Interview: Wolfgang Fierek:"Ich wollte immer Leuten gefallen"

Schauspieler Wolfgang Fierek hat beschlossen, sein Leben zu ändern. Ein Gespräch über Ängste, Lebenssinn und Hawk, den Medizinmann.

Sarina Pfauth

Wolfgang Fierek will sein Image als bayerischer Cowboy im Trachtenjanker loswerden: Der 58-jährige Schauspieler hat sich nach seinem schweren Motorradunfall dazu entschlossen, sein Leben zu ändern. Nun hat er eine eigene Produktionsfirma gegründet, im August läuft seine Reise-Dokumentation "Fierek on the Road again" im Bayerischen Fernsehen. In zwei Jahren will er seinen ersten Spielfilm drehen und dann einen Oscar gewinnen. Ein Gespräch über Ängste, Lebenssinn und Hawk, den Medizinmann.

Interview: Wolfgang Fierek: undefined
(Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Herr Fierek, ich kenne niemanden, der Sie unsympathisch findet. Was macht Sie so beliebt?

Wolfgang Fierek: Ich habe das Plus, dass Menschen lachen, wenn sie mich sehen. Als ich jünger und unerfahrener war, habe ich das immer als auslachen gedeutet. Inzwischen weiß ich, dass es eine große Gabe ist, wenn man Menschen erheitern kann. Wenn ich im Auto sitze und an der Ampel neben mir ein Wagen mit irgendwelchen Geschäftsmännern steht, dann sagen die: "Mensch, der Fierek! Wie geht's dir? Wie geht's der Harley?"

sueddeutsche.de: Die Leute duzen Sie immer sofort?

Fierek: Mich redet fast niemand mit "Herr Fierek" an. Ich bin immer der "Junge" oder der "Bua". Die Leute denken: Den kennen wir ja! Weil sie mich immer im TV sehen, besteht da eine gewisse Vertrautheit. Durch meine natürliche Art schaffe ich keine Barrieren wie andere Kollegen, die vielleicht aus Selbstschutz arroganter auftreten als ich. Seit 30 Jahren versuche ich die Antwort darauf zu finden, ob das gut ist oder ob ich mich besser hinter einer Sonnenbrille verstecken sollte.

sueddeutsche.de: Und?

Fierek: Je älter ich werde, desto mehr schätze ich Distanz. Aufs Oktoberfest gehe ich zum Beispiel nicht mehr ohne Begleitung von Freunden. Die Leute dort sind alkoholisiert und in bester Stimmung, da wird sofort umarmt. Nach der hundertsten Umarmung ist es dann genug. Mittlerweile bin ich auch alt und stark genug, dass ich aufstehe und gehe. Es ist mir dann egal, was die Leute denken - weil es mein Leben ist.

sueddeutsche.de: Ihre Musik und Ihre Rollen transportieren eine Leichtigkeit, die die Leute anzieht.

Fierek: Das ist mein Naturell. Ich habe mal gelesen: "Die Kunst ist es, Schwieriges leicht aussehen zu lassen." Das ist ein Leitspruch für mich. Manche Erfahrungen sind sehr hart, aber das schnitzt einen fürs Leben zurecht. Ich werde mir meine Leichtigkeit nicht nehmen lassen.

sueddeutsche.de: Haben Sie sich diese Leichtigkeit erarbeitet?

Fierek: Mein Vater war immer 150 Prozent positiv. Für den war nichts zu schwer. Die Mama war eher skeptisch und ein bisschen vorsichtiger. Natürlich kommt meine Lebenseinstellung auch von diesem wunderbaren Land Bayern, in dem man alles nicht zu ernst nimmt.

Im nächsten Abschnitt: Wolfgang Fierek über seinen schweren Motorradunfall - und den Medizinmann Hawk.

"Gott gibt es wirklich!"

sueddeutsche.de: Sie haben nach der Schule Feinmechaniker gelernt und waren danach Soldat, Lkw-Fahrer, Kellner, DJ.

