Internationale Handwerksmesse München:"Wir bekommen teilweise gar keine Bewerbungen"

Internationale Handwerksmesse München: Mit Feuer versucht Sabine Koller, ihren Beruf bekannter zu machen. Sie ist Glasapparatebläserin und präsentiert ihr Handwerk auf der Internationalen Handwerksmesse in Riem.

Mit Feuer versucht Sabine Koller, ihren Beruf bekannter zu machen. Sie ist Glasapparatebläserin und präsentiert ihr Handwerk auf der Internationalen Handwerksmesse in Riem.

(Foto: Catherina Hess)

Dem deutschen Handwerk fehlen rund 250 000 Fachkräfte. Eine Messe in München versucht gerade, den dringend benötigten Nachwuchs anzulocken. Es gibt viel zu bestaunen in den Hallen.

Von Melanie Strobl

Flammen schießen aus dem Brenner, hinter dem Sabine Koller sitzt. Zwischen ihren Fingern dreht sie ein dünnes Glasrohr durch das Feuer und bläst hin und wieder hinein. Wie flüssigen Honig scheint sie das Material verformen zu können. Die Glasapparatebläserin, so die korrekte Berufsbezeichnung, ist Lehrerin an der Glasfachschule Zwiesel. Gemeinsam mit einem ihrer Schüler steht sie in der Halle B5, Stand 126, auf der Internationalen Handwerksmesse München (IHM). Sie ist froh, nach zwei Jahren coronabedingter Messepause wieder hier zu sein.

Besucher können auf der IHM Arbeit bestaunen, die sonst im Verborgenen bleibt. Gleich am Eingang der Halle B5 zeigt Petra Mühlchen aus Sachsen, wie sie Taschen, Körbe und Schmuck aus kabelförmigem Kunststoff flechtet. Wenige Meter entfernt meißeln zwei junge Steinmetze Schrift in einen Stein - wer möchte, kann es selbst ausprobieren. "Viele Besucher sind erstaunt und fragen, ob es dafür keine Maschinen gibt", sagt der 20-jährige Florian Bauer. Neben ihm werkelt Tobias Eichenlaub, beide sind Meisterschüler und überzeugt von ihrem Handwerk. Genau das braucht die IHM: Junge Handwerker, die für ihren Beruf werben und Nachwuchs anlocken. Denn nach Schätzung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks fehlen der Branche 250 000 Fachkräfte.

Kein Wunder also, dass der Fachkräftemangel ein Hauptthema der diesjährigen IHM ist. Passend zum Thema ist die ganze Halle C6 dem Nachwuchs gewidmet. Am Stand des Metallfachverbands Bayern formen Jugendliche Rosen aus Metall oder werkeln an Spardosen. Der 22-jährige Metallbauer Marc Pawlowski beobachtet die Kinder und klagt über die mangelnde Wertschätzung des Handwerkerberufs. An Personal fehle es an jeder Ecke, sagt er. "Wir sind ein kleiner Familienbetrieb, aber selbst da hapert es. Wir bekommen teilweise gar keine Bewerbungen." Auch der Augenoptikermeister Siegfried Wensky, der am Stand gegenüber sitzt, meint, der Fachkräftemangel in seiner Branche sei eine "Katastrophe". Der Trend gehe eben immer mehr zum Studieren.

Internationale Handwerksmesse München: Die Steinmetze Florian Bauer (links) und Tobias Eichenlaub.

Die Steinmetze Florian Bauer (links) und Tobias Eichenlaub.

(Foto: Catherina Hess)
Internationale Handwerksmesse München: Eine Jugendliche formt eine Rose aus Metall am Stand des Metallfachverbands.

Eine Jugendliche formt eine Rose aus Metall am Stand des Metallfachverbands.

(Foto: Catherina Hess)
Internationale Handwerksmesse München: Das gewaltige Baumhaus von Zimmerermeister Johannes Schelle (Mitte).

Das gewaltige Baumhaus von Zimmerermeister Johannes Schelle (Mitte).

(Foto: Catherina Hess)

Einer, der sich ausnahmsweise nicht über Personalmangel beklagt, ist der Zimmerermeister Johannes Schelle. Seinen Stand in der Halle B5 kann man praktisch nicht übersehen. Zwischen drei Baumstämmen hat er dort ein riesiges Baumhaus gezimmert, das bis knapp unter die Stahlträger der Hallendecke reicht. "Uns rennen sie die Bude ein", sagt Schelle. "Ich habe sicher zweimal pro Woche Leute, die bei uns eine Ausbildung machen wollen." Woran das liegt? Vermutlich an seiner Nische, meint er: Seit 15 Jahren baue er ausschließlich Baumhäuser. Die hölzernen Luxusbauten muss man sich aber auch leisten können: 20 000 bis 250 000 Euro, das sei so die Preisspanne.

In fünf Messehallen haben rund 650 Aussteller ihre Stände aufgebaut - die Jahre vor Corona waren es an die 1000. Corona-Regeln gibt es so gut wie keine, das Tragen einer Maske ist lediglich eine Empfehlung, an die sich beim Auftakt am Mittwoch nur die wenigsten halten. Die breiten Gänge sind am ersten Tag eher dünn besiedelt. Die träge Stimmung scheint auf manche Aussteller abzufärben, die eher gelangweilt umherschauen und auf Besucher warten.

Internationale Handwerksmesse München: "Kussechten Knoblauchspeck" gibt es bei Thomas Moosbrugger.

"Kussechten Knoblauchspeck" gibt es bei Thomas Moosbrugger.

(Foto: Catherina Hess)
Internationale Handwerksmesse München: Dreierlei Olivenöl aus Griechenland.

Dreierlei Olivenöl aus Griechenland.

(Foto: Catherina Hess)

Neu dabei ist der Genussmarkt von den Machern der Food&Life-Messe in Halle C4. Vorbei an den Gartenausstellern, die Whirlpools, Insektenschutz oder ein sich selbst bewässerndes Hochbeet präsentieren, finden hungrige Messebesucher rund 40 Stände, bei denen sie sich durchprobieren können. Dreierlei Olivenöl aus Griechenland gibt es etwa am Stand C4.325 mit kleinen Brotstücken zu verkosten. Daneben schenken Herr und Frau Strub Wein aus ihrem Weingut in Rheinhessen aus. "Kussechten Knoblauchspeck", so wie es über der Wursttheke von C4.165 geschrieben steht, probiert ein junges Paar. "Es ist ein Schinken mit einem dezenten Knoblauchgeschmack. Aber man riecht danach nicht nach Knoblauch, sodass man noch knutschen kann", sagt Standbetreiber Thomas Moosbrugger und lacht. Für Vegetarier gibt es bei ihm auch den Bergkäse zu probieren, der 2017/18 den "World Cheese Award" gewonnen habe. Wie er den ersten Messe-Tag wahrnimmt? "Viel zu wenig los." Bei der Food&Life - die im November wieder stattfinden soll - sei fünfzigmal mehr los.

Nach zwei Jahren Zwangspause hatten die Aussteller wohl auf ein größeres Publikum gehofft. Glasapparatebläserin Koller betont wie viele andere auch, dass die Wertschätzung für das Handwerk fehle. "Wir bemühen uns, die Bekanntheit voranzutreiben." Bis Sonntag steht sie mit ihren Kollegen aus anderen Handwerksbetrieben noch auf dem Messegelände in Riem und gibt Einblicke in eine Branche, die es derzeit nicht einfach hat. Fehlen nur noch Besucher.

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