Süddeutsche Zeitung

Internationale Beziehungen:Gemischtes Doppel

Die gefühlskalte Deutsche, das italienische Muttersöhnchen? Binationale Paare sind in München keine Seltenheit, doch oft sind es Vorurteile des Umfelds, die solche Beziehungen schwierig machen

Von Franziska Gerlach

Die Aufgabe einer Brücke ist es, zu verbinden. Nicht der schlechteste Ort für einen Heiratsantrag also. Im Sommer war die Hochzeit, mit einer zauberhaften Torte und einer bildhübschen Braut, Familien und Freunde feierten, dass Sylvain Savary und Carolyn Bauschmid den Bund der Ehe geschlossen hatten. Zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Kulturen. Binationale Partnerschaften sind heute keine große Sache mehr. Liebe kennt keine Grenzen, heißt es doch?

Seit Bauschmid, 43, als Aupair-Mädchen in La Rochelle war, hat sie ein Faible für das Nachbarland. Bewusst nach einem Franzosen gesucht habe sie aber nicht. "Ich habe mich in den Menschen verliebt", sagt die Buchhändlerin. Genauso wie Yazmin Roman Sufan de Ballenberger. Die Peruanerin hat ihren Mann 2001 in einer Münchner Disco kennengelernt, gerade einmal einen Monat lebte sie damals hier. Die heute 35-Jährige war zum Studium an die Isar gekommen, danach wollte sie eigentlich weiterziehen, in die nächste Stadt, das nächste Land. Aber sie blieb: "Er hat mir einfach gut gefallen, war witzig, und er konnte Spanisch."

Ein Einzelfall ist sie damit nicht: Knapp 20 Prozent aller Ehen in München wurden 2014 laut Statistischem Amt der Stadt zwischen einem deutschen und einem ausländischen Partner geschlossen. Die Scheidungsrate liegt etwas höher als bei Paaren gleicher Nationalität. Am häufigsten heirateten Deutsche und Österreicher, aber auch Länder wie Schweden, Brasilien oder Nigeria listet die Übersicht. Während sich Männer am zweithäufigsten mit Russinnen vermählten, gaben die Münchnerinnen am liebsten einem Italiener das Ja-Wort, die Ehe mit einem Franzosen belegt Platz sechs der Rangliste.

Immer mehr Menschen leben in bikulturellen Beziehungen. "Das ist ein Trend", sagt Isabell Riedling, und habe mit der zunehmenden Mobilität zu tun. Riedling ist Beraterin beim Verband binationaler Familien und Partnerschaften an der Goethestraße und weiß um die Herausforderungen, die eine Staatsgrenze im Ehebett nach sich ziehen kann. "Binationale Paare stehen gleich zu Beginn ihrer Beziehung unter großem Druck", sagt sie. Irgendwann ist das Auslandssemester an der Isar vorbei, das Visum abgelaufen, da kommt die Hochzeit mitunter schneller als geplant. "Und manche hätten sich vielleicht wieder getrennt, wenn sie sich besser kennengelernt hätten."

Verallgemeinern lassen sie die Probleme freilich nicht, sie sind so vielfältig wie die Herkunftsländer und mitunter abhängig von Religionen und gesellschaftlichen Konventionen. Unterschiedliche Auffassungen über die richtige Dosis an Respekt, die pubertierende Teenager ihren Eltern entgegenbringen sollen, sind ein wiederkehrendes Thema in den Gesprächen, die Riedling führt. Oder auch die Ansicht, Sex und Freundschaft ließen sich nicht in einer Person vereinen. Manchmal ist es auch nur eine kleine Lücke im Erfahrungsschatz, die ein Gefühl von großer Distanz auslösen kann. Kindheitserinnerungen an den ersten Schneemann oder wie gut Pommes frites im Freibad schmecken.

Andererseits weiß sicher nicht jeder Münchner, dass es in einigen asiatischen Ländern Glück bringt, ausgefallene Milchzähne auf das Hausdach zu werfen. "Das ist gar nicht so einfach, diese Wissenslücken zu füllen", sagt Yun-Yi Küpper, 43, die aus Taiwan kommt und seit 1999 mit einem Deutschen verheiratet ist. Wenn zum Beispiel eine Comedysendung im Fernsehen läuft, der Partner sich schlapp lacht, und man selbst die Pointe nicht versteht. Dann fragt man vielleicht einmal, zweimal nach, worum es gerade geht. Und lässt es beim dritten Mal.