Interview: Wolfgang Fierek: undefined
(Foto: Foto: Getty)

Fierek: Ich habe als Feinmechaniker gemerkt, dass ich mit meinem Beruf nicht weiterkomme als bis zur Werkbank nebenan - aber das hat mir nicht gereicht. Ich wollte immer Leuten gefallen. Ich wollte raus in die Welt. Als ich mir das erste Mal leisten konnte, mit dem eigenen Motorrad nach Amerika zu fliegen, war ich gleich drei Monate weg. Als das Geld ausging, habe ich auf Farmen eben Zäune repariert und Heu umgeschichtet für sieben Dollar am Tag. Ich denke, es gibt keine Grenzen - die macht man sich nur selbst.

sueddeutsche.de: Herr Fierek, Sie haben ein großes Kreuz um den Hals hängen. Ist das Schmuck oder ein Glaubensbekenntnis?

Fierek: Gott gibt es wirklich! Das Kreuz habe ich immer an, mir ist der Glaube sehr wichtig. Außerdem habe ich einen Medizinbeutel um meinen Hals hängen, den hab ich von meinem Medizinmann.

sueddeutsche.de: Ihrem Medizinmann?

Fierek: Ja, das ist ein Cheyenne-Indianer aus Tombstone, Arizona. Er heißt Hawk, ist Anfang 60 und hat nicht mehr viele Zähne im Mund. Er ist aber sehr vital. Immer wenn ich ein Projekt habe, rufe ich ihn an oder fahr vorbei und frage um Rat. Und dann sagt er mir: "Du, da gibt es Probleme, aber das schaffst du, sei auf der Hut" und so weiter. Und dann hat er mir dieses Beutelchen mitgegeben. Da ist ein Kristall drin, der soll mich unterstützen, bei allem Unbill.

sueddeutsche.de: Wie haben Sie diesen Medizinmann kennengelernt?

Fierek: Über einen anderen Freund, der auch Indianer ist. Der hat gesagt: Du schaust nicht gut aus, geh mal zum Hawk. Ich fuhr hin und wir haben Kaffee getrunken. Das hat acht Stunden gedauert. Und dann hat er gesagt, er sieht, dass ich sehr viel Schmerzen hatte. Dabei wusste er gar nichts von meinem Unfall! Er sagte: "Es wird alles gut, don't worry." So kam es.

sueddeutsche.de: Sie hatten 2003 einen sehr schweren Motorradunfall. Es muss ein schwerer Schock gewesen sein, danach im Krankenhaus aufzuwachen?

Fierek: Meine erste Frage war: Kann ich wieder Motorrad fahren? Eigentlich wollte ich aber wissen, ob mein Bein noch dran ist, weil ich das am Unfallort nicht mehr sehen konnte. Meine Frau hat gesagt: Ja, das wird alles wieder. Das war erst einmal beruhigend. Als meine Frau und die Ärzte dann weg waren und ich nachts alleine dalag, da habe ich mir gedacht: Wolfgang, du hast jetzt ein Problem. Das musst du wieder hinkriegen. Ich wollte wieder genau so leben wie vorher, und vielleicht sogar noch stärker und besser sein.

sueddeutsche.de: Und?

Fierek: Es stimmt! Ich merke, wie Kräfte und Instinkte in mir gewachsen sind, die ich vorher nicht hatte. Und gewisse Ängste sind einfach weg, denn schlimmer kann es nicht mehr werden. Es gibt Zeiten, in denen man wirklich verzweifelt ist. Wenn man keine Kraft mehr hat in der Reha, wenn man kotzt vor lauter Erschöpfung - es geht trotzdem weiter. Die Zeit tickt.

Im nächsten Abschnitt: Was man verliert, wenn der Geldbeutel schmäler wird.

"Ich will einen Oscar!"

Interview: Wolfgang Fierek: undefined
(Foto: Foto: Getty)

sueddeutsche.de: Was hat Ihnen geholfen, durchzuhalten?

Fierek: Der Glaube an mich selbst - und an Gott. Wir haben ja noch jemanden, der über uns steht. Aber trotzdem müssen wir alles nutzen, was wir auf unserer Welt zur Verfügung haben - ob Reha-Maßnahmen oder ein Medizinmann in Arizona.

sueddeutsche.de: Sie sprachen von Ängsten, die nach dem Unfall weniger geworden sind. Was meinen Sie damit?

Fierek: Wenn man Erfolg hat und das Bankkonto wächst, wachsen auch die Ängste, dass es wieder einmal schmäler wird. Wenn das Geld wieder weg ist und man erneut kämpfen muss, dann ist man an einem sehr wichtigen Punkt. Ich bin da angekommen, wo ich früher mal war: Ich habe mir wegen Geld keine unnötigen Gedanken mehr gemacht.

sueddeutsche.de: Was hat der Unfall sonst noch verändert?

