Süddeutsche Zeitung

Interview mit Lali Puna:"München ist am härtesten"

Nach sechs Jahren ist die Elektropop-Band Lali Puna zurück. Sängerin Valerie Trebeljahr über ihre Auszeit, die Münchner Szene und den Ärger mit YouTube.

Beate Wild

Zehn Jahre ist es schon her, dass die Band "Lali Puna" dem Indietronic-Genre entscheidende Impulse gegeben hat. Vor allem das dritte Album "Faking The Books" feierte rund um den Erdball große Erfolge. Die Band, 1998 von vier Musiker aus Weilheim gegründet, hat nun nach sechs Jahren Pause ein neues Album aufgenommen. Am 9. April erscheint "Our Inventions". sueddeutsche.de sprach mit Sängerin Valerie Trebeljahr, die mittlerweile 35 Jahre alt ist und eine dreijährige Tochter hat. Zusammen mit Kind und Mann Markus Acher, der bei Lali Puna am Bass steht, wohnt sie im Glockenbachviertel.

sueddeutsche.de: Euer letztes Album ist 2004 erschienen. Die Fans mussten eine lange Durststrecke überstehen, bis jetzt "Our Inventions" herauskam. Warum hat es sechs Jahre gedauert?

Valerie Trebeljahr: Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat The Notwist ein Album aufgenommen, das hat lange gedauert (Anm. d. Red.: Markus Acher, der Sänger von The Notwist, ist Valerie Trebeljahrs Lebensgefährte und Bassist bei Lali Puna). Und der andere Grund ist, dass ich ein Kind bekommen habe. Deshalb habe ich eine Auszeit genommen.

sueddeutsche.de: Wie lange habt ihr an "Our Inventions" gearbeitet?

Trebeljahr: Etwa zwei Jahre. Und die Auszeit hat uns gut getan, weil wir wieder mit viel neuen Ideen ans Werk gegangen sind.

sueddeutsche.de: Das neue Album knüpft aber an die schon bekannte Lali-Puna-Tradition an.

Trebeljahr: Das schon, aber wir sind viel elektronischer geworden. Wir wollten weg von den Gitarren. Wir hatten eigentlich sogar vor, ein Album für den Dancefloor zu produzieren, doch dann haben wir gemerkt, dass uns das Ruhige doch besser liegt. Wir haben lange herumprobiert und uns letztendlich entschieden, die Stücke anders zu arrangieren als ursprünglich geplant. Jetzt sind auch viele Popstücke drauf.

sueddeutsche.de: Schreibt ihr die Stücke zusammen?

Trebeljahr: Die Texte schreibe ich alleine, am Sound sind wir alle beteiligt. Wenn wir im Studio sitzen, bringt jeder seine Ideen ein.

sueddeutsche.de: Wie inspirieren Sie sich für Ihre Songs?

Trebeljahr: Ich orientiere mich am Weltgeschehen, lese viel Zeitung. Der Titel "Our Inventions" beruht tatsächlich auf einem SZ-Artikel. Es war ein Text im Wissensteil, in dem es darum ging, dass das Kommunikationssystem der Vögel durch die Melodien unserer Handys gestört wird. So kam es zur Textzeile: "The birds in the trees singing our mobile melodys - what a sweet sweet world".

sueddeutsche.de: Habt ihr das Album wieder in Weilheim produziert?

Trebeljahr: Nein, dieses Mal haben wir die Platte vollständig in München aufgenommen, genauer gesagt in Schwabing, im Portmanteau-Studio in der Franz-Josef-Straße. Das war sehr entspannt. Wir mussten nicht jeden Tag extra eine Stunde fahren, um ins Studio zu kommen.

sueddeutsche.de: Aber ihr seid doch eigentlich Weilheimer?

Trebeljahr: Ursprünglich ja, aber wir wohnen schon lange alle in München, seit Jahren. 99,9 Prozent der Weilheimer Musiker wohnen in München. Ich selbst bin nach dem Abitur nach München gekommen.

sueddeutsche.de: Gibt es dann überhaupt diesen viel beschworenen "Sound of Weilheim"?

