Interview: The Marble Man:Von einem, der auszog

Keine Spur von Lampenfieber: Am Samstag spielt The Marble Man beim Sonnenrot Festival auf der gleichen Bühne wie Maximo Park. Ein Gespräch über das neue Album, die schöne bayerische Provinz - und das Glück, ihr zu entfliehen.

L. Checchin

Mit dem Hype ist es so eine Sache. Meistens trifft er die Falschen. Aber es gibt auch Ausnahmen von dieser Regel. Josef Wirnshofer, alias "The Marble Man", ist so eine Ausnahme. Seine schlichten und tieftraurigen Folksongs, aufgenommen auf dem elterlichen Dachboden in Traunstein, brachten 2007 so manches Kritikerherz zum höher schlagen. Selbst vor Vergleichen mit Alternative-Größen wie Nick Drake schreckte die Musikpresse nicht zurück. Soeben hat der 22-jährige Musiker, der mittlerweile in München lebt, sein neues Album "Later, Phoenix..." veröffentlicht. Zeit zu erfahren, was nach dem Hype geschieht. Ein Gespräch über die schwere zweite Platte, den Stadt-Land-Komplex und das Erwachsenwerden.

Interview: The Marble Man: "Älter wird man auch auf dem Land", sagt Josef Wirnshofer. Trotzdem zog es den Musiker von Traunstein nach München.

"Älter wird man auch auf dem Land", sagt Josef Wirnshofer. Trotzdem zog es den Musiker von Traunstein nach München.

(Foto: KF-Records/ skull3)

sueddeutsche.de: Ihre neue Platte heißt Later, Phoenix... - der Phönix ist das Symbol der Wiedergeburt, des Wandels. Gleichzeitig sind Sie aus der bayerischen Provinz nach München gezogen. Ist es die Veränderung in Ihrem Leben, um die es geht?

Josef Wirnshofer: Für mich war immer klar, dass ich in die Stadt will. Früher habe ich mich auf dem Land eingeengt gefühlt und wollte einfach nur fort. Mittlerweile komme ich aber auch ganz gerne wieder nach Hause und weiß Seiten am Land zu schätzen, die mir vorher vollkommen selbstverständlich waren.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel?

Wirnshofer: Etwa die Natur oder die Ruhe. Wobei ich auch Lärm mag und das Gefühl, dass etwas um mich herum passiert. Es fragen viele, inwiefern die Stadt oder der Umzug die Platte geprägt hat. Das spielt schon mit rein, aber ich würde es nicht überbewerten. Älter wird man auch auf dem Land.

sueddeutsche.de: Hat Ihnen das Aufwachsen auf dem Land beim Musikmachen geholfen?

Wirnshofer: Vielleicht gibt es auf dem Land einfach mehr Reibungsfläche. In deutschen Großstädten, wie München oder Berlin, herrscht ja ein sehr liberales Klima. Auf dem Land ist Tradition und ein gewisser Wertekanon noch präsenter. Ich konnte damit nie viel anfangen. Das Land kann sogar ein Katalysator für Subkultur sein, weil es einfach mehr gibt, über das man sich aufregen kann. Aber es gibt auch in der Stadt viele starre, verstockte Menschen. Dort ist es nur einfacher diesen Menschen zu entfliehen.

sueddeutsche.de: Also schon eine Aufbruchplatte?

Wirnshofer: Ich würde das Album nicht als Aufbruchplatte bezeichnen. Während ich es schrieb, habe ich das Buch Das Kind in uns von John Bradshaw gelesen. Darin geht es um das innere Kind eines jeden, inwiefern einen das im ganzen Handeln und Gebaren beeinflusst. Das fand ich sehr schlüssig.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Wirnshofer: Ich glaube, wenn man sein inneres Kind erst einmal findet und annimmt, dass man dann - das klingt jetzt wahnsinnig pathetisch - so eine Art Wiedergeburt erlebt. Man wird sich dessen bewusst, wer man eigentlich ist und was man will. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass man immer allein ist. Nicht im Sinne von einsam sein, sondern insofern, dass man nur selbst seine Entscheidungen fällen kann.

sueddeutsche.de: Und warum das "later" im Titel?

