Religion und Bräuche:"Eine schöne Heimat kann man überall haben"

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Stephanie Heyl vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege betreut seit zehn Jahren Schulprojekte. (Foto: Robert Haas)

Stephanie Heyl erklärt, was Kinder als Heimat empfinden - und warum das auch Orte sein können, die sie nie selbst gesehen haben.

Interview von Kathrin Aldenhoff

Sie will Kindern die Augen öffnen, für das, was sie umgibt: Stephanie Heyl ist beim Bayerischen Landesverein für Heimatpflege seit zehn Jahren für Schulprojekte zuständig. Die Diplom-Archivarin erzählt, was Heimat Kindern bedeutet. Und warum muslimische Kinder sich oft besser in ihrer Religion auskennen als christliche.

SZ: Frau Heyl, was ist für Kinder und Jugendliche Heimat?

Stephanie Heyl: Heimat ist da, wo sie sich wohlfühlen. Wo sie geboren sind, wo sie gekannt werden. Bei Kindern mit Migrationshintergrund sind es oft die Länder ihrer Eltern, auch wenn sie die selbst vielleicht nur von Urlaubsreisen kennen, wenn überhaupt. Aber diese Länder, das Essen, die gemeinsamen Feste spielen im Alltag und im Familienleben eine große Rolle. Die Eltern erzählen von den schönen Dingen in der Heimat, sie halten die Erinnerungen und Bräuche hoch, damit nichts verloren geht. Das gibt Sicherheit in einer fremden Umgebung. Die Kinder spüren, dass dieses Land der Eltern ein guter Ort ist.

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Wie erklären Sie sich, dass schon Zwölfjährige den Ramadan einhalten und fasten wollen?

Es ist immer wieder interessant, wenn sich in den Projekten zeigt, wie gut sich viele muslimische Kinder mit ihrer Religion auskennen. Im Gegensatz zu den christlichen Kindern, die oft nicht wissen, was zum Beispiel an Ostern oder Pfingsten gefeiert wird. Die Religion wird in den Familien noch mehr gelebt, das hat auch etwas mit der eigenen Identität zu tun. Das gibt Sicherheit in einer neuen Umgebung. Und gehört zu ihrer Heimat dazu.

Bleibt die Idealvorstellung der Heimat ein Leben lang?

Manchmal löst sich das in der Pubertät auf. Ich erinnere mich an eine Reise mit einer Gruppe Jugendlicher in den Südosten der Türkei. Sie waren zum ersten Mal im Land ihrer Eltern und hatten diese Heimat vorher sehr verklärt. Sie hatten sich ein kleines Paradies vorgestellt. Und sie waren sehr irritiert, als sie gesehen haben, dass die Lebensbedingungen doch nicht so paradiesisch waren.

Worauf wollen Sie die Kinder in Ihren Schulprojekten aufmerksam machen?

Wir wollen ihre Wahrnehmung schärfen. Ein Workshop in dem Projekt heißt "Mein Wohnort - mein Traumort". Die Kinder laufen durch ihr Dorf oder ihr Viertel und machen Fotos davon. Sie beschreiben, wie es aussieht. Und im nächsten Schritt machen sie sich Gedanken, wie sie es gerne hätten. Die Kinder bauen Orte mit Fußballplätzen, Spielplätzen, mit einem Metzger, einem Bäcker, einem Supermarkt. Die Kinder wissen, dass das wichtig ist. Noch nie hat jemand einen Ort mit einem riesigen Einkaufszentrum am Rand gebaut.

Wie können es Eltern schaffen, Kindern und Jugendlichen ein gutes Zuhause, eine gute Heimat zu bieten?

Heimat entsteht aus den zwischenmenschlichen Beziehungen, aus Geborgenheit. Wenn Kinder fühlen, das ist ein sicherer Ort, wenn sie die schönen Dinge wahrnehmen, dann ist das Heimat. Eine schöne Heimat kann man überall haben.

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