Interview mit Nida-Rümelin:Wer wird Präsident?

Eigentlich hat sich die Kandidatur von Julian Nida-Rümelin erledigt: Die LMU bessert beim Bologna-Prozess nach. Jetzt erklärt er, wieso er trotzdem kandidieren will.

M. Thurau

Zwei Bewerber, ein Job: An der Universität München (LMU) wächst die Spannung und offenbar auch die Nervosität, wen der Hochschulrat Anfang Juni zum neuen Präsidenten macht: Löst Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin den Amtsinhaber Bernd Huber ab? Jetzt nimmt der Philosophie-Professor Stellung - nachdem die Dekane der Fakultäten die Kandidatur seines Konkurrenten unterstützen.

Julian Nida-Rümelin

Nida-Rümelin hat Verständnis für die LMU-Dekane, die einen Kurswechsel an der Universität als Nachteil sehen.

(Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

SZ: Wie gehen Sie mit dem Votum der Dekane um?

Nida-Rümelin: Ich unterstütze Hubers Kandidatur auch, er hat sich große Verdienste um die Universität erworben. Wäre ich dabei gewesen, hätte ich ebenfalls dafür gestimmt. Allerdings darf man das jetzt nicht als Entscheidung der Universität missverstehen. Denn stellen Sie sich einmal vor, eine Fakultät verabschiedet eine Berufungsliste ohne Vorstellung der Kandidaten, ohne Kenntnis ihrer Konzeptionen, ohne geheime Abstimmung, das würde natürlich als skandalös gelten. Aber so war es offenbar ja nicht. Mir ist es jedenfalls so berichtet worden: Nachdem die Rechtsabteilung den Dekanen untersagt hat, die Kandidaten einzuladen, da ihre Runde gar kein Entscheidungsgremium sei, haben sie sich vernünftigerweise darauf beschränkt, lediglich die Kandidatur Hubers zu befürworten. Zu meiner Kandidatur haben sie kein Votum abgegeben.

SZ: Das klingt mitunter aber anders: Die Dekane könnten es sich schwer vorstellen, wie die "Federführung an der LMU in andere Hände gehen solle", jetzt, da vor allem die Exzellenz-Initiative wieder ansteht, so Physiker Axel Schenzle.

Nida-Rümelin: Da gab es offenbar unterschiedliche Meinungsäußerungen, die kann man nicht allen Dekanen unterschieben. Ich habe sogar dafür Verständnis, dass manche meinen, ein Kurswechsel sei für die Exzellenz-Initiative ein Nachteil. Ich habe aber einen Kurswechsel gar nicht vor; über meine Vorstellungen zur Exzellenz-Initiative hatten die Dekane keinerlei Informationen.

SZ: Wenn Sie die Kandidatur von Herrn Huber auch unterstützt hätten - warum sind Sie dann angetreten?

Nida-Rümelin: Von Anbeginn an habe ich mir mit dieser Bewerbung keine großen Chancen ausgerechnet. Ich habe mich im Herbst vergangenen Jahres, als die Studenten streikten, entschlossen anzutreten - auch als Zeichen an die Studierenden, dass es im wissenschaftlichen Establishment Leute gibt, die ihre Kritik an der verkorksten Bologna-Reform teilen - und auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

SZ: In großer Eile bessert die LMU nun beim Bologna-Prozess nach. Nimmt Ihnen das den Wind aus den Segeln?

Nida-Rümelin: Es ist in der Tat erstaunlich und erfreulich, was sich da in den letzten Monaten getan hat. Ich habe das ganz konkret mitbekommen, weil ich als Dekan ja in diese Entscheidungsprozesse eingebunden bin. Über Jahre hinweg habe ich, wie viele andere, immer wieder Fehler des neuen Studiensystems beanstandet - vergeblich. Jetzt sind all unsere Kritikpunkte aufgegriffen worden, wirklich alle. Die angemahnten Verbesserungen sind bereits umgesetzt oder scheinen auf einem guten Wege zu sein.

Einheit von Forschung und Lehre

SZ: Um welche Punkte geht es da?

Nida-Rümelin: Eine wichtige Frage ist die Kombinierbarkeit von Haupt- und Nebenfächern. Für die Philosophie ist es beispielsweise ein Desaster, wenn sie nicht mit der Physik kombinierbar ist, weil man dann die Wissenschaftstheorie nicht mehr seriös studieren kann. Das war bislang nicht möglich, ähnliche Beispiele finden sich für nahezu alle Fächer. Jetzt ist die Zahl der zulässigen Fächerkombinationen wieder deutlich erhöht worden, wenn auch ohne die absolute Garantie, dass man jedes Lehrangebot überschneidungsfrei studieren kann. Ein weiteres Beispiel: Bislang war ein Bachelorstudiengang nur auf sechs Semester ausgelegt, obwohl der Bologna-Prozess das nie strikt vorgegeben hat. Nun eröffnen wir Studenten in Fächern, für die sie zum Beispiel erst einmal zusätzliche Sprachkenntnisse erwerben müssen, die Option auf ein achtsemestriges Studium.

SZ: Wenn jetzt alles gut wird mit der Bologna-Reform, bleiben Sie dann überhaupt bei Ihrer Kandidatur?

Nida-Rümelin: Wenn ich sie jetzt aufgrund dieser erfreulichen Annäherung zurücknähme, könnte man fast den Eindruck gewinnen, ein nach der Grundordnung der Universität gar nicht existierendes Gremium mit einem mehr oder weniger dubiosen Verfahren habe mit ein bisschen Pressearbeit eine so weitgehende Entscheidung für die LMU getroffen, während der Hochschulrat als tatsächlich entscheidendes Gremium gar keine Möglichkeit mehr habe, sich dazu eine Meinung zu bilden. Nach einem ausführlichen Gespräch mit mir und auch mit Herrn Huber, nehme ich an, hat der Wahlausschuss des Hochschulrates uns beide als Kandidaten nominiert. Jetzt ist es im Interesse der Universität als ganzes, dass sich dieser Hochschulrat in Ruhe, wohlvorbereitet und unter fairen Bedingungen eine Meinung bildet und entscheidet. Und auch wenn sich das Hauptmotiv für meine Kandidatur weitgehend erledigt hat, gibt es ja noch eine Vielzahl anderer inhaltlich interessanter Fragen.

SZ: Was nehmen Sie sich für den Fall vor, dass Sie Bernd Huber ablösen?

Nida-Rümelin: Wir müssen beispielsweise größeren Wert auf die Einheit von Forschung und Lehre legen. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Entwicklung weiter in Gang kommt, bei der am Ende ein Teil des wissenschaftlichen Personals an den deutschen Universitäten die Lehre, mehr oder weniger verschult, abwickelt und der andere Teil forscht. Die Universität sollte auch nicht in ein mittelständisches Unternehmen umstrukturiert und entsprechend geführt werden, sondern sich weiterhin als eine Republik der Lehrenden und Studierenden, der forschenden und nicht forschenden Mitarbeiter verstehen. Allein die Tatsache allerdings, dass schon Kandidaturen zu Irritationen führen, zeigt, dass wir die alte Idee der Universität als Republik offensichtlich nicht mehr sehr ernst nehmen.

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