Wirnshofer: Es ist einfach ein sehr langer, mühsamer Weg, der sicherlich auch mit Schmerz verbunden ist. Auch wenn man sich eigentlich schon bewusst ist, wie man diesen Weg gehen sollte, gibt es trotzdem noch Momente, an denen man nicht die Kraft dazu hat. Deswegen das "later". Das ist nichts, was man von heute auf morgen ändern könnte. Im Gegenteil, ich glaube, dafür sind die Twens da. Ich bin jetzt 22 - dafür habe ich schon noch Zeit, bis ich dreißig bin.

sueddeutsche.de: Für Ihre erste Platte haben Sie großartige Kritiken bekommen. Machte das das Schreiben der zweiten schwerer?

Wirnshofer: Man muss sich zunächst frei machen. Die erste Platte habe ich viel entspannter aufgenommen, weil ich nicht wusste, dass sie überhaupt rauskommt. Ich habe sie eigentlich nur für mich gemacht. Bei der zweiten Platte habe ich dann schon überlegt, was jetzt der und der über mich schreiben wird. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mir gesagt habe: Egal.

sueddeutsche.de: Also sollten Musiker Kritiker nicht so wichtig nehmen?

Wirnshofer: Ich finde es immer eigenartig, wenn Musiker damit kokettieren, ihnen seien die Kritiken ganz egal. Natürlich freut es mich, wenn Kritiken gut sind.

sueddeutsche.de: Im Gegensatz zum ersten Album haben Sie Later, Phoenix... nicht bei sich zu Hause, sondern im Studio aufgenommen. Warum?

Wirnshofer: Ich wollte gerne mit einem Produzenten arbeiten, da ich wusste, dass ich mich schnell in Sachen verrenne. Ich dachte, ein Produzent würde mir guttun, weil ich dann nicht so einen Tunnelblick bekomme, sondern noch eine zweite Meinung habe. Außerdem wollte ich ins Studio, weil einige Songs auf der zweiten Platte einfach opulenter sind.

sueddeutsche.de: Das neue Album scheint lauter, rockiger zu sein als das erste. Gab es musikalisch etwas, dass Sie bei den Aufnahmen beeinflusst hat?

Wirnshofer: In letzter Zeit habe ich viel Krautrock gehört. Zwischendurch hatte ich aber auch eine Klassik- und eine Disco-Phase. Während ich die Platte machte, hörte ich meistens Queen und die Pet Shop Boys. Grundsätzlich haben mich aber sicherlich die Beatles am massivsten beeinflusst. Zwischen meinem zehnten und dreizehnten Lebensjahr habe ich jeweils drei Monate lang ein Beatles-Album nach dem anderen auf Repeat gehört.

sueddeutsche.de: Haben Sie irgendwann mal gedacht, das Lied hätte ich auch gerne geschrieben?

Wirnshofer: Ja, oft. Beim allerersten Song, den ich mit dreizehn geschrieben habe, dachte ich zum Beispiel: Eigentlich ganz gut, aber irgendwie kommt dir das bekannt vor. Ich bin lange nicht darauf gekommen und erst als ich mir Jahre später Harvest von Neil Young kaufte, merkte ich, dass ich unbewusst Heart of Gold geklaut hatte.

sueddeutsche.de: Klingt lustig.

Wirnshofer: Tragisch, würde ich sagen.

The Marble Man auf MySpace: http://www.myspace.com/marblesongs

Das Album "Later, Phoenix..." von The Marble Man ist bei KF Records erschienen.

The Marble Man spielt am 16.7. in Erlangen, am 17.7 auf dem Sonnenrot Festival, am 14.8. in Schorndorf, am 28.8. in Bremen, am 4.9. in Dresden, am 18.9. in Mehring/Berghausen und am 15.10. in München.

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