Ganz alltägliche Dinge wie das Frankieren eines Großbriefes werden dann anstrengend, weil sie erklärt werden wollen. Eine deutsche Partnerin etwa gerät in dieser Situation in die Rolle der Macherin, sagt Riedling. "Und der Mann fühlt sich dann untergeordnet." Auch Nimish Patel, 26, musste seine Freundin schon fragen, wie es auf Münchner Ämtern zugeht - und nimmt es mit Humor. Der indische Ingenieur lebt seit 2012 hier, er wollte einige Jahre arbeiten, Europa bereisen, Geld verdienen. Das war der Plan, ehe er sich verliebte. Den richtigen Namen will er nicht verraten. Seine Familie glaubt, dass es sich bei der blassen Deutschen, die beim Skypen manchmal in die Kamera winkt, um seine "Mitbewohnerin" handelt. Unterbewusst wissen sie wohl, dass da mehr läuft - und er vielleicht nicht mehr zurückkommt. Patel steht vor einer Entscheidung, er weiß, er wird jemandem weh tun. Vorerst kann er sich in einen Witz flüchten. "Ein ganzes Leben hier", sagt er, "dann muss ich ja immer dieses prickelnde Wasser trinken und Weißwürste essen."

Die gefühlskalte Deutsche. Das italienische Muttersöhnchen. Die Thailänderin, die einen Versorger braucht. Wie die Forschungen von Miriam Gutekunst ergeben haben, sind es oft Vorbehalte und Vorurteile aus dem Umfeld, die bikulturelle Beziehungen zum Scheitern bringen. Gerade Männer aus muslimischen Ländern würden häufig mit dem "Bild des patriarchalen, radikalen Ehemannes" konfrontiert, sagt die Kulturwissenschaftlerin am Institut für Europäische Ethnologie an der LMU. "Darunter leiden die Paare, weil sie sich immer rechtfertigen müssen."

Yun-Yi Küpper musste sich glücklicherweise nie rechtfertigen. Etwas skeptisch war ihre Mutter aber schon, als sie sich für ein Leben in München entschieden hat. Ein mutiger Schritt. Die deutsche Sprache musste sie erst lernen, und wenn sie heute auch Langlaufen als Hobby nennt, so machte ihr der deutsche Winter anfangs doch zu schaffen. An der Beziehung mit ihrem deutschen Mann schätze sie die gegenseitige Toleranz, und wie ehrlich über alles geredet werde - ein Unterschied zur taiwanesischen Diskussionskultur, in der Höflichkeit oft über Offenheit gestellt werde.

Bei Yazmin Roman Sufan de Ballenberger und ihrem Mann führten zu Beginn der Beziehung manchmal sprachliche Missverständnisse zum Streit. "Das waren oft Kleinigkeiten, die sich in der fremden Sprache anders angehört haben, als sie gemeint waren", sagt sie. Das gab sich aber, nach so vielen Jahren hat sie einige als Deutsch geltende Eigenschaften übernommen. "Ich bin heute pünktlicher als mein Mann", sagt sie. Dafür sei dieser durch sie lockerer geworden, entspannter. Auch in der Ehe von Bauschmid und Savary haben beide Kulturen Platz, sie sehen gerne französische Filme, hin und wieder sprechen sie auch französisch. Er mag an Deutschland das Strukturierte, das vergleichsweise größere Umweltbewusstsein, auch die deutsche Geschichte interessiert ihn. Sie ist vom Savoir-vivre angetan, der französischen Gelassenheit. "Ich wäre gerne die Französin und er der Deutsche", sagt Bauschmid, "und das passt gut zusammen."

Für Steffen Mayer, 36, ist diese Offenheit die Voraussetzung, um sich überhaupt auf eine Person mit einem anderen Pass einlassen zu können. Er war bereits mit einer Afrikanerin liiert, seine Ehefrau kommt aus Kasachstan. Da müsse man natürlich Kompromisse eingehen. "Aber dafür ist es total bereichernd, wenn sich die Kulturkreise vermischen", sagt er. Aufweichen lassen sich die Grenzen also, doch ist die Liebe dadurch grenzenlos? Beraterin Isabell Riedling sieht das so: "In binationalen Beziehungen reicht Liebe allein nicht, man muss Geduld mitbringen, Humor und die Bereitschaft, in schwierigen Phasen den Horizont zu erweitern."

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SZ vom 12.01.2016
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