Internationaler Denkmaltag:Jagd auf Dianas Bogen

Skulpturen und Statuen wie die am Nymphenburger Schloss sind nicht nur Umwelteinflüssen ausgesetzt, sondern auch Souvenirjägern und Spaßvögeln. Pflege und Instandsetzung sind aufwendig

Von Günther Knoll

Mit Gedenktagen ist es wie mit Monumenten, man beachtet sie oft nicht. So wird der 18. April, den der Internationale Rat für Denkmalpflege in Zusammenarbeit mit der Unesco seit 1982 als Aktionstag ausgerufen hat, in Deutschland und Bayern schlicht übergangen. Dafür wird im September der Tag des Offenen Denkmals gefeiert. Den Rest des Jahres gehören Denkmäler und Memorials, ob sie nun auf der offiziellen Denkmalschutzliste stehen oder nicht, zum Alltag. Dabei hat gerade eine Großstadt wie München vieles auch im Verborgenen zu bieten, wie man auch beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege weiß. "Da gibt's wirklich Schönes und Gutes", hat dessen Pressesprecherin Dorothee Ott bei Streifzügen durch München festgestellt.

Statuen und Skulpturen verdienen nicht nur Aufmerksamkeit, sie bedürfen auch besonderer Pflege. Schließlich sind sie nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt, sondern auch Scherzbolden, Rowdys und Souvenirjägern. Dass man die Schnauzen der Löwen an der Residenz streichelt, ist für Münchner wie Touristen ein Brauch, der Glück bringen soll. Dass selbst Bronze das auf Dauer nicht unbeschadet aushält, wird dabei übersehen. Bierdosen am Max-Joseph-Denkmal, ein Pullover für den Weiß Ferdl als Brunnenfigur, das sind noch die harmloseren Übergriffe. Kostspielig wird es, wenn, wie geschehen, dem Denkmal für den Komiker Karl Valentin eine Hand abgebrochen wurde oder die Schwerter der Engel auf der Mariensäule gestohlen und beschädigt wurden.

Wer ein Denkmal beschädigt, dem drohen bis sechs Monate Gefängnis, ist in einer Polizei-Verordnung für Bayern und München von 1838 zu lesen, oder "nach Beschaffenheit der Umstände verhältnismäßig körperliche Züchtigung". Heute betrachten es manche als Sport oder Heldentat, Skulpturen ihre Attribute zu stehlen. Diese Erfahrung hat Klaus Häfner gemacht, als Steinrestaurator der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung auch für die Skulpturen im Nymphenburger Schlosspark verantwortlich. Dabei haben diese Dinge kaum materiellen Wert: Ob Neptuns Dreizack, oder der Stab des Götterboten Merkur, echt ist davon schon lange nichts mehr, sagt Häfner, "solche Sachen werden uns geklaut". Besonders beliebt ist offenbar der Bogen der Jagdgöttin Diana. Weil diese Insignien aber für das Erkennen der Götterfigur unverzichtbar sind, behilft man sich mit Nachbildungen.

Die wertvolleren Plastiken wandern, um Beschädigungen zu vermeiden, oft ins Museum: Herakles oder Athene an der Nymphenburger Kaskade - da bekommen die Besucher nur noch Repliken zu sehen. Laut Häfner gab es sogar Überlegungen, alle Figuren in einem Lapidarium auszustellen und nur noch Duplikate am Ort stehen zu lassen. Der Restaurator findet das nicht gut, seiner Ansicht nach solle man diese Skulpturen, so lange es geht, an ihrem Originalort stehen lassen. Er findet es "schon witzig, wie man mit diesen Sachen umgeht". 1972 zu den Olympischen Spielen in München etwa: Da wurde der Schlosspark in ein Dressurgelände umfunktioniert, die Skulpturen mussten dafür einfach schnell ins Depot verschwinden.

Der Restaurator weiß genau, wie aufwendig deren Pflege ist. Für den Marmor läuft ein eigenes Überwachungsprogramm mit Ultraschalluntersuchung. So lassen sich Schäden im Inneren feststellen. Dann muss der Stein verfestigt werden, damit zum Schluss nicht "ein Häuflein Marmormehl" übrig bleibt. Das hat Häfner im Schloss Sanssouci in Potsdam bei einer Vase schon selbst erleben müssen. Die Skulpturen in Nymphenburg haben einen besonderen Feind: die Linden, unter denen sie stehen. Deren Saft klebt und bildet auf dem Marmor mit dem Schmutz aus der Luft eine dunkle Schicht. Und die bewirkt, dass sich der Marmor bei starker Sonneneinstrahlung so stark erhitzt, dass es zu Rissen und Dehnungen kommen kann. Deshalb werden die Figuren zuerst mit Dampf gereinigt und dann mit einer durchsichtigen Schutzhülle aus Wachs überzogen. Im Winter schützt sie eine Holzverkleidung.

Glas ist dafür, wie Häfner erläutert, weniger geeignet, weil es wieder zu starker Hitze führt. Und es wäre auch zu teuer. Der Etat für den Bauunterhalt sei nämlich "völlig unterdimensioniert". Häfner ist froh darüber, dass "in München der Vandalismus nicht überproportional groß" ist. Angst hat er nur vor der kommenden Freinacht: Man weiß ja nicht, was da den Leuten wieder einfällt.

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