Fierek: In der Zeit danach habe ich sehr viel nachgedacht. Ich habe mich mit dem Tod beschäftigt und auch mit der Zeit, die noch bleibt. Ich hatte viele Fragen: Warum ist das alles passiert? Vielleicht ist das ein Zeichen vom lieben Gott? Was willst du eigentlich noch erreichen?

sueddeutsche.de: Haben Sie Antworten gefunden?

Fierek: Im Krankenhaus habe ich festgestellt, dass ich was ändern muss. Ich will Kinofilme produzieren, ich will einen Oscar! Ich habe mich davor in eine Schublade stecken lassen - der bayerische Cowboy mit Trachtenjacke. Bayern würde ich nie verleugnen, aber trotzdem: Es gibt auch moderne Leute, die in Bayern leben. Es ist für mich aber Zeit, etwas anderes zu machen. Ich starte jetzt mit einer Dokumentarserie im Bayerischen Fernsehen und werde in zwei Jahren meinen ersten Spielfilm drehen. Den dreh ich einfach.

sueddeutsche.de: Wissen Sie schon, wovon er handeln soll?

Fierek: Der beginnt in Bayern und hört bei den Indianern auf. Ich will nicht mein Leben verfilmen, aber die Dinge, die mich begleiten, mit denen ich mich auskenne. Wim Wenders dreht auch immer in Amerika, weil er sich dort auskennt.

Lesen Sie auf der letzten Seite: Wolfgang Fierek über Demut - und seinen Trauerzug.

"Ich sehe, dass ich ab und zu müder bin als früher."

sueddeutsche.de: Herr Fierek, wie wollen Sie alt werden?

Fierek: Viele würden jetzt sagen: überhaupt nicht. Ich sage: in Würde. Ich glaube sowieso, dass ich im Herzen nie alt werde. Ich sehe es an meinen grauen Schläfen, dass ich älter werde. Ich sehe, dass ich ab und zu müder bin als früher. Aber wenn ich auf dem Motorrad sitze, werde ich immer jünger. Ich habe noch viele Ziele, die ich erreichen möchte und werde.

sueddeutsche.de: Was wollen Sie einmal über Ihr Leben sagen können?

Fierek: Eines meiner Lebensziele ist Zufriedenheit. Ohne Arbeit bin ich unausstehlich. Wenn ich merke, jetzt geht es langsam zu Ende, dann würde ich gerne denken: Mensch, das hast du alles gemacht! Bei meinem Trauerzug wäre es schön, wenn die Leute sagen würden: Das war ein dufter Typ.

sueddeutsche.de: Ist das der Sinn des Lebens, gute Arbeit zu leisten?

Fierek: Der besteht nicht nur darin, so viel Erfolg wie möglich zu haben. Ich arbeite auch für andere Menschen. Ich engagiere mich unter anderem für die Deutsche Gesellschaft Muskelkranker. Da sieht man Menschen, die ein Jahr zuvor noch gut beinander waren, aber dann kommen sie nicht mehr alleine aus dem Rollstuhl. Da wird man demütig. Solche Treffen tun mir gut. Vielen Kollegen, die ich dazu eingeladen habe, sind leider sinnlose Golfturniere oder Events wichtiger.

sueddeutsche.de: Sie haben nach indianischem Ritus geheiratet. Hat das der Medizinmann eingefädelt?

Fierek: Meine Frau ist Muslimin, ich bin Christ. Da gab es im Vorfeld natürlich einige Probleme. Der Vater von Djamila wollte gerne, dass ich zum Islam konvertiere. Meine Mutter wollte aber, dass wir katholisch heiraten. Das hat sich langsam zugespitzt, wurde lästig. Ich habe dann zu Djamila gesagt: "Baby, lass uns doch ganz anders heiraten!" Da kamen ein Medizinmann und ein Geistlicher und wir wurden nach indianischem Zeremoniell getraut, sehr exotisch. Alle sind eingeflogen, bis auf meine Mutter, die hat sich gesträubt. Das hat mir sehr weh getan, aber ich habe das akzeptiert.

sueddeutsche.de: Wie heißen Sie auf Indianisch?

Fierek: Wi Cha Pi Wi Cha Sa. Das heißt: "Der Mann der Sterne".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: