Süddeutsche Zeitung

Trends beim Handwerk:Wo Metzger zu Filet-Feen werden

Lesezeit: 3 min

Auf der Internationalen Handwerksmesse in München lässt sich erleben, was sich die Branche inzwischen alles einfallen lässt, um Nachwuchs zu finden.

Von Patrik Stäbler

Kilian hat eine klare Vorstellung von seiner beruflichen Zukunft. Was er einmal werden wolle, hat den 15-Jährigen sein Gegenüber gefragt, der zum Schottenrock einen Biberpelz um die Schultern und ein Umhängeschwert trägt - doch zu diesem Outfit später mehr. Zunächst zu Kilian, der ohne zu zögern antwortet: "Reich! Am besten Millionär." Wie er das schaffen wolle, hakt der Schwertträger nach. "Entweder erben oder hart arbeiten", erwidert der Gymnasiast aus Puchheim - wobei der zweite Teil seiner Antwort ein zufriedenes Nicken beim Gegenüber hervorruft.

Dann sei er hier genau richtig, sagt Andreas Gassner von der Metzgerinnung München, die sich bei der Internationalen Handwerksmesse (IHM) auf der "Young Generation" präsentiert. Bei dieser Sonderschau können junge Menschen im Rahmen einer Rallye Dutzende Ausbildungsberufe kennenlernen - von Konditor bis Steinmetzin, von Kaminkehrerin bis Optiker. An Mitmachstationen werben die Handwerksverbände und Innungen um den so dringend benötigten Nachwuchs, teils mit kreativen Ideen.

So hat sich das bayerische Metzgerhandwerk etwa an "Game of Thrones" orientiert und erzählt mit Comicfiguren wie dem "Keulen-Krieger" und der "Filet-Fee" die Geschichte vom "Butcher's Tale - Die Wächter des Handwerks", was wiederum das Outfit von Andreas Gassner erklärt. "Ich könnte hier auch stehen und einen Rollbraten wickeln, aber da würden die jungen Leute an mir vorbeilaufen", sagt der Metzgermeister. Beim Anblick eines schottischen Kriegers mit Schwert blieben hingegen die meisten stehen, sagt Gassner. "Gerade bei Nachwuchsmessen kommt der Butcher's Tale richtig gut an."

Ob Kilian dereinst eine Ausbildung zum Metzger machen wird, darf indes bezweifelt werden. Schließlich zieht es immer mehr junge Menschen erst aufs Gymnasium und danach zum Studieren. Derweil konnten im Handwerk zuletzt fast 20 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Und laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) fehlen schon jetzt bundesweit mindestens 250 000 Fachkräfte. Dieser gravierende Personalmangel ist auch auf der Handwerksmesse in München ein allgegenwärtiges Thema - und laut dem ZDH nur eines von mehreren Problemen, die der Branche aktuell zusetzen. Hinzu kämen die Inflation, steigende Energiepreise sowie die Folgen der Pandemie.

Tatsächlich spricht auch Hennes Röseler in der Halle B2 von einem "Corona-Effekt" und meint damit den eher mäßigen Andrang am Eröffnungstag der IHM. "Es kommen noch nicht wieder so viele Leute wie vor der Pandemie", sagt Röseler, der für die Firma mpo-tec aus Ludwigslust südlich von Schwerin arbeitet. An deren Stand herrscht indes reger Betrieb, was in erster Linie an der "mpo heat" liegt - einer Tapete, die heizt.

Diese Heizung für die Wand habe er zusammen mit seinem Vater, einem Malermeister, entwickelt, erzählt der Student. Dabei handle es sich um eine beschichtete Tapete, die man über einen Transformator an die Steckdose anschließe. "Damit lässt sich eine Wohnung deutlich sparsamer heizen", sagt Hennes Röseler. "Und deutlich günstiger." Entsprechend seien die zuletzt nach oben geschnellten Energiepreise seiner Firma entgegengekommen.

Gleiches gilt auch für andere Aussteller, die sich in der Halle C2 unter dem Motto "Bauen, Sanieren und Modernisieren" präsentieren. Vom ökologischen Dämmen bis zum hölzernen Tiny House dreht sich hier vieles ums Energiesparen. In der angrenzenden Halle geht es derweil um Wohnen und Lifestyle, was zumindest am ersten Messetag jedoch weit weniger Publikum anzieht.

Am meisten Verkehr herrscht bei der "Food & Life", die seit Jahren parallel zur "Heim und Handwerk" im Herbst läuft und nun erstmals auch unter dem Dach der IHM stattfindet. Feilgeboten wird hier alles, was schmeckt - mit Fokus auf heimische Produkte. Etwa von "Walding Foods", einem 2020 gegründeten Start-up aus Freising, das Soßen, Fleischalternativen und andere vegane Lebensmittel herstellt - aus Pilzen.

Angefangen habe alles auf einer Gartenparty in der Schweiz, auf der sein Studienfreund Johannes Aman und er einen Schwefelporling entdeckt und probiert hätten, erzählt Gründer David Stille. In der Folge sei bei ihnen die Idee gereift, diesen Baumpilz anzubauen und als Fleischalternative zu vermarkten. Inzwischen produziert das Start-up aus verschiedensten Pilzen und mittels Fermentation eine Reihe von Nahrungsmitteln von der Sojasoße bis zum Burger. Aktuell bediene man vorwiegend die Gastronomie, sagt David Stille. Entsprechend gehe es seinem Start-up bei der IHM vor allem darum, Kontakte zu knüpfen.

Selbiges trifft sicher auch auf die Firma Birchbarks aus Laufen im Berchtesgadener Land zu. An ihrem Stand in der Halle B1 demonstriert der aus Sibirien stammenden Bootsbauer Artem Lemberg, wie er seine handgefertigten Birkenrindenkanus herstellt. Bis zu 600 Stunden Arbeit stecken in solch einem Boot für zwei bis drei Insassen, das die kleine Firma für 24 000 Euro verkauft. Ihr Stand ist Teil der Messe "Handwerk & Design", die heuer einen Schwerpunkt auf das Thema Bootsbau setzt und ebenso wie die "Garten München" parallel zur IHM stattfindet.

Zusammen mit der "Food & Life" sind somit vier Messebereiche mit insgesamt 670 Ausstellern unter einem Dach vereint. Geöffnet ist die IHM noch bis einschließlich Sonntag, jeweils von 9.30 bis 18 Uhr. Ein Tagesticket kostet 15 Euro, von 15 Uhr an gibt es Nachmittagstickets für sieben Euro.

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