der "in der Branche gut bekannte" Investor "lieber heute als morgen" loslegen wolle. Dieser soll bereits über Vorverträge mit mehreren Interessenten verfügen. In Aschheim geht man davon aus, dass darunter auch Betriebe vom Münchner Schlachthof sind; dort gehe es schließlich sehr beengt zu. Nicht nur die Aschheimer sehen hier bessere Zukunftschancen als im beengten Stadtzentrum.

Die drei Erbpächter halten sich bedeckt. Andrea Attenberger, Geschäftsführerin der Münchner Schlachthof Betriebs GmbH und der Firma Attenberger Fleisch, erklärte kürzlich zum Beispiel, zu dem Thema nichts mehr zu sagen, "solange nichts spruchreif ist". Laut Stadt können alle drei in einigen Jahren aus dem Vertrag aussteigen oder eine Option auf Verlängerung ziehen, die bis übers Jahr 2040 hinaus gelten würde. Sollten sie sich tatsächlich mit dem Investor in Aschheim einigen und die Erbpacht noch schneller als im Vertrag vorgesehen beenden wollen, müssten sie darüber mit dem Kommunalreferat verhandeln. Erst dann käme das Gelände auf den Markt.

Die Stadt könnte dann frei darüber verfügen, sagte Kommunalreferent Markwardt. Das würde er "sehr begrüßen". Die Lage wäre eine ganz andere als zum Beispiel am nahen Rodenstock-Areal, das in Privatbesitz gewesen ist. Vorteile ergäben sich auch für die Pläne am nahen Viehhof-Gelände. Dort sollen das neue Volkstheater und neue Wohnungen entstehen. Doch der angrenzende Schlachthof schränkt die Möglichkeiten ein. Sollten auch dort Wohnungen kommen, würden wegfallende Lärmprobleme neue Pläne ermöglichen. Doch bis zu diesem Punkt sei noch ein weiter Weg, ist zu hören. Falls sich die Handelspartner im Schlachthof überhaupt einigen.

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SZ vom 07.05.2016
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