Trebeljahr: Natürlich gibt es den. Neben Lali Puna werden dem auch The Notwist, Ms. John Soda, Console und das Tied & Tickled Trio zugerechnet. Erstens weil es enge personelle Verbindungen unter den Bands gibt, zweitens haben alle diese Leute ein gewisses Selbstverständnis von Musik, dass sich dann im Klangbild widerspiegelt. Den Weilheimern geht es um die Musik an sich und nicht um kommerzielles Interesse, das ist vielleicht das Grundlegendste.

sueddeutsche.de: Im Herze bleibt man also immer Weilheimer?

Trebeljahr: Irgendwie schon, aber ich mag München sehr gern.

sueddeutsche.de: Wie gefällt Ihnen die Münchner Musikszene?

Trebeljahr: Es gibt sehr gute Musik aus München. Beispielsweise sind die Sachen vom Gomma-Label großartig. Ich denke auch gerne an die Gomma-Partys in der Registratur zurück, die waren immer toll. Aber eigentlich ist die Musik-Szene in München komisch: Es kennt jeder jeden, aber trotzdem macht jeder sein eigenes Ding. Vernetzt ist das Ganze nicht, so wie in anderen Städten.

Lesen Sie auf Seite 2, welches der Münchner Lieblingsclub von Lali Puna ist und warum es so hart ist, in München aufzutreten.

sueddeutsche.de: Wenn ihr in München ausgeht, wo geht ihr hin?

Trebeljahr: Mein Lieblingsclub derzeit ist die Rote Sonne. Leider gibt es ja den Club2 nicht mehr, auch wenn seine Macher noch hin- und wieder Events veranstalten. Es gibt in München einfach keine Independent-Szene, das ist sehr schade.

sueddeutsche.de: Woran liegt das?

Trebeljahr: Das fängt schon bei den Münchner Studenten an, die haben in der Regel so viel Geld, dass sie es lieber für ein Franz-Ferdinand-Konzert ausgeben, als für drei kleine Konzerte von Nachwuchsbands. Ein Student in Berlin geht lieber zu einem Subkultur-Event. Ich selbst habe ja auch in München studiert, daher weiß ich, dass es diese typisch linke Hochschulkultur hier nicht gibt.

sueddeutsche.de: Es fehlt den Münchnern also am Verständnis für die Subkultur?

Trebeljahr: Großenteils schon. Wobei es dann wieder wunderbare Sachen wie die Zombocombo gibt. Das ist wichtig für München, weil es eine andere Art von Kultur ins Spiel bringt. Auch in der Kunstecke hat sich München in den letzten Jahren weiterentwickelt, ein Beispiel hierfür ist die Lothringer13. Davon muss es noch mehr geben.

sueddeutsche.de: Du hast Lali Puna 1998 gegründet. Seither hat sich im Musikgeschäft viel verändert, vor allem durch Seiten wie MySpace und YouTube. Wie findet ihr diese Entwicklung?

Trebeljahr: Man muss ganz klar sagen, dass Bands in der Größe von Lali Puna dadurch finanzielle Probleme haben. Früher konnten wir allein von der Musik leben, das geht heute nicht mehr. Die Verkäufe sind extrem zurückgegangen.

sueddeutsche.de: Verdienen die Bands heute ihr Geld eher durch Live-Auftritte?

Trebeljahr: Auch nicht unbedingt, das ist ein Trugschluss. Für eine neue Band ist es heutzutage nahezu unmöglich, damit Geld zu verdienen. Die müssen fast umsonst spielen, weil es ein so großes Überangebot an Live-Konzerten gibt.

sueddeutsche.de: Lali Puna hat Fans auf der ganzen Welt. Wo spielt ihr am liebsten?

Trebeljahr: In Italien und Spanien spielen wir sehr gerne, da haben wir viele Fans. Die gehen dort auch viel mehr aus sich raus als die deutschen Fans. Und Japan macht großen Spaß.

sueddeutsche.de: Wie ist es, in der eigenen Stadt zu spielen?

Trebeljahr: In München zu spielen ist am härtesten überhaupt, weil man da besonders aufgeregt ist. Da stehen so viele Leute vor einem, die man gut kennt, da will man keine Fehler machen.

Live sind Lali Puna am 28. Mai im Ampere zu erleben. Am 25./26. Juni treten sie beim Puch Festival auf. Seit dieser Woche ist das Video zu dem neuen Song "That day" im Netz zu sehen.

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