Interview über Shoppen ohne Ende:"Man trifft sich nachts im Shop"

Matthias Held, eigentlich Münchner, lebt in New York und gründete eine Werbeagentur. Inzwischen ist der 43-Jährige fast ein typischer New Yorker geworden. Das heißt: Shopping auch mitten in der Nacht ...

Interview: Arno Makowsky

Shoppen rund um die Uhr? Was sagen Sie?

SZ: Erinnern Sie sich, wie es in den Achtzigerjahren war, in München einzukaufen? Um 19 Uhr macht alles zu, am Samstag sind auch die Kaufhäuser schon nachmittags um vier Uhr dicht.

Held: Daran erinnere ich mich sehr gut. Als ich weggezogen bin, gab es noch nicht mal den langen Donnerstag. Das war in NY anders. Hier bekommt man zu jeder Tages- und Nachtzeit alles in den Delis, in den Delikatessen-Shops. Die heißen irreführenderweise so, in Wirklichkeit bekommt man da alles, SZ: was mit dem Haushalt zusammenhängt.

SZ: Das heißt, Ihre Einkaufsgewohnheiten haben sich schlagartig geändert?

Held: Nee, das nun auch nicht. In den Deli geht man vor allem, wenn man etwas vergessen hat. Du willst abends was kochen und hast kein Salz mehr, dann holst du das im Deli. Oder wenn bei der Party die Getränke alle sind. Die normalen Einkäufe machen auch die Amerikaner immer tagsüber und nicht mal schnell in der Nacht. Das hängt damit zusammen, dass Einkaufen etwas Kommunikatives ist - darauf legen Amerikaner großen Wert.

SZ: Kleidung oder die neue Stereoanlage kann man also auch in New York nicht in der Nacht kaufen, selbst wenn man das wollte?

Held: Nein, auch in den USA sind die normalen Shops und Kaufhäuser abends geschlossen, die meisten machen zwischen sieben und acht Uhr zu. 24 Stunden lang shoppen kann man nur in den Delis. Die gibt es allerdings an jeder Straßenecke. Das Angenehme daran ist, dass man tagsüber nicht konzentriert mit der Einkaufsliste durch den Supermarkt rennen muss. Einfach weil man das Fehlende immer besorgen kann.

SZ: Welche Leute trifft man dort nachts?

Held: Da herrscht eine lockere Atmosphäre, viele Nachtschwärmer sind unterwegs, die meisten sind gut drauf und haben einfach keine Lust, ins Bett zu gehen. Viele kaufen Alkohol. Wenn ich mal Wein oder Bier brauche, kaufe ich das tatsächlich auch nachts. Und wenn man eingeladen ist, ist es toll, noch schnell etwas zum Mitbringen besorgen zu können.

„Man trifft sich nachts im Shop“

SZ: Man hört immer von amerikanischen Shopping-Malls, die 24 Stunden lang geöffnet haben ...

Held: Ja, die gibt es. Aber sie sind außerhalb der Zentren, bei uns hier außerhalb von Manhattan. In New Jersey gibt es eine Mall. So toll ist die aber nicht. Richtiges Nacht-Shopping, wie Sie sich das vorstellen, gibt es vielleicht in Las Vegas.

SZ: Ist grenzenloses Einkaufen-können also nichts, was zum Flair einer Weltstadt dazu gehört?

Held: Doch, natürlich. Die Delis in New York machen diese Stadt schon lebendig. Da bekommst du Obst, Nähzeug, Medikamente, eigentlich alles. Das möchte ich nicht mehr missen. Aber mitten in der Nacht Klamotten kaufen oder einen neuen Rasierapparat - das halte ich für Käse. Das braucht niemand.

SZ: Was haben Sie sich zuletzt um zwei Uhr morgens gekauft? Held: Das war letzten Donnerstag. Tomaten, Süßigkeiten, Mineralwasser.

SZ: Mal von der Uhrzeit abgesehen: Was ist der größte Unterschied bei den Einkaufsgewohnheiten zwischen Münchnern und New Yorkern?

Held: In New York gibt es drei Typen von Shoppern. Eine sehr große Gruppe von Menschen geht nacheinander in fünf Läden, um zu sehen, wo es ein Produkt am billigsten gibt. Das gilt als Volkssport. Die zweite Gruppe kauft alles zu jedem Preis - Hauptsache, es geht schnell. Und eine dritte Gruppe genießt Shoppen als Lebensinhalt.

Das ist ein Teil der amerikanischen Kultur. Man trifft Leute im Laden, man diskutiert, man probiert etwas und geht dann wieder. Das ist in München, so wie ich es kenne, anders. Produktorientierter. Ich brauche etwas, also kaufe ich es. Mit Kommunikation hat das nicht viel zu tun, oder?

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