Interview:"Nah bei ihren Wurzeln"

sherin dahi

Sherin Dahi hat mit ihrer Schwester den Verein Spendahilfe gegründet. Ihr Vater kam vor 35 Jahren selbst als Flüchtling aus Syrien nach München.

(Foto: oh)

Die Familie Dahi unterstützt Syrer, die in die Türkei geflohen sind

interview Von Günther Knoll

Der Verein heißt "Spendahilfe". In dieser Bezeichnung steckt der Name der Familie Dahi. Die Dahis leben seit Jahren in München, stammen aber selbst aus Syrien. Seit Vater Mahmoud Dahi an der türkisch-syrischen Grenze war, um dort ein Medikament abzuliefern, und dabei die Zustände in den Flüchtlingslagern sah, gibt es für ihn nur noch eins: helfen. Seine Familie unterstützt ihn, die Töchter Sherin und Yasmin Dahi haben den Verein gegründet. Sherin Dahi berichtet darüber.

SZ: Ständig kommen syrische Flüchtlinge nach München. Warum helfen Sie nicht hier?

Sherin Dahi: Unsere Überzeugung ist, dass die Menschen möglichst nah bei ihren Wurzeln bleiben sollen. Wenn sie aber um ihr Leben und um das ihrer Familien fürchten, dann müssen sie fliehen. Die Flüchtlingslager in der Türkei waren bald überfüllt. Als mein Vater das sah, hat er sein bisheriges Leben aufgegeben, um dort zu helfen. Wir unterstützen mit unserer Arbeit vor allem Familien und Frauen mit Kindern. Unser Ziel ist es, dass sie eine gewisse Normalität genießen und dann, wenn einmal Frieden herrscht, wieder nach Syrien zurückkehren können. Seit vier Jahren sagen wir: Wartet auf morgen!

Mit Kuscheltieren und Kleidung für Flüchtlingskinder fing alles an. Inzwischen ist aus Ihrer privaten Aktion ein Verein geworden, der viele Projekte in der Türkei betreibt.

Wir haben jetzt sechs Kilometer von der Grenze entfernt Wohnungen für Familien, wo die Flüchtlinge vorübergehend unterkommen können. Wir haben einen Kindergarten, eine Werkstatt für die Frauen und jetzt auch ein Waisenhaus. Wir wollen noch eine Prothesenklinik aufbauen, die Genehmigungen dafür haben wir schon. Und wir versorgen Flüchtlinge mit Brot. Wir sehen uns als eine Art Feuerwehr, die einspringt, wenn der türkische Staat und die großen Hilfsorganisationen nicht schnell genug reagieren. Für all das suchen wir auch Sponsoren (Spendahilfe e.V., Stadtsparkasse München, IBAN DE45 7015 0000 1003 348347).

Anfangs gab es aber auch Probleme.

Mein Vater hatte selbst ein kleines Lager aufgebaut mit etwa 140 Zelten, weil viele Flüchtlinge einfach keinen Platz fanden. Das wurde, weil es inoffiziell war, mitsamt deren Hab und Gut eines Tages einfach weggeräumt, als mein Vater gerade Brot holte. Das hätte auch schonender gehen können. Inzwischen kommen wir gut klar mit der türkischen Regierung . Der Gesundheitsminister der Osttürkei war sogar bei der Einweihung des Waisenhauses dabei.

Ist es denn nicht gefährlich dort an der Grenze, wo es zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt?

Wir sind sechs Kilometer weg von der Grenze. Als wir jetzt unseren Familienurlaub dort verbrachten, hörten wir auch Einschläge. Die Kinder wurden dann immer ganz still. Sie können genau unterscheiden, ob das eine Rakete oder Fassbombe war. Und unser Vater musste uns versprechen, nicht mehr nach Syrien hineinzufahren. Im Gegenzug gründeten wir den Verein.

Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Die Grenzöffnung hat noch mehr Menschen zur Flucht bewegt. Natürlich fragen sie uns, wie sie nach Europa kommen können und wie es ist in Deutschland. Wir sagen: Bleibt, wo man euch versteht. Syrien wird leer gekehrt. Es wird von null anfangen müssen. Dann sind die Menschen an der türkischen Grenze schneller zurück.

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