Interview zur WM 2006:"Wir wiegen uns nicht in falscher Sicherheit"

Die Fußball-Weltmeisterschaft wird für die Münchner Polizei eine große Herausforderung. Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer fordert deshalb im Vorfeld Verfassungs- und Gesetzesänderungen.

Susi Wimmer

Mit der Fußball-WM rollt ein ganz besonderes Großereignis auf München zu: volle Stadien, Pressezentrum in Riem, vier Wochen lang Rahmenveranstaltungen mit täglich bis zu 30 000 Besuchern im Olympiapark und jede Menge Touristen, die die Münchner Innenstadt in Wiesn-ähnliche Stimmung versetzen werden. Die Münchner Polizei will die Großveranstaltung nahezu aus eigener Kraft mit ihren 6000 Beamten stemmen, wie Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer sagt.

Interview zur WM 2006: Wilhelm Schmidbauer

Wilhelm Schmidbauer

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Große Ereignisse werfen meist ihre Schatten voraus? Wie lang ist denn der WM-Schatten?

Schmidbauer: Die Vorbereitungen laufen seit fast zwei Jahren. Es gibt eine Projektgruppe mit Planungsstäben, die sich mit der Stadt, den Betreibern, der Fifa oder den Rettungsdiensten absprechen müssen. Täglich sind da etwa 25 bis 50 Leute von uns involviert. Die Schnittstellen und Problempunkte werden im Laufe der Zeit aber immer mehr. Die Fifa hat so ihre Vorstellungen und auch Anforderungen, auf die wir reagieren müssen.

SZ: Was fordert der Fußballverband?

Schmidbauer: Die Wünsche ändern sich, je nachdem, wer als Sponsor auftritt. Wir wollten beispielsweise, dass im Stadion nur Pappbecher verwendet werden und keine Flaschen, weil man die als Wurfgeschosse verwenden könnte. Getränkeabfüllen war dem Sponsor aber zu Personal-intensiv. Jetzt ist man zu der Lösung gekommen, Plastikflaschen ohne Schraubverschluss zu verkaufen.

SZ: Eine tolle Idee.

Schmidbauer: Nun ja. Man argumentiert, dass beim Werfen einer vollen Flasche ohne Verschluss so viel Flüssigkeit ausläuft, dass sie beim Aufschlag nicht mehr so gefährlich ist.

SZ: Die Flaschen werden wohl das kleinere Problem in punkto Sicherheit darstellen. Was unternehmen Sie gegen Hooligans?

Schmidbauer: Hooligans und solche, die schon Stadionverbot haben, sollen im Vorfeld aussortiert werden: Dort, wo es EU-Grenzen gibt, dürfen bekannte Gewalttäter, die schon mal im Umfeld von Fußballspielen in Erscheinung getreten sind, erst gar nicht einreisen. Innerhalb der EU muss sich dieser Personenkreis während der WM täglich bei der örtlichen Polizei melden, sonst droht ein Bußgeld. Dann gibt es noch Aufenthaltsverbote, Ortsverbote und Stadionverbote.

SZ: Wie groß ist denn der Kreis der gewaltbereiten Fußball-"Fans"?

Schmidbauer: Deutschlandweit haben wir etwa 10000. In München sind bislang rund 400 Personen registriert, die nicht ins Stadion dürfen.

SZ: Wie schätzen Sie die Terror-Gefahr ein?

Schmidbauer: Hier in München haben wir etwa 100 Verdächtige, die wir verstärkt überwachen werden. Bekommen sie Verstärkung aus dem Ausland? Gibt es in der Gruppe Aktivitäten? Wir müssen uns um die Zellen kümmern, die Verbindung zur al-Qaida haben, damit sympathisieren oder für die Organisation logistisch tätig sind. Nur leider geht unsere Rechtsprechung von lauter freiheitsliebenden Gutmenschen aus.

SZ: Was soll das heißen?

Schmidbauer: Anders herum gesprochen: Die Verfassungsrichter haben Misstrauen in die Gesetzestreue der Polizei. Die bürokratischen Hindernisse vor einer möglichen Überwachung sind zu groß. Man läuft Gefahr, dass die Maßnahme abgelehnt wird oder zu spät kommt.

SZ: Was halten Sie von Schäubles Vorschlag, Bundeswehrsoldaten zur Bewachung während der WM einzusetzen?

Schmidbauer: Rein rechtlich dürfen die Soldaten nur wie reine Ordner auftreten, also ohne die Befugnis, im Ernstfall einzugreifen. Grob gesagt würden sie erst zum Einsatz kommen, wenn es eine Explosion gegeben hat, um die Aufräumarbeiten zu erledigen. Ich plädiere für eine Verfassungs- und Gesetzesänderung. Erst dann wäre der Einsatz der Bundeswehr für uns eine Hilfe.

SZ: Die Münchner Polizei muss auch beim Rahmenprogramm für Sicherheit sorgen, Mannschaftsquartiere und Ehrengäste schützen, Verkehrsprobleme lösen und den "normalen" Betrieb aufrechterhalten...

Schmidbauer: Für unsere Beamten heißt das: Urlaubssperre vom 6. Juni bis 9. Juli. Wir werden die WM mit eigenen Kräften stemmen, eventuell noch mit Unterstützung der Bereitschaftspolizei. Das war's dann personell. Es ist angedacht, den Olympiapark während der WM einzuzäunen, um die friedlichen Fans von den Störern zu trennen. Und natürlich zieht die WM auch Kriminelle aus dem Ausland an, so dass wir im täglichen Betrieb noch stärker gefordert sind. Aber die WM ist ein Einsatzanlass, dem man im Berufsleben nur einmal begegnet. Deshalb denke ich, dass die Motivation der Münchner Polizei recht hoch sein wird.

SZ: München war 1972 Schauplatz des blutigen Olympia-Attentats. Ist das für Sie eine schwere historische Belastung?

Schmidbauer: Wir sind uns unserer Geschichte und der daraus resultierenden Verantwortung bewusst. Wir wiegen uns garantiert nicht in falscher Sicherheit.

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