Schwabing:Im Klostergarten wird es eng

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  • Ein Investor will die frühere Parkanlage der Karmelitinnen bebauen, eines der Gebäude ist 20 Stockwerke hoch geplant.
  • Dem müssen aber erst noch die Eigentümer der 77 Wohnungen in einem angrenzenden Häuserblock zustimmen, der früher ebenfalls dem Orden gehörte.
  • Bisher sind die Anwohner mit der "Wuchtigkeit" der Planung nicht einverstanden.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Der ehemalige Klostergarten an der Schleißheimer Straße 278 - gelegen zwischen dem Freibad Georgenschwaige, der Kleingartenanlage Nordwest 6 und dem nördlichen Luitpoldpark - ist ein Kleinod. Das wissen die Bewohner der Schleißheimer Straße 280 und 280a, deren Häuser inmitten dieser parkähnlichen Oase mit alten Bäumen stehen. Das wissen auch Westschwabings Lokalpolitiker, die diese Grünfläche in ihrem dicht besiedelten Stadtbezirk auf jeden Fall erhalten wollen. Der guten Lage bewusst ist sich inzwischen aber auch ein Schweizer Investor.

Die SSN-Group mit Firmensitz in Zug plant, das ehemalige Klostergelände von 2019 an in ein "attraktives und vielseitiges Quartier" namens "Covent Garden" umzuwandeln. So steht es auf der Website des Unternehmens. Die Fertigstellung des Projekts bis 2022 und das Gesamtinvestitionsvolumen von 205 Millionen Euro sind dort ebenfalls nachzulesen. Dem Bezirksausschuss haben die beiden Projektleiter der SSN-Group und Architekten des Büros Allmann, Sattler, Wappner vor Kurzem das detaillierte Konzept vorgestellt: Entstehen sollen ihrem Wunsch nach ein 20 Stockwerke hohes Wohnhaus, zwei turmähnliche Punkthäuser mit jeweils acht Etagen entlang des Petuelrings sowie zwei sechsstöckige Wohngebäude im Süden als begrünte Flachbauten. Dazu kommt noch ein Wohnhaus mit acht Geschossen in Nord-Süd-Richtung. Insgesamt würden damit bis zu 300 neue Wohnungen geschaffen werden.

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So durchstrukturiert das Vorhaben klingt und so verlockend die Aussichten auf neuen, idealerweise bezahlbaren Wohnraum sein mögen - in trockenen Tüchern ist bislang nichts. Denn für das Grundstück gibt es keinen Bebauungsplan. Grund dafür sind die Eigentumsverhältnisse. Heinz Salat war lange Sprecher des Verwaltungsbeirats der Eigentümergemeinschaft an der Schleißheimer Straße 280 und 280a, er kennt die Vorgeschichte. Der fünfstöckige, versetzte Häuserblock, erzählt er, in dem er und seine Nachbarn in 77 Eigentumswohnungen leben, wurde vor 30 Jahren vom Orden der Karmelitinnen gebaut. "Die Nonnen vom Göttlichen Herzen Jesu wollten in den Gebäuden ihre pensionierten Schwestern unterbringen, sogar ein Verbindungsgang vom Kloster zu den Häusern war damals geplant."

Salat verweist auf die Giebeldächer, die Ähnlichkeit mit dem noch existierenden Klostergebäude haben: Das Ganze sei als Ensemble gedacht gewesen. Doch dann plagten den Orden Nachwuchssorgen, und die Schwestern verkauften 1990 die beiden Häuser. Fortan galt ein Kompromiss, vertraglich festgelegt: Sowohl die beiden Häuser als auch das Klostergelände sind seitdem eigene Wirtschaftseinheiten, jeder kann auf seinem Sondereigentum Änderungen vornehmen, ohne den anderen zu fragen. Geht es aber um das Gesamtgrundstück wie im Fall einer Neubebauung des Klosterareals, müssen sämtliche Eigentümer zustimmen. Alle 77 Wohnungsbesitzer und der Investor.

"Wir haben prinzipiell nichts gegen eine Bebauung", sagt Salat. "Nur mit dieser Wuchtigkeit der SSN-Planung sind wir nicht einverstanden." Und auch nicht mit den Problemen, die daraus möglicherweise resultieren. 20 000 Lastwagenbewegungen, hat die Eigentümergemeinschaft errechnen lassen, würden bei diesem Bauvorhaben stattfinden. "Das muss man erst mal ertragen." Schwierigkeiten könnten auch auftreten mit der U-Bahn, deren Röhre unmittelbar unterhalb des Grundstücks verläuft. Außerdem ärgert die Wohnungsbesitzer, dass die SSN "bisher noch nicht auf uns zugekommen ist und ein Angebot gemacht hat". Voraussetzung für die Aufstellung eines Bebauungsplans ist die Realteilung des Gesamtgrundstücks - doch unter diesen Voraussetzungen, das haben die Wohnungsbesitzer der Schleißheimer Straße 280 und 280a bei der Eigentümerversammlung im Juli beschlossen, werde es "ganz sicher zu keiner Realteilung kommen".

Viel geförderter Wohnraum, aber der Rest wird teuer

Einwände hat auch der Bezirksausschuss. "Die Bilder sehen schön aus, mit viel Grün auf den Dächern und Balkonen", kommentierte der Vorsitzende Walter Klein (SPD) die Visualisierungen in der jüngsten Sitzung des Gremiums. "Aber auf der Erde ist laut den Plänen nicht mehr viel Platz übrig." Die Bürgervertreter lehnen eine Reduzierung der Grünfläche strikt ab. Außerdem wollen sie "ein Gebäude auf jeden Fall wegkriegen", am besten einen der Flachbauten hinter dem Hochhaus.

Die dritte Forderung der Bürgervertreter impliziert eine ausreichend große Freifläche für den Integrationskindergarten St. Josef: Der Kindergarten besteht seit 1924 und wurde lange als Klosterkindergarten von der Karmelitin Mutter Maria Teresa Tauscher und ihren Ordensschwestern betreut. Als das Kloster Ende 2012 aufgelöst wurde, übernahm die Caritas die Trägerschaft des Kindergartens. In der Einrichtung werden seit Jahren Kinder mit einer Behinderung und Kinder mit einer drohenden Behinderung erfolgreich gefördert. Bislang hat der Investor keinen Bauantrag eingereicht, will aber "so rasch wie möglich in die Realisierung einsteigen", wie Unternehmenssprecherin Edith Müller auf SZ-Anfrage mitteilt. Zunächst jedoch müsse Planungsrecht geschaffen werden, hier führe die SSN-Group "positive Gespräche".

Das Grundstück unterliegt der sozialgerechten Bodennutzung (Sobon), daher wird es, sofern das Projekt zum Tragen kommt, einen großen Anteil an gefördertem Wohnraum geben. Geht es nach dem Bezirksausschuss, läge dieser Anteil bei 60 Prozent, die Lokalpolitiker sprechen aber selbst von einem "Wunschtraum". Und die anderen Wohnungen? Sie versprechen, teuer zu werden - laut Müller "aufgrund der sehr guten Lage im mittleren bis gehobenen Preissegment